Musik

Mach mal: Pause

Was heute viele vergessen: Stille zwischen den Tönen ist wichtig. Vielleicht sogar essenziell. Das hornroh modern alphorn quartet weiss dies aber bestimmt. Zwischen den andächtigen Pausen der modern-traditionellen Stücke stimmen die vier Alphörner dann mit beeindruckender Präzision zu langgezogenen, nachdenklichen bis fröhlich anmutigen Melodien an, zeitgenössische Kompositionen von Georg Haider und traditionelle Motive streichen einem in warmen Klängen über den Rücken. Durch das Spiel mit Harmonie und ertragbarer Dissonanz fährt diese Musik richtig schön ein, wenn man sich darauf einlässt. ln

hornroh modern alphorn quartet:
gletsc


Musiques Suisses, Zürich 2015
www.musiques-suisses.ch

Alle ungeraden Jahre wieder

Am Festival «Alpentöne» treffen sich in den ungeraden Jahren MusikerInnen aus nah und fern mit allerlei Berg- und Volksmusik im Gepäck. Die CD «Alpentöne» fasst jeweils «The Best of» zusammen für alle, die nicht dabei waren, und für alle, die sich alptönern erinnern wollen. Wer sich einen Überblick zum musikalischen Schaffen der erweiterten alpinen Volksmusik verschaffen will, gelangt mit der CD auf die höchsten Gipfel. Diesmal mit dabei: Ils Fränzlis da Tschlin, Alpini Vernähmlassig, Geschwister Küng, Hans Hassler, Wiener Choralschola und weitere mehr. gh

Alpentöne:
Ein Querschnitt durch das Festival ’15


Musiques Suisses, Zürich 2015
www.musiques-suisses.ch

Stubete 2012

Crossover – das lieben wir doch. Zur Bratwurst einen Schämpis kippen, eine Nacht im Fünf-Sterne-Hotel übernachten, die nächste im Kornfeld, mal im Bioladen, mal im Aldi einkaufen, mit Krawatte ans Klassik-Konzert und mit Edelweissbrosche an die Stubete. Ein schönes Gefühl: Tun und lassen, wie es uns gerade gelüstet. Heute also Stubete. Und zwar eine, die durch das gesamte heimatliche Musikschaffen crossovert, welches Rang und Namen hat und auf irgendeine Weise dem Begriff «Neue Schweizer Volksmusik» zugeordnet werden kann. Ein Sampler mit 23 Live-Mitschnitten von der Stubete am See 2012. gh

Stubete am See
Ein Querschnitt durch das Festival 2012

 
Musiques Suisses 2012
www.musiques-suisses.ch
www.stubeteamsee.ch

Manege frei

Die «Alpentöne» kennt man, wenn man sie kennt: Ein buntes Nebeneinander von folkloristischen, klassischen, jazzigen Instrumentals, und Lieder, bei denen sich Klarinette, Querföte, Handorgel und Perkussionsutensilien die Hand reichen und ein «Ringel-Ringel-Reihe» tanzen. Mit den Stücken auf dieser CD wird der Melkstand mit etwas Fantasie zur Manege, der Melcher zum melancholischen Clown, der über das Melchgeschirr stolpert, die Kühe drehen federngeschmückt Runden, während der Senn mit den Zitzen jongliert. ln

Alpentöne:
Querschnitt durch das Festival ’13

 
Musiques Suisses
www.alpentoene.ch
www.musiques-suisses.ch

Heiteri Liedli und Stückli

Ein Tänzchen gefällig? Oder nur mit den Ohren zuckeln zur lüpfigen Musik? Schon viele Jahre sind sie unterwegs, der Multiinstrumentalist Dide Marfurt, die legendäre Jodlerin Christine Lauterburg, der schwyzerverörgelte Simon Dettwiler und der Tanzgeiger «Giigämaa» Matthias Lincke. Von ihren Wandermusikantenwegrändern haben sie ein Sammelsurium urchiger und heiterer Lieder und Tänze gebündelt – neue und alte Musiken aus dem Alpenraum. Spielfreudige Landstreicher in den Fussstapfen historischer Wandergeiger und Spielleute klopfen um Einlass in deine gute Stube. Gut, wenn der Boden glatt gebohnert ist, die Freunde nah und die Stühle an der Wand. Tanzt los mit Bein und Ohr. gh

Landstreichmusik:
Heiteri Schiibe

 
Matthias Lincke 2013
www.landstreichmusik.ch

Liedgut gewürzt mit Beatboxen

«Taar i nüd ä chli, taar i nüd ä Betzäli loschtig seh?» heisst es in einem traditionellen Appenzeller Lied, das auf dieser CD zu finden ist.

Sicher dürft Ihr – fühlt Euch bitte aber nicht dazu verpflichtet.

Viele der bearbeiteten Jodellieder wirken bemüht originell. Vorwitzige Texte werden mit prustenden Beatboxen unterlegt; live baut man auf die Ausstrahlung von Trachten und dynamische Choreografie.

Bei ruhigeren Liedern hört man, was in diesem Chor sonst noch steckt ausser Effekthascherei. Die jungen Stimmen der vier Frauen und fünf Männer passen bestens zusammen, das Repertoire – mit Liedgut in verschiedenen Sprachen – unterscheidet sich angenehm von schwülstigen Heimattümeleien vieler Jodelchöre.

Nur Mut; es braucht keine Faxen, damit man Euch gerne zuhört! (cs)

Hitziger Appenzeller Chor:
Ruggrooveli

 
Hitziger 2013
www.hitziger.ch

Weltmusik vom Handorgelsenner

«Die Zukunft Österreichs liegt in den Bergen», lässt Helmut Qualtinger im Intro verlauten. Der darauffolgende Inhalt seiner Rede ist für ungeübte Schweizerohren kaum verständlich. Dafür präsentieren sich die 12 Instrumentalstücke als klares Statement. Harfe, Handorgel, Cello und E-Gitarre verschmelzen zu tanzbaren, südamerikanisch angehauchten Rhythmen, zu bluesigen und sanften Melodien und nehmen einen mit auf eine musikalische Weltreise, bei der sich abwechslungsweise Herz und Beine rühren. (ln)

Herbert Pixner Projekt:
Quattro


Three Saints Records 2013
http://threesaintsrecords

Lauter Blumen in diversen Gärten

Nach dem Volksmusik-Sampler «Röseligarte» gehts jetzt höher hinauf zum Vrenelis Gärtli. Diesmal sind versammelt die Crème de la Crème der Neuen Schweizer Volksmusik: Klangcombi, Max Lässer, Helvetic Fiddlers, Töbin Tobler, Arkaday Shilkloper, Montferrine, Christian Zehnder, bArde, Marcel Oetiker, Ils Fränzlis da Tschlin, Hanneli-Musig, Noldi Alder, Albin Brun, Roberto & Dimitri, hornroh, Dou Räss-Gabriel, Geschwister Küng und Thierry Lang. Fast alle findet man auch sonst in unserer Musikauswahl. Das Pflanzen dieser Blumen in Ohren und Tanzbeine aus Vrenelis Garten ist für only fünf Franken zu haben. gh

Verenelis Gärtli

www.musiques-suisses.ch

Mix bis die Beine verwursteln

Pixner ist ein Tausendsassa auf seiner Handorgel. Zusammen mit seinen MitmuskerInnen Katrin Aschaber (Harfe), Werner Unterlechner (Kontrabass), Manuel Randi (Gitarre) mischt er Elemente aus Jazz, Blues, Volksmusik und Klassik in virtuosen Arrangements zu einem bunten Reigen lüpfiger und schwelgender Allerhandmusik. Manchnmal schunkelts, manchmal tanzbeinschwingts, manchmal akrobatets. Immer meliodiösets und das macht Freude. gh

Herbert Pixner Project:
Na und?

 
Aktiv Sound Studio 2012
www.herbert-pixner.com

Rosen mit Stacheln und ohne

Das Frischeste von Altem, was die Schweiz tönend zu bieten hat, ist auf «Röseligarte» versammelt. Hinter dem Begriff «Neue Schweizer Volksmusik» verbirgt sich keine Zusammenrottung schiefspielender Jazzer, sondern der Nidel de la Schlagrahm aktuell spielender VolksmusikantInnen: Hujässler, Alderbuebe, Oberwalliser Spillit, Duo Räss-Gabriel, Töbi Tobler, Swiss Ländler Gamblers und ein paar wichtige mehr. Es klingt vom Halszapfen-Jodel über horizontstreifender Trompete bis zur schunkelnden Dampfschiffahrt. Eingeweihte kennen sicher viele der Stücke, wer aber als InteressierteR von aussen ins Schaffen heutiger Volksmusik reinhören will, soll das hiermit tun. Die CD hat einen subventionierten Sonderpreis von fünf Franken und ist jeden Rappen wert. (gh)

Röseligarte
 
www.musiques-suisses.ch

Nichts heilig, aber manchmal eilig

Sulp verbraten alles an schweizerischer Volksmusik, was manchen heilig sein dürfte, mit dem Eifer der augenzwinkernden Geschmackslosigkeit und am liebsten auf dem Grillgestänge der glutenden Grossstadt. Irgendwas Verwursteltes wird da gebraten, etwas zwischen Klezmer, Blues, Kuhglockengeläut, Folklore-Schnulze und schottischem Hochmoor. Jazzig angehaucht und unbarmherzig frech. Da braucht es schon etwas Toleranz an der Lippe, wenn man mitpfeifen will. Und etwas Beharrvermögen, wenn man die Melodie halten will. Wem das gefällt: Lustig gluschtige Musik. gh

SULP:
urban tour

 
www.zytglogge.ch

Richtig fett Milch

Herbert Pixner wird als einer der kreativsten und innovativsten Harmonikaspielern im gesamten Alpenraum gehandelt. Das ist nicht nur hübsch Lob, sondern auch massiv Anforderung. «Bauern Tschäss» ist ausgefeilter als noch «Blus'n auf», verliert aber etwas von der früheren Unbekümmertheit. Die Wurzeln sind klar erkennbar: Blues, Walzer, Jazz, Volksmusik - Alles Heimatliche eben aus dem Passeier-Tal. Teils fäggt das Akkordeon zwischen den Pixner-Armen richtig los, der Bass (Werner Unterlechner) zupft den Stampfgroove, die Harfe (Katrin Aschaber) beschallt den Background. Es überrascht, wie gut sich Harfe und Harmonika ergänzen. Manche Kuh im Stall des Bauern wird sich noch etwas an den Tschäss gewöhnen müssen. Aber dann wird sie richtig fett Milch geben. gh

Herbert Pixner Projekt:
«bauern_tschäss»
{Power'n Jazz}

 
www.myspace.com/hpp

Schwyzerörgeli-Pioniere

Ausgehend von der Innerschweiz beginnt das Schwyzerörgeli anfangs des 20. Jahrhunderst die öffentlichen Tanzplätze zu erobern. Es brauchte allerdings Musikanten, die das neue Instrumente beherrschten und den Innerschweizer Tanzmusikstil mit Blasinstrumenten, Geige und Kontrabass auf das Schwyzerörgeli zu übertragen wussten. Einer davon war Josef Stump, der «Stumpä Sebäli», Bauernsohn, Älpler, Gelegenheitsarbeiter und eben Musikant. Mit seinem Freund Balz Schmidig, der «Enzener Balz», loteten sie das noch junge Schwyzerörgeli in all seinen Facetten und Möglichkeiten aus. Stump war ein Virtuose mit Ecken und Kanten und pflegte einen raschen, ruppigen Stil mit gewaltigem Zug und treibendem Rhythmus – Schmidig hingegen war eher der lyrische, runde, ausgewogene Spieler (gekürzt nach Dieter Ringli). Sie haben musikalisch-wertvolle Stücke hinterlassen, die sich auf der CD hören und mit den Noten nachspielen lassen.

Auf der CD spielen: Reto Grab, Daniel Gwerder, Armin Heinzer, Sepp Huber, Alois Lüönd, Daniel Schmidig und Seebi Schmidig, ergänzt durch wenige tolle Originalaufnahmen. Herausgeber sind das Haus der Volksmusik und der Mülirad-Verlag in Altdorf.

Josef Stump und Balz Schmidig
 
www.hausdervolksmusik.ch
www.muelirad.ch

Beetgetrampel

Warum mir die Pflanzplätzen immer wieder von neuem gefallen: Sie spielen einfach unbekümmert gut. Zwei Örgeli, ein Bass und Freunde oder Gitarren und Klaviere. Es macht einfach Spass. Musik vom heimischen Pflanzplätz und nördlichen Auslanden. Was einfach lupfig ist und unverkrampft. Keine bemühenden Anlehnungen an Jazz und Avantgarde und doch freche und humorvolle Arrangements quer durch die Beete bekannter Lieder und Tänze. Einfach gelungen der Versuch des Sohnes Aeschbacher sich des Vaters «Stüdubärg» anzunehmen, eines der traurigsten und wehmütigsten Stücke neben dem «Moosruef» von Hans-Jürg Sommer. Eben einfach gut und einfach schön und genau deswegen. gh

Pflanzplätz:
querbeet

 
www.pflanzplaetz.ch

Rollende

Zwei Schwyzerörgeli und ein Bass, ein Publikum das dankt und klatscht. Pflanzplätz live ist rollende Volksmusik durch viele Register und Stile, sodass keine Langeweile aufkommt. Stücke von Stevie Wonder und Maria Kalaniemi ergänzen jene von Josias Jenny und Balz Schmidig. Was bedeutet, dass Polkas, Mazurkas, Popsongas und Cha-Cha-Chas sich abwechseln wie die Euter am Aggregat. Alles ziemlich tanzbar und man wird gerne überrollt. gh

Pflanzplätz:
Live

www.pflanzplaetz.ch

Plusige

Pflanzplätz ist grooviger, swingender, leichter und komplexer geworden, die Spielfreude haben sich die Jungs erhalten. Von ganz ganz schönen Urchigen über freche Bluesmelodien und bis zum SiebenAchtelTakt, scharwenzelt der Musiktrieb durch einige Welten. Wer Thömu, Sime und Jüre heisst und Gäste Namens Dänu und Dävu hat, der spielt ehrliche, gute Volksmusik. Ausgangstipp: Auch Live kippt Pflanzplätz noch manchen Lahmen vom Hocker.

Pflanzplätz+
 
www.pflanzplaetz.ch

Lehrlingsparty

Gseläschtuck ist wohl ironisch gemeint. Die Gesellen von fürschi sind allesamt mit allen Noten und Nichtnoten gewaschen, haben Ausbildungen an Konservatorien und Jazzschulen hinter sich und auch schon ein paar graue Haare im Quartett. Dani Häusler, Klarinette, spielt und spielte bei Hujässler, Pareglish, Hanneli-Musig, Dani Häusler Komplott; Christoph Mächler, Kontrabass und Gesang, ebenfalls bei Hanneli-Musig; Sergej Simbirev, Akkordeon, machte sein Konzertdiplom in Moskau und Florian Mächler, Gitarre, bei FLOMA forte und McLears. So kommt die Musik von fürschi nicht ganz so frisch daher wie ab der Lehrlingsprüfung oder der Party danach. Das Beifall johlende Publikum fehlt, um den Musikanten das nötige Quäntchen Sprutz abzuverlangen. gh

fürschi:
Gseläschtuck

 
www.fuerschi.ch

All That Rees

Man erählt, er habe zweitausend Stücke im Kopf gehabt, der Rees. Das musste er, denn Noten konnte er nicht lesen. Das Konservatorium enthält vier CDs plus ein Büchlein oder vielmehr: Musikantenweisheiten, Interviews, Gespräche, Dialekt, Sprüche, Biografisches, Historisches, Authentisches und unveröffentliche Aufnahmen. Wer Örgeli spielt oder gerne hört, kommt an Rees Gwerder nicht vorbei. Sein Spiel ist voller Swing, seine Sprüche knochentrocken. Cyrill Schläpfer hat ihm mit dem Film UR-Musig ein Denkmal gesetzt, mit dem Konservatorium legt er noch einen Stein dazu. Trotzdem wird Rees weiter im Örgelihimmel die Beizen beschallen und an seiner Krummen ziehn. «Es isch wiis isch.» (gh)

Rees Gwerder:
Das Konservatorium

 
www.csr-records.ch

Echt schon kult geworden

Auf der CD kommen die vier Mannen Reto Kamer (Klavier), Dani Häusler (Klarinette), Markus Flückiger (Schwyzerörgeli, diat. Handorgel) und Sepp Huber (Bass) daher wie eine Rockgruppe. Innen drin , das wissen wir seit Groenemeyer, sind die Männer aber anders, und so kommt aus den Boxen, was von den Bildern kaum erwartet wird. Sattfeste Hudigäggeler und schlenkerwuchtige Polkas, verquirlt mit frech vermischter Ausländermusik und das immer perfekt im Rhythmus und Ton. Folklorepuristen werden die fremdgegangenen Passagen nicht freuen, mir waren diese ein Grund den Rest hören zu lernen. gh

Hujässler:
kulturchig

 
www.hujaessler.ch

Attwenger: Dog

Volksmusik Hardcore. Attwenger haben anfangs der 90iger Jahren mit Schlagzeug und Harmonika die wohl behütete und gut bewachte Volksmusik umgekrempelt. Wild schlagzeugschlagend, handorgelknetend und maulrappend waren die drei CDs «Luft», «Most» und «Song» Labsal für den österreichischen Punker mit einem Fünkchen Heimweh nach Volksmusik unterm Leder.

Die aktuelleren Attwenger sind weniger an der Volksmusik orientiert, weniger hard und mehr minimal music. Das Titelstück «Dog» ist alte Schule und grandios. (gh)

Attwenger:
Dog

 
www.attwenger.at

Schtimm & Schwyzerörgeli

Schuurig schön, truurig schön, einfach und doch raffiniert intelligent sind die Stücke auf der Platte von Nadja Räss und Markus Flückiger. Eine gute Stunde Tonmaterial entführt die HörerInnen mit einer betörenden Symbiose zwischen wehmütigen Jodelgesängen und vielschichtigen Orgelklängen in die Vergangenheit: Das Duo interpretiert Texte vom Einsiedler Schriftsteller und Dichter Meinrad Lienert, der von 1865 bis 1933 gelebt hat. Sagenhafte Geschichten mit Bildern vergangener Zeiten singt Räss im Dialekt und verleiht mit ihrer umfangreichen Stimme einer jeden ihre eigene Emotionalität. Manches Stück kommt in diesem Belang auch ganz ohne Worte aus, reine Örgelitöne oder Vokaljodeleien reissen spielerisch mit und berühren im Innersten. ln

Duo Flückiger-Räss:
Fiisigugg


Flückiger-Räss 2019
nadjaraess.ch
www.markusflueckiger.com

In der Juuzer Schule

Wenn man Muotataler juuzen hört, so denkt man, dass dieses Singen dem Menschen gleichsam angeboren ist. Aber ochä lätz, juuzen geht nicht einfach so. Nun hat der Juuzer Bernhard Betschart zwei «Lern-CDs» herausgegeben, damit ich diese Kunst zu Hause in der Stube lernen könne. Und so legte ich das «Mälch-Jüüzli» von der ersten CD in meinen Apparat, es schien mir ein biografisch guter Einstieg. Schliesslich bin ich der Enkel von Silvester Disch, der viele Jahre der Senn auf dem «Grüscher Älpli» im Prättigau war. Zuerst tönt das Jüüzli in drei Stimmen voller Inbrunst aus dem Lautsprecher. Dann singt Betschart Stimme um Stimme. Die zu lernende ist im Vordergrund, die melodieführende gedämpft im Hintergrund. Doch ich scheitere, denn so schön zerlegt steigt mein Respekt vor dieser Musik, und Betscharts so wohlklingende und über tausende Jüüuli erfahrene Glockenstimme gibt mir den Rest. Aber ich scheitere bereichert. Ich freue mich stumm an den fein unterschiedlichen Stimmungen, den vielfältigen Rhythmen und komme den Dissonanzen auf die Spur, wenn zwei Lagen aneinander kratzen. Und schön, wie Bernhards Glockenstimme leise oben ausschwingt und dank der Tontechnik die Basslinie tönt, wie wenn ein mongolischer Reiter seine Obertonmeditation sänge. Kurz – aus Bernhard Betscharts Lehrstunde wird ein mich überraschendes Hörvergnügen – eine CD, die ich oft hören werde. Köbi Gantenbein

Bernhard Betschart:
Juuzä wiä im Muotatal


Bernhard Betschart 2019
www.bernhardbetschart.com

An der Gurgel ziehen

Die Muotathaler sehen sich gerne als chnorzige, urtümliche und eigenwillige Cheiben, die Frauen mit eingerechnet. Wer sich deswegen nicht ins Thal traut, kann sich hier draussen einen Schluck ihrer schrägen und etwas gräderen Musik gönnen: «Schrägers & Gräders» vereint 10 Jüüzli der 5er-Formation «Naturjuuz» und 17 Stüggli des Schwyzerörgeli-Duos «Echo vom Schattenhalb». Erstere kratzen erdig den Rücken hinunter, Zweitere zuckeln an Herz und Waden. Die Jüüzli aus dem Moutatal schrauben sich dissonant in die Ohren – schön singen ist anders, aber nicht beabsichtigt. Vielleicht nicht ganz so schräg wie die Älpler im Film «Ur-Musig» von Ciryll Schläpfer, aber doch eigen, wild und ungeschliffen, juuzen sich die fünf Naturjuuzer durch überliefertes Jodelgut. So wie die Muotathaler zieht sonst niemand im Alpenland an der eigenen Gurgel. Auch das Schwyzerörgeli spielen die Muotathaler auf ihre Weise. Da taktet es schon mal frech daneben, riibiselet an der Intonation, und trotzdem oder gerade deswegen swingt der Groove. Das Duo Cornel Schelbert und Daniel Schmidig spielen virtuos alte Tänze auf, und so wie ihre Finger hüpfen, so hüpft und lüpft es auch uns. gh

Natur pur & Echo vom Schattenhalb :
Schrägers & Gräders us äm Muotatal


naturjuuz.ch 2017
www.naturjuuz.ch

Natur ist Stimme

Was verbindet Jodler aus der Deutschschweiz mit Sängern aus Europa, Afrika und Amerika? Das Singen mit Naturstimmen. Auf der gleichnamigen CD, aufgenommen am 5. Klangfestival der KlangWelt Toggenburg 2012 lassen verschiedene Künstler ihre Stimmen erschallen, mit und ohne instrumentale Begleitung. Die vielseitige Musik, mal traditionell, mal überraschend, oft beeindruckend und immer harmonisch, zieht einen in ihren Bann. Wohl auch, weil die Töne, auf dem Resonanzkörper Mensch erzeugt, der ureigenen menschlichen Natur entsprechen und in jedem von uns Saiten zum Klingen bringen. Hörenswert! aw

Naturstimmen Vol. ll
KlangWelt Toggenburg 2012
 
www.klangwelt.ch

Stimmen aus der Schatzkammer

In den 30er-Jahren reiste der Volksschullehrer Alfons Maissen mit Mikrofon und Aufnahmegerät in die rätoromanischen Dörfer Graubündens um traditionelle Lieder auf Band zu bannen. Maissens Bemühen scheinen sich gelohnt zu haben: Corin Curschellas kramt aus seinem Archiv die teils verstummten Trockenblumen und arrangiert sie zu frisch aufblühenden Sträussen. Die Lieder wurden übers Ohr tradiert und gemeinsam erspielt und ersungen; die CD nicht im cleanen Studio, sondern in den Räumen einer alten Villa aufgenommen.

Eingetopft wird A Capella in Rätoromanisch, umgarnt von Geige, Schwyzerörgeli, Gitarre, Bass und Trümpi aus dem Garten «Pflanzplätz» – pflücken muss die Blumen jeder selbst. gh

Corin Curschellas:
Origins

 
R-tunes 2013
www.corin.ch

Volksmusikalischer Spaziergang

Die Stubete hat sich zum illustren Treffen der Neuen Volksmusik etabliert. Zusammen mit Altdorf und Obwald ist nun auch Zürich mit dabei, alpenländische Volksmusik in die neue Zeit zu retten. Auf der CD: Die «Waldstätter-Fantasie» von Dani Häusler für das Ländlerorchester, Curdin Janetts «Giodim, ein rumantscher Liederabend», Nadja Räss mit Stimmreise, das neue Programm der Hanneli-Musig, die Wiederentdeckung und Erstaufführung der 123 Jahre alten Sagemattler Bauernkapelle aus Unterägeri durch das neu gegründete Ensemble aus Tonhalle-Musikern «D’Sagemattler», das neue Programm ALP von bArde und schliesslich die Premiere «Vo Schwyzer, Schwede, Wyn und Wyb» der Gruppe Tritonus. (gh)

Stubete am See
Ein Querschnitt durch das Festival 2010

 
Musiques Suisses 2011
www.musiques-suisses.ch
www.stubeteamsee.ch

Mit Löffel, Halszither, Häxeschyt und Hanottere

Die haben einfach den Plausch Schweizer Volksmusik zu spielen, ohne das ganze Gschleick von Patriotismus oder Folklore. Keine Bürde alter Vätersitte, kein pubertäres Aufmüpfen gegen zwangsverordnete Gesänge aus dem Schulliederbuch. Lust am Stöbern im alten Volksliedgut, am Zupfen vergessener Instrumente mit hübschen Namen wie Häxeschyt und Hanottere, Lust, die vergessenen Instrumente mit der globalisierten Stromgitarre zu mischen.

Lieder und Tänze hüpfen leicht durch alte und neue Saiten, umwoben von der hellen und klaren Stimme Iris Kellers. Eine Musik, die wie quirliges Bergquellwasser unsere heimatlichen Wurzeln nährt (um es mal so pathetisch auszudrücken, wie es Hiesix selber nicht tun würde).

Hiesix
 
www.hiesix.ch

Beschwörendes aus der guten alten Liederkiste

Zwar scheint der Begriff Vooodoo dem Cover der CD gerechter zu werden als dem Inhalt, dennoch nimmt uns das Album mit in den Urwald, nach Irland, Bernerland, Innerland. Doppelbock arrangieren traditionelle Naturjodel neu und greifen tief in die Schweizer Liedergutkiste. So hören wir vom Meiteli, das scho bim chiechlä träppelet, dem Schätzli, das bereits am Morgen hornt und giftigen Fischen, die die Enkelin ins Grab bringen. Es singen und johlen Christine Lauterburg und Barbara Berger, das Fundament mauert Doppelbock mit allerlei einheimischen und fremdländischen Perkussionsinstrumenten. Regelmässig sorgt ein Örgeli für schräge Zwischentöne und feine Melodien. Mal poppig, mal ist schunkeln angesagt, mal möchte man selber träppelen. Gut ist, wenn einem Dudelsack und Jodel lieb ist. fb

Doppelbock:
Voodoo-Jodel

 
www.doppelbock.ch

Sensenmann an der Aare

Für die Kürze des Lebens gibt es proportional zu viele Lieder im Gegensatz zur Ewigkeit des Todes, der viel weniger besungen wird. Die Musikanten um «eCHo», Dide Marfurt, Corin Curschellas, Christine Lauterburg, Walter Lietha und Freunde fächern eine ganze CD Todeslieder auf. Das ist unheimlich bis sehnsüchtig und oft lüpfig tanzbar. Das Leben wird im Angesicht des Todes eben erst lebenswert. Mit wunderschönem Booklet der Fotografin Tabea Hüberli als Geschenk nur für die liebsten Freunde.

Potz Tunner

«Doppelbock» um Dide Marfurt und «eCHo» mit Christine Lauterburg, Corin Curschellas und Walter Lietha gehören zu den lüpfigsten und arriviertesten VertreterInnen der Familien, die in alten Musikalben stöbern und mit dem Gefundenen neue, aktuelle Volksmusik spielen. Für vergnügliche Stunden querbeet von der Drehleier bis zur Stromgitarre, immer lupfig und stupfig. Es wird eine Zeit kommen, wo sich Rapper bei Obio bedienen werden: «Potz tuusig, potz tunner, was chunnt mer na z’Sii, ha gmäint i well wybe jez bin-i na z’chlii.»

P.S. Ein Doppelbock ist ein Bockbier, welches mit einem Stammwürzegehalt von über 18 % eingebraut wird. (Wickipedia)

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