
Nichts für Älpler
Jedes Jahr gibt es auf dem Buchmarkt mindestens ein Déjà-vu, dieses Jahr sieht es so aus: eine sympathische Frau mit Huhn auf dem Arm auf dem Titelbild und der Titel lautet «Auf der Alm. Vom Glück des einfachen Lebens». Es ist ein Buch, dessen Inhalt jede aus dem Stegreif erzählen kann, die mehrfach einen Sommer auf der Alp verbracht hat. In jeweils individuellen Varianten, die gleichen Erfahrungen: Wie das ist, Kühe in den Stall zu bugsieren, die da nicht reinwollen. Wie entspannend die Glocken, wie faszinierend die Geburt eines Kalbs, wie anstrengend die Arbeit, wie beglückend der Kaffee auf dem Bänkli und der Mittagsschlaf im Heu.
Also sprich: Es ist wirklich kein Buch für Älplerinnen. Aber es ist trotzdem ein Buch, das seine Berechtigung hat. Über was sonst soll man schreiben und lesen in einer Welt, die ausserhalb der Landwirtschaft grösstenteils völlig am Rad dreht. (Ach, ich vergass, in der Landwirtschaft ja ebenfalls.)
Die Fotos sind hart an der Kitschgrenze (manche in der Redaktion sagen auch: weit drüber), die Schilderung wenig überraschend und der Verlag tut bei der Vermarktung sein Übriges, um auch ja kein Klischee auszulassen.
Schön wäre gewesen: etwas mehr Kontroverse, ein bisschen mehr Kanten, ein bisschen weniger Komfortzone. Aber meine Güte, wer noch nie einen Sonnenuntergang hinterm Hüttli fotografiert hat, wer kleine Kinder mit Kälbern kein bitz süss findet, der schreibe eben selber ein Buch. So ein richtig nüchternes, trockenes, ironisches. Ob’s besser wird, ist eine noch offene Frage. (sd)
Julia Barbarino
Auf der Alm
Vom Glück des einfachen Lebens
Gebunden, 272 Seiten
Ludwig Verlag 2021
978-3-453-28137-0
www.penguinrandomhouse.de