Musik

Brun und Brunner: Innerland

Vergnügt und heiter

«Vergnügt, heiter» steht auf dem Notenblatt und ich mühe mich redlich. Aber damit es vergnügt wird und heiter tönt, braucht es das einsame Handwerk, das die Zuhörerinnen und Zuhörer bestenfalls ahnen: jahrelanges Üben vorher, tägliches Üben fortan. Meisterin und Meister der vergnügten Heiterkeit sind Albin Brun, ein altgedienter Musikant am Saxofon und am Eichhorn-Schwyzerörgeli, und Kristina Brunner, am Ott-Örgeli mit 18 Bässen und am Cello, eine Musikerinnengeneration jünger. Seit Jahren sind sie im Duo unterwegs, «Innerland» heisst ihre CD, weil er aus der Innerschweiz, sie aus dem Berner Oberland kommt. Der Wortwitz hat aber mit der Musik wenig zu tun, die zwei vermischen keine regionalen Traditionen, sondern fliegen mit ihren 13 Stückli durch die Klänge der Welt – poetisch, wohlklingend und wohltuend. Duett, dann ungewohnt Saxofon als Trommel und Cello als Gesang. Die CD verschwindet allmählich im Internet, das ist wohl der Lauf der Welt; damit verlieren wir aber, was in «Innerland» gut geraten ist: Das schöne Cover, hier hat es Thomas Küng mit einem geheimnisvollen Kunststück in brauner, grauer, weisser Farbe gestaltet. Köbi Gantenbein

Albin Brun & Kristina Brunner
Innerland

www.albinbrun.ch

Prättigauer Power: Hengert

Lob der Musikschule

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben 23. September 2012 mit fast drei Viertel Ja-Stimmen dem «Bundesbeschluss über die Musikförderung» zugestimmt. Der Bassgeiger Philip Joos und die Örgelispieler Lukas Joos, Laurin Aebli und Andri Jost aus dem Prättigau lagen noch in den Windeln, als wir Alten eine über Jahre aufgebaute Errungenschaft gesetzlich befestigt haben: Musik gehört zur Bildung wie Rechnen und Lesen. Was diese Erfolgsgeschichte bewirkt, zeigen die vier Buben mit ihrer Kapelle «Prättigauer Power» auf ihrer CD «Hengert». Auf den 18 Stückli führen sie vor, dass sie als Buben bald so gut und virtuos sind, wie es ihre Vorbilder Kilian Schnydrig, Res ­Schmid oder Rees Gwerder erst im gesetzten Alter waren. Die vier Buben haben, kaum auf den Beinen, mit Musik und Musikunterricht begonnen. Sie turnen und johlen nun als Coverband durch die Tradition der Ländlermusik, wagen sich gar an eigene Komposi­tionen, so die halsbrecherische Polka «Kei ­Ahnig». Doch, doch, doch, die vier Buben haben schon allerhand Ahnig. Köbi Gantenbein

Prättigauer Power
Hengert

Qultur Records, Grüsch

Zugluft Etual

Zugluft mit Tomaten

«Etual» heisst eine Tomate aus Kasachstan. Wohl haben Andrea Kirchhofer, Geige, und Bruno Strüby, Bassklarinette, vom Duo Zugluft in die blassroten, süssen Mocken gebissen, ihre neue CD heisst wie die Tomate. Wie das kasachische Gemüse den Gaumen, so fordern sie mit ungewohnten Klängen die Ohren heraus. Der eine beginnt mit dem Rhythmus, die andere legt die Melodie darüber, sie wechseln die Aufgaben ab, dann legen sie sie zusammen, werden eine stampfende Taktmaschine, lösen sich und tirilieren und brummen, zwitschern und krächzen durcheinander. 12 Stückli bietet «Etual». Von Klezmer, der Musik der schon lange vernichteten jüdischen Kultur in Osteuropa, über Galopp und Mazurka, wie sie die Appenzeller Musikantinnen so schön können, hin zu Toncollagen im «alten Sägewerk». Hier ächzt, brummt und quietscht es. Tanzen kann man schwer dazu und Zeitung lesen nicht – zuhören aber und sich freuen, wie Zugluft Durchzug macht im Kopf mit all seinen abgelagerten Klängen. Köbi Gantenbein

Zugluft
Etual

www.zugluft.net

Qreuz und kwer

Ein Cello, zwei Schwyzerörgeli, ein Sopransax, ein Waterphone, der Albin und die Kristina. Alles Eigenkompositionen. Albin Brun hat dem Schwyzerörgeli die Melancholie beigebracht, da passt Kristinas Cello dazu. Die Instrumente werden qreuz und kwer eingesetzt und die Stückli laden ein, von Gipfel zu Gipfel zu hüpfen, ein Ringeltänzli zu drehen, am See entlang zu schlendern, einem Bussard nachzuschauen, einen tiefsinnigen Gedanken zu spinnen. Heimelige Melodien ohne Heimattümelei, Schweiz ohne Bratwurst und Zeltplanegestank. Doch manchmal sind die komplexen Melodien und Rhythmen Bruns so perfekt gespielt, dass die doch leichtfüssige Musik etwas akademisch klingt. Wir raten daher, Konzerte zu besuchen. gh

MIDNANG
Albin Brun & Kristina Brunner


Eigenvertrieb 2020
www.albinbrun.ch
www.evelyn-kristina-brunner.ch

Kinderfreude

Wer kennt nicht die Fränzlis da Tschlin? Wie sie hüpfen, springen, tirilieren, fabulieren und spielen, als gäbe es keine Grenzen, seit über dreissig Jahren. Und nun dies: Sie singen. Die Fränzlifrauen wie die Nachtigallen, die Fränzli-Väter und der Fränzli-Onkel als Heldenbariton und Matadorenbass. Und mit ihnen Corin Curschellas. 55 «Chanzuns rumantschas per uffants» haben sie zusammengestellt zu einem reichen Spiegel der Volksmusik aus Romanisch Graubünden. «Dai & Hop!» heisst die CD. Neben der Musik fasziniert mich die Ideologie dieser Suite der Kinderkunst. Das behütete Kind wurde vom städtischen Bürgertum im 19. Jahrhundert erfunden. Erst die revidierte Bundesverfassung von 1874 hat Kinderarbeit eingeschränkt. In den Alpen galt sie noch fünfzig Jahre später als normal. Das Kind als Musik- und Kunstprojekt ist eine neumodische Erfindung. «Chanzuns rumantschas per uffants» sind für mich so auch ein Trost. Neben den harten Lebensbedingungen der Kinder in der Generation noch unserer Eltern, neben den Verdingkindern und den Kindern der Landstrasse, neben den auf den Alpen als Knechtli und Batzger ausgebeuteten Buben soll es auch die singenden Kinder gegeben haben, und gab es sie nicht, so stelle ich mir vor, es hätte sie gegeben. Köbi Gantenbein

1, 2, 3! Dai & Hop!
Corin Curschellas und Ils Fränzlis da Tschlin


R-Tunes 2020
www.fraenzlis.ch
www.corin.ch

Auf dem Markt

Ob quer oder Schnitt oder Querschnitt – alles passt zu dem Sampler vom Alpentöne-Festival 2019. Ein Schnitt mit der Machete durch den bunten Musikstrauss von über 50 Konzerten, ein Klangbouquet von aufrecht bis quer. Die Alptöne-Konzerte sind so etwas wie ein Flanieren über den Markt aktueller Alpin- und Neuer Volksmusik, man trifft alte Bekannte sowie unabsichtlich Ignorierte aus der Szene. Längst nicht alles alphornet von Schweizer Felswänden, ebenso geraten skandinavische, italienische und iranische Tonstücke ins Fondue. Auch wenn nicht alles gefällt, interessant ists allemal. gh

Alpentöne
Ein Querschnitt durch das Festival ’19


Alpentöne 2019
www.alpentöne.ch

3 x Pixner Projekt

Auf unserem Roadtrip durch die Rocky Mountains lassen mein Freund und ich uns das Album «Summer» vom Herbert Pixner Projekt in voller Lautstärke um die Ohren tschätteren und staunen über die unerschöpfliche Vielfalt der Stilrichtungen, die weniger aufeinanderprallen, als sich zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. «Kannst du mal etwas leiser stellen?» «Häh? Verdammt gueti Musig, wart, ich stell mal etwas lauter.» «Ja es fägt, aber bald bricht das Akkordeon auseinander und die Rocky Mountains wackeln schon.» «Gell geil, wie der Pixner an der Handorgel zerrt und die Heidi an der Harfe zupft. Play it loud!» «Hörst du mir überhaupt zu?» «Was sagst du? Bis mal still, ich will jetzt Musig lose! Jetzt wirds total lüpfig, gspürsch’s i dä Zechä?»

Das Herbert Pixner Projekt macht nicht nur gute Laune und warme Füsse in den Rocky Mountains, es hilft auch bei durchgeweichten Schuhen und durchwachten Nächten auf der Alp. Einzigartig hörenswürdig und im Dreierpack erhältlich. ln

Herbert Pixner Project:
Summer und Live on Tour

Special 2 Disc Edition

Three Saints Records 2016/2017
www.herbert-pixner.com

Heimkommen

«Volksmusik!» klingt ein bisschen nach Back to the Roots, vom Titel wie auch von der Musik her. Flinke Finger sind wie immer beim Herbert Pixner Projekt garantiert, aber insgesamt tritt die Virtuosität zugunsten der Musikalität einen Schritt zurück. Auch Seitensprünge in die Sparten Jazz und Blues, wie sie Pixner noch auf den CDs «bauern_tschäss» und «Blus’n auf!» zelebriert hat, werden unterlassen. Es ist wie heimkommen: Traditionelle Musikstückli, schlicht, sensibel, feinsinnig gespielt. Die CD erscheint in einer genial handgemachten Hülle aus Ahornholz in einer limitierten Auflage von 3000 Stück, riecht gut, tönt gut. Wer eine hat, ist stolz und muss sie allen Freunden zeigen. gh

Herbert Pixner Projekt:
Volksmusik!

 
Three Saints Records 2016
www.herbert-pixner.com

Jung & Frisch

Jung und frisch, wer wollte das nicht sein, nicht haben, nicht hören. Die drei Frauen Katharina, Anna und Maria (im Alter zwischen 23 und 25 Jahren) graben sich auf der Steirischen Harmonika, Geige, Harfe und mit Gesang durch die traditionelle Tiroler Volksmusik. Alts und Nöis, fern von oberkrainerischer Verhunzung, sauber gespielt, das Herz und die Gemütlichkeit mit dabei. Ewig werden die Musikantinnen nicht jung bleiben, aber wenn die Frische bleibt … gh

Jung & Frisch:
Dia brauch mar nö


Three Saints Records 2015
www.jungundfrisch.at

Ab die Post!

Schwyzerörgelimusig, die sägt und wuchert, die poltert und fägt. Mal urchig traditionell, mal widertäktig schräg und allzeit intelligent. Da mag sich manches ländlergewohnte Tanzbein in den kuriosen Rhythmen verheddern, aber mit dieser Musik macht sogar Straucheln Freude. Marcel Oetiker, der Multiquetschakrobat am Schwyzerörgeli, mit Robin Mark, Tausendheirassa am Schwyzerörgeli, sowie Pirmin Huber, Groovekatalysator am Kontrabass, spielen Eigenständiges und Kopiertes bekannter Volksmusikkomponisten wie Josias Jenny, Josef Stump und Kasi Geisser. Wer da noch hocken bleibt, dem wackeln zumindest die Arschbacken. gh

Kapelle Purzelbaum:
Heimlifeiss


Phonoplay 2013, PCD 7901
www.purzelbaum.org

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