Musik

Schwyzerörgeli-Pioniere

Ausgehend von der Innerschweiz beginnt das Schwyzerörgeli anfangs des 20. Jahrhunderst die öffentlichen Tanzplätze zu erobern. Es brauchte allerdings Musikanten, die das neue Instrumente beherrschten und den Innerschweizer Tanzmusikstil mit Blasinstrumenten, Geige und Kontrabass auf das Schwyzerörgeli zu übertragen wussten. Einer davon war Josef Stump, der «Stumpä Sebäli», Bauernsohn, Älpler, Gelegenheitsarbeiter und eben Musikant. Mit seinem Freund Balz Schmidig, der «Enzener Balz», loteten sie das noch junge Schwyzerörgeli in all seinen Facetten und Möglichkeiten aus. Stump war ein Virtuose mit Ecken und Kanten und pflegte einen raschen, ruppigen Stil mit gewaltigem Zug und treibendem Rhythmus – Schmidig hingegen war eher der lyrische, runde, ausgewogene Spieler (gekürzt nach Dieter Ringli). Sie haben musikalisch-wertvolle Stücke hinterlassen, die sich auf der CD hören und mit den Noten nachspielen lassen.

Auf der CD spielen: Reto Grab, Daniel Gwerder, Armin Heinzer, Sepp Huber, Alois Lüönd, Daniel Schmidig und Seebi Schmidig, ergänzt durch wenige tolle Originalaufnahmen. Herausgeber sind das Haus der Volksmusik und der Mülirad-Verlag in Altdorf.

Josef Stump und Balz Schmidig
 
www.hausdervolksmusik.ch
www.muelirad.ch

All That Rees

Man erählt, er habe zweitausend Stücke im Kopf gehabt, der Rees. Das musste er, denn Noten konnte er nicht lesen. Das Konservatorium enthält vier CDs plus ein Büchlein oder vielmehr: Musikantenweisheiten, Interviews, Gespräche, Dialekt, Sprüche, Biografisches, Historisches, Authentisches und unveröffentliche Aufnahmen. Wer Örgeli spielt oder gerne hört, kommt an Rees Gwerder nicht vorbei. Sein Spiel ist voller Swing, seine Sprüche knochentrocken. Cyrill Schläpfer hat ihm mit dem Film UR-Musig ein Denkmal gesetzt, mit dem Konservatorium legt er noch einen Stein dazu. Trotzdem wird Rees weiter im Örgelihimmel die Beizen beschallen und an seiner Krummen ziehn. «Es isch wiis isch.» (gh)

Rees Gwerder:
Das Konservatorium

 
www.csr-records.ch

Schtimm & Schwyzerörgeli

Schuurig schön, truurig schön, einfach und doch raffiniert intelligent sind die Stücke auf der Platte von Nadja Räss und Markus Flückiger. Eine gute Stunde Tonmaterial entführt die HörerInnen mit einer betörenden Symbiose zwischen wehmütigen Jodelgesängen und vielschichtigen Orgelklängen in die Vergangenheit: Das Duo interpretiert Texte vom Einsiedler Schriftsteller und Dichter Meinrad Lienert, der von 1865 bis 1933 gelebt hat. Sagenhafte Geschichten mit Bildern vergangener Zeiten singt Räss im Dialekt und verleiht mit ihrer umfangreichen Stimme einer jeden ihre eigene Emotionalität. Manches Stück kommt in diesem Belang auch ganz ohne Worte aus, reine Örgelitöne oder Vokaljodeleien reissen spielerisch mit und berühren im Innersten. ln

Duo Flückiger-Räss:
Fiisigugg


Flückiger-Räss 2019
nadjaraess.ch
www.markusflueckiger.com

In der Juuzer Schule

Wenn man Muotataler juuzen hört, so denkt man, dass dieses Singen dem Menschen gleichsam angeboren ist. Aber ochä lätz, juuzen geht nicht einfach so. Nun hat der Juuzer Bernhard Betschart zwei «Lern-CDs» herausgegeben, damit ich diese Kunst zu Hause in der Stube lernen könne. Und so legte ich das «Mälch-Jüüzli» von der ersten CD in meinen Apparat, es schien mir ein biografisch guter Einstieg. Schliesslich bin ich der Enkel von Silvester Disch, der viele Jahre der Senn auf dem «Grüscher Älpli» im Prättigau war. Zuerst tönt das Jüüzli in drei Stimmen voller Inbrunst aus dem Lautsprecher. Dann singt Betschart Stimme um Stimme. Die zu lernende ist im Vordergrund, die melodieführende gedämpft im Hintergrund. Doch ich scheitere, denn so schön zerlegt steigt mein Respekt vor dieser Musik, und Betscharts so wohlklingende und über tausende Jüüuli erfahrene Glockenstimme gibt mir den Rest. Aber ich scheitere bereichert. Ich freue mich stumm an den fein unterschiedlichen Stimmungen, den vielfältigen Rhythmen und komme den Dissonanzen auf die Spur, wenn zwei Lagen aneinander kratzen. Und schön, wie Bernhards Glockenstimme leise oben ausschwingt und dank der Tontechnik die Basslinie tönt, wie wenn ein mongolischer Reiter seine Obertonmeditation sänge. Kurz – aus Bernhard Betscharts Lehrstunde wird ein mich überraschendes Hörvergnügen – eine CD, die ich oft hören werde. Köbi Gantenbein

Bernhard Betschart:
Juuzä wiä im Muotatal


Bernhard Betschart 2019
www.bernhardbetschart.com

An der Gurgel ziehen

Die Muotathaler sehen sich gerne als chnorzige, urtümliche und eigenwillige Cheiben, die Frauen mit eingerechnet. Wer sich deswegen nicht ins Thal traut, kann sich hier draussen einen Schluck ihrer schrägen und etwas gräderen Musik gönnen: «Schrägers & Gräders» vereint 10 Jüüzli der 5er-Formation «Naturjuuz» und 17 Stüggli des Schwyzerörgeli-Duos «Echo vom Schattenhalb». Erstere kratzen erdig den Rücken hinunter, Zweitere zuckeln an Herz und Waden. Die Jüüzli aus dem Moutatal schrauben sich dissonant in die Ohren – schön singen ist anders, aber nicht beabsichtigt. Vielleicht nicht ganz so schräg wie die Älpler im Film «Ur-Musig» von Ciryll Schläpfer, aber doch eigen, wild und ungeschliffen, juuzen sich die fünf Naturjuuzer durch überliefertes Jodelgut. So wie die Muotathaler zieht sonst niemand im Alpenland an der eigenen Gurgel. Auch das Schwyzerörgeli spielen die Muotathaler auf ihre Weise. Da taktet es schon mal frech daneben, riibiselet an der Intonation, und trotzdem oder gerade deswegen swingt der Groove. Das Duo Cornel Schelbert und Daniel Schmidig spielen virtuos alte Tänze auf, und so wie ihre Finger hüpfen, so hüpft und lüpft es auch uns. gh

Natur pur & Echo vom Schattenhalb :
Schrägers & Gräders us äm Muotatal


naturjuuz.ch 2017
www.naturjuuz.ch

Natur ist Stimme

Was verbindet Jodler aus der Deutschschweiz mit Sängern aus Europa, Afrika und Amerika? Das Singen mit Naturstimmen. Auf der gleichnamigen CD, aufgenommen am 5. Klangfestival der KlangWelt Toggenburg 2012 lassen verschiedene Künstler ihre Stimmen erschallen, mit und ohne instrumentale Begleitung. Die vielseitige Musik, mal traditionell, mal überraschend, oft beeindruckend und immer harmonisch, zieht einen in ihren Bann. Wohl auch, weil die Töne, auf dem Resonanzkörper Mensch erzeugt, der ureigenen menschlichen Natur entsprechen und in jedem von uns Saiten zum Klingen bringen. Hörenswert! aw

Naturstimmen Vol. ll
KlangWelt Toggenburg 2012
 
www.klangwelt.ch

Stimmen aus der Schatzkammer

In den 30er-Jahren reiste der Volksschullehrer Alfons Maissen mit Mikrofon und Aufnahmegerät in die rätoromanischen Dörfer Graubündens um traditionelle Lieder auf Band zu bannen. Maissens Bemühen scheinen sich gelohnt zu haben: Corin Curschellas kramt aus seinem Archiv die teils verstummten Trockenblumen und arrangiert sie zu frisch aufblühenden Sträussen. Die Lieder wurden übers Ohr tradiert und gemeinsam erspielt und ersungen; die CD nicht im cleanen Studio, sondern in den Räumen einer alten Villa aufgenommen.

Eingetopft wird A Capella in Rätoromanisch, umgarnt von Geige, Schwyzerörgeli, Gitarre, Bass und Trümpi aus dem Garten «Pflanzplätz» – pflücken muss die Blumen jeder selbst. gh

Corin Curschellas:
Origins

 
R-tunes 2013
www.corin.ch

Volksmusikalischer Spaziergang

Die Stubete hat sich zum illustren Treffen der Neuen Volksmusik etabliert. Zusammen mit Altdorf und Obwald ist nun auch Zürich mit dabei, alpenländische Volksmusik in die neue Zeit zu retten. Auf der CD: Die «Waldstätter-Fantasie» von Dani Häusler für das Ländlerorchester, Curdin Janetts «Giodim, ein rumantscher Liederabend», Nadja Räss mit Stimmreise, das neue Programm der Hanneli-Musig, die Wiederentdeckung und Erstaufführung der 123 Jahre alten Sagemattler Bauernkapelle aus Unterägeri durch das neu gegründete Ensemble aus Tonhalle-Musikern «D’Sagemattler», das neue Programm ALP von bArde und schliesslich die Premiere «Vo Schwyzer, Schwede, Wyn und Wyb» der Gruppe Tritonus. (gh)

Stubete am See
Ein Querschnitt durch das Festival 2010

 
Musiques Suisses 2011
www.musiques-suisses.ch
www.stubeteamsee.ch

Von alter Musik

Wer bei Schweizer Volksmusik an Hudigäggeler denkt und sofort die Ohren verwirft, sollte eine kleine Reise mit Tritonus unternehmen. Die wird sich nicht an Landesgrenzen orientieren, sondern entlang Zeitsträngen bis vor 1800. Der musikalisch Reisende wird verwundert an lauschigen Plätzen inne halten, sich fragen, wie denn aus diesen leichten und doch erdigen Vorlagen der Bierbratwurstzeltgäggler entstanden ist. Tritonus tönt auf ihrer zweiten CD dank dem Saxofon von Reto Suhner auch mal neuzeitlicher. Das schmeichelt den weggeworfenen Ohren.

Tritonus:
Alpan

 
www.tritonus.ch

Entstaubt

Feg weg den Staub. Seit 2002 hat die Schweiz eine 10000 Stücke umfassende Volksmusik-Enzyklopädie. Der Baslerin Hanny Christen (1899-1976) ist es zu verdanken, dass viele Stücke aus dem 19. Jht vor dem Vergessen bewahrt wurden. Die HujGroup, fünf Musiker aus drei Formationen und vier Gastmusiker haben sich an das kulturelle Erbe gewagt. So wurde der verstaubten Melodien-Sammlung wieder Leben eingehaucht. Die hervorragenden Musiker setzen das ganze so gekonnt um, dass es einem im Tanzbein zwickt.

HujGroup:
Nöis Alts

 
www.musiques-suisses.ch

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