Bücher

Bärgsummer neu aufgelegt

Alptagebücher: Es gibt so viele davon. Selbstherrlich berichten viele Alpneulinge und Erlebnisälplerinnen von ihren heldenhaften Stunden Arbeit, stolz über die ersten schönen Käselaibe, schimpfen über uneinsichtigen Besuch und schlechtes Wetter.
Die Erzählungen von Vreni Müllener setzen dem die Souveränität, Bodenständigkeit und das Gottesvertrauen einer wahrhaften Bäuerin entgegen. Sie schildert unaufgeregt und in einer soliden Sprache, die hin und wieder Dialektmümpfeli bereithält, wie es im Alltag auf dem Mittelberg zu- und hergeht. Durch liebevolle Beschreibungen und bunte Fotos lernt man die Enkelinnen und die Familie von Alfred und Vreni, den Stubentiger Willy, aber auch eine ganze Schar «Statterkinder» kennen, die am Alpleben teilhaben und mitlernen können. Die Geschichten umfassen insgesamt sechs Bergsommer und schaffen so eine Vertrautheit mit den Personen und der Alp, die 35 Kühe und einige Ziegen umfasst.
Wer neugierig geworden ist, kann bei www.alpgeschichten.ch reinschauen. Auch dort veröffentlicht Vreni Müllener Geschichten, Einblicke und Bilder vom Mittelberg. ln

Vreni Müllener:
«Bärgsummer» im Saanenland

6 Jahre Alpgeschichten

160 Seiten, gebunden
Müller Medien AG 2018
ISBN 978-3-907041-72-7
CHF 34.00
www.mmedien.ch

Und über allem klebt das Leid

Neun Geschwister, die Mutter tot, der Vater überfordert, das Portemonnaie leer, ein Bauernhof voller Arbeit – so beginnen die Erinnerungen der Gertrud Gasser. Was folgt, sind aneinandergereihte Schicksalsschläge, die sich wie die Perlen an der Gebetskette eines Rosenkranzes durch das Leben ziehen. Das verlangt nach Geduld, Demut und möglicherweise Gottvertrauen. Nicht ganz alles geht schief: Gertrud findet einen Mann, sie gehen auf die Alp, bekommen Kinder. Gerade bei den Schilderungen der Alperlebnisse leuchtet ein kleiner Funken Glück und Frieden auf. Zuweilen wird es sogar lustig, wenn zum Beispiel eine Kuh die Zeitung einer Touristin verschlingt oder das Kaninchen als blinder Passagier auf dem Autochassis von der Alp über Bern und Biel bis nach Hause mitfährt. Doch wer im Karma der Lebensprüfungen zappelt, für den hält das Schicksal immer noch einen weiteren Schlag bereit. Der Klang des Leids zieht sich wie eine klebrige Masse durch das ganze Buch. Als Lesender möchte man der Älplerfamilie zurufen: Lest weniger in der Bibel, vertraut mehr auf die eigenen Fähigkeiten, trickst das Schicksal aus. gh

Gertrud Gasser:
Heimatlose Älplerfamilie

gebunden, 152 Seiten mit Farbseiten
Mosaicstones, Thun 2018
ISBN 978-3-906959-31-3
CHF 26.80
www.mosaicstones.ch

In den Bergen

Begibt man sich mit Paolo Cognetti im ersten Teil des Romans auf die Reise in die Kindheit, lässt sich durchaus nachvollziehen, dass er dafür mit dem renommierten Buchpreis Premio Strega ausgezeichnet wurde. Seine Erinnerungen an die Sommermonate in einem abgelegenen, vom Zerfall geprägten Bergdorf im Aostatal sind eine sehr berührende Annäherung an die wilde und karge alpine Landschaft am Fusse des Monte-Rosa-Massives, aber auch an die eigene Familiengeschichte und vor allem an die Freundschaft zwischen Pietro,dem schüchternen Knaben aus Mailand, und Bruno, der bereits als Junge im Dorf die Kühe hüten und später auf der Alp seines Onkels mithelfen muss.

Überzeugt der erste Teil durchwegs, so hinterlässt der Roman in der Folge einen eher schalen Geschmack. Die Freundschaft zwischen den Männern bleibt eigenartig spröde, wohl nicht zuletzt, weil die Figur von Bruno, der zutiefst mit seiner Heimat und ihren Bergen verbunden ist, zu offensichtlich ein arg konstruiertes Alter Ego von Pietro darstellt. Wenn der Autor Bruno, ohne dass dieser über einen Talbetrieb verfügen würde, die verlassene Alp seines Onkels wieder herrichten und 28 Kühe kaufen lässt, um diese von Hand zu melken – «Etwas anderes kam für ihn bei diesen empfindlichen Tieren nicht infrage [...]» (S. 184) –, dann ist das nur eine von allzu vielen Stellen, bei denen offensichtlich die Sehnsucht einer urbanen Gesellschaft nach einem archaischen und naturverbundenen Leben bedient wird; wohl auch ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Romans. Da wirkt es geradezu wohltuend authentisch, wenn das Alp-Projekt nach wenigen Jahren an seiner Frau scheitert, da sie von der Plackerei und den Schulden genug hat und mit dem gemeinsamen Kind zu ihren Eltern zieht, auch wenn das in der Konsequenz dazu führt, dass sich Bruno sprichwörtlich für immer in seine Berge zurückzieht. an

Paolo Cognetti:
Acht Berge

gebunden, 256 Seiten
DVA, München 2017
ISBN 978-3-421-04778-6
CHF 29.90
www.randomhouse.de

Vertraute Luft

Die Autorin hat sich auf Frauenportraits spezialisiert: In «Traum Alp» über Älplerinnen, in «Bergfieber» über Hüttenwartinnen. Jetzt also Portraits von Bergbäuerinnen. Schweglers eigener Tonfall überlagert oft den der Bäuerinnen: Die Grundstimmung ähnelt sich auffallend, obwohl die Bäuerinnen ganz unterschiedliche Biografien haben. Bäuerinnen vom alten Schrot und Korn sind nur wenige dabei. Fast alle portraitierten Frauen sind gewordene, nur wenige geborene Bergbäuerinnen. Das Bild, das dabei entsteht, ist letztlich das einer romantisierten Landwirtschaft, obwohl das Buch die Klischeebilder immer wieder zu brechen versucht. Die Sterbebegleiterin, die heute auf dem Berg die Stellung hält. Die Gynäkologin, die zur Teilzeitbäuerin wurde, nachdem ihr früherer Mann sich das Leben nahm. Oder die vife achtzehnjährige Tessinerin, der man ohne jeden Zweifel zutraut, den Hof ihrer Eltern zu managen. Doch es fehlen die Kanten, die Klüfte, die echte Tiefe. sd

Daniela Schwegler, Stephan Bösch:
Landluft

Bergbäuerinnen im Porträt

256 Seiten, gebunden
viele Farbbilder
Rotpunkt Verlag, Zürich 2017
ISBN 978-3-85869-752-3
CHF 39.00
www.rotpunktverlag.ch

Ein Buch für die Seele

Der erste Eindruck ist: A bissel brav, dieses Buch. Eine Frau erzählt von ihren Alpsommern in Oberbayern, von der guten Luft und dem einfachen Leben, und zwischendrin stellt sie ihre Alprezepte vor. Haut einen nicht vom Melkschemel. Alles ist vier Alpsommer lang exakt so, wie man sich das wünscht: Die Hütte wird zur zweiten Heimat, die Bauernfamilie zu engen Freunden, die Nachbarsennerinnen sind genau auf der gleichen Wellenlänge, der Arbeitgeber gibt jährlich vier Monate frei, der Mann versorgt daheim Haus und Garten – und auch die Kühe sind allesamt so umgänglich wie die im Buch vorkommenden Menschen. Nebenbei ist die Frau abends noch fit genug, um Besucher zu bewirten und Alphorn zu spielen.

Wie dem auch sei: Das Buch wirkt ehrlich. Es ist kein Lifestyle-Ding, keine Selbstdarstellung, sondern eine Schilderung mit echtem Herzblut und einer Portion Bescheidenheit. Mit Fotos, die keinen «interessanten Dreh» haben, sondern einfach nur Kühe zeigen oder Käse. Oder eben Sonnenuntergang. sd

Martina Fischer, Dorothea Steinbacher :
Die Alm – ein Ort für die Seele


240 Seiten, gebunden
Kailash 2016
ISBN 978-3-424631-18-0
CHF 26.90
www.randomhouse.de

Du bist das, was du mit dir machen lässt

Am besten ist Leo Tuor, wenn er den widerborstigen Bergler gibt und mit wortscharfem Sackmesser den Touristen, den Behörden, den Stromherren, Tourismusfanatikern und Pfaffen an die Gurgel springt. Denn wenn einer seine Berge liebt, dann gibt er sie nicht einfach fürs Stopfen seiner Geldbörse her oder nur, weil es scheinheilige Obrigkeiten fordern. Tuors Worte sind so poetisch wie sezierend, manchmal heiter, oft bitterböse und meist erhellend. Selber im Sumvitg zu Hause, viele Jahre als Schafhirt auf der Greina und als Jäger in Cavrein unterwegs, richtet er seine Feldstecherrohre gleichermassen auf Tiere, Landschaft und Landsleute. Den erweiterten Blick holt er aus Büchern verstorbener Literaten und Philosophen, die ihm helfen im eigenen Tal nicht zu vermodern: «Ein Bergler sollte gebildet sein.» Die Erzählungen und Essays stammen aus den letzten 20 Jahren, einige wenige sind neben deutsch auf Rätoromanisch abgedruckt, Tuors Schreibsprache. Wer «Vom Schafe hüten» bereits aus dem «Handbuch Alp» kennt, kann den Text nun simultan auf Sursilvan lesen. «Ti eis tut, ti eis pastur, ti eis mazler, ti eis hetger, ti eis spindrera, ti eis cutsch, ti eis veterinari, ti eis quei che ti laias far cun tei.» gh

Leo Tuor:
Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee

Erzählungen und Essays
 
224 Seiten, Leinen
Limmat Verlag, Zürich 2016
ISBN 978-3-85791-802-5
CHF 51.90, EUR 39.00
www.tuors.ch
www.limmatverlag.ch

Von Kleinhirten am Julierpass

Wenn einer in jungen Jahren als Kleinhirt auf der Alp war, vergisst er das nicht mehr. So auch Othmar Caviezel, Safranbauer und Geschichtenerzähler aus Tomils. Ob der achtjährige Toni, Hauptperson der Geschichte, sein Alter Ego ist, wissen wir als Lesende nicht, aber wie Caviezel stammt er aus Tomils und geht als Kleinhirt auf die Alp Surgonda am Julierpass. Anschaulich wird beschrieben, wie der Bub wacker seinen Hirt macht, im Alpteam unten durch muss und doch seine Freude findet, nicht zuletzt bei der Begegnung mit dem Käthi. Im zweiten Teil des Buches kommen ehemalige Alphirten von Surgonda zu Wort, die Bedeutung der Passstrasse wird erläutert, und eine kleine Alpchronologie schliesst das Büchlein ab. Gespickt sind die Texte mit historischen und aktuellen Bildern der Alp. gh

Othmar Caviezel:
S’Käthi vu dar Alp Surgonda

Eine Bündner Geschichte
 
156 Seiten, Taschenbuch
Verlag Desertina, Chur 2015
ISBN 978-3-85637-471-6
CHF 22.–
www.casanova.ch

Träumen ja, schreiben nein

Wie schön, hat sich der Traum der Autorin erfüllt, endlich mal als Sennerin im Südtirol einen Sommer z’Alm zu gehen. Schliesslich kann das nicht jeder. Dasselbe gilt leider auch fürs Schreiben. Ein Tagebuch, welches auch die langweiligen Tage von A bis Z nicht auslässt, dafür jegliche Aktivität der (anstrengend vielen) Alp-besucherInnen akribisch beschreibt und schreibstiltechnisch mühsam zu lesen ist, müsste nicht sein. Alpinteressierten und -neulingen empfehle ich deshalb, nicht das Buch zu lesen, sondern die Erfahrung gleich selber zu machen. Und danach kein Buch darüber zu schreiben. Danke schön. ln

Ruth Richter:
Wo die Riesen schlafen gehen

Mein Sommer auf der Alm

164 Seiten, Taschenbuch
Karin Fischer Verlag, Aachen 2015
ISBN 978-3-8422-4263-0
CHF 22.90 EUR 13.80
www.karin-fischer-verlag.de

Drama im Wallis

Eine verheiratete Frau findet in einem verheirateten Mann die grosse Liebe. Eine Situa­tion, die auch heute noch zum Drama führen kann – im ländlichen Wallis um 1900 ist sie undenkbar, absolut verboten. Kein Wunder, dass sich die Liebenden nur mit einem Verbrechen zu helfen wissen. Diese Geschichte endet böse, das ist von Anfang an klar. Warum sie trotzdem lesen? Weil sie wie keine andere eintaucht in die fremde Welt der Walliser Bauern und Bäuerinnen, die zwischen Tal, Berg und Alp nomadisierten. Eine flirrende, atemberaubende Schilderung aus der Sicht eines kleinen Mädchens – so genau, dass man das Gefühl nicht loswird, die Autorin sei dabei gewesen, im Alltag wie vor dem Schafott. «Theoda», 1944 erschienen, sei vielleicht ihr wichtigstes Buch geblieben, sagte S. Corinna Bille. «Als ich es schrieb, war sozusagen der ganze Fundus meiner Kindheit in mir, meine Jugend, alles.» Ja, Bille war dabei, auch wenn die Geschichte einige Jahrzehnte früher geschah. Grosse Literatur bringt solche Wunder zustande. Bettina Dyttrich

S. Corinna Bille:
Theoda

Neuübersetzung von Gabriela Zehnder
 
200 Seiten, gebunden
Rotpunktverlag, Zürich 2014
ISBN 978-3-85869-585-7
CHF 22.–, EUR 19.–
www.rotpunktverlag.ch

Älplerinnen erzählen

Fünfzehn Frauen auf zwölf Alpen erzählen aus ihrem Leben und Alltag auf der Alp. Obwohl sich die Arbeit oft gleicht, hat jede Älplerin ihre eigene Geschichte wie sie zur Alp gekommen ist und warum sie noch oben ist. Eindrücklich, wie die 74-jährige Schafhirtin Josi Jauch Bergbauernhof, Alp plus Kinder gemanagt hat und daneben ihren invaliden Mann 25 Jahre gepflegt oder wie Anne Krüger ihrem Gespür folgend samt Familie zwischen Alp und Bauernhof in Patagonien wechselt. Tüpfchenweise werden Ingredienzien der Alpwirtschaft wie Lohn, Wolf, Touristen usw. angesprochen, aber leider nicht ausgeführt. Die Texte werden begleitet von respektvollen Fotos, die durchs Buch geblättert die Bandbreite der Berufsschaft Älplerinnen zeigt. Überflüssig erscheinen Wandervorschläge und Rezepte, da wäre Platz gewesen für einen vertiefenden Blick in den Trendraum Alp – wie er von der Werbung umgarnt, von der Touristik, Energiewirtschaft und der Politik umgestaltet wird. gh

Daniela Schwegler, Vanessa Püntener:
Traum Alp

Älplerinnen im Porträt
 
256 Seiten, gebunden
viele Farbbilder
Rotpunktverlag, Zürich 2013
ISBN 978-385869-557-4
CHF 39.50
www.rotpunktverlag.ch

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