Musik

An der Gurgel ziehen

Die Muotathaler sehen sich gerne als chnorzige, urtümliche und eigenwillige Cheiben, die Frauen mit eingerechnet. Wer sich deswegen nicht ins Thal traut, kann sich hier draussen einen Schluck ihrer schrägen und etwas gräderen Musik gönnen: «Schrägers & Gräders» vereint 10 Jüüzli der 5er-Formation «Naturjuuz» und 17 Stüggli des Schwyzerörgeli-Duos «Echo vom Schattenhalb». Erstere kratzen erdig den Rücken hinunter, Zweitere zuckeln an Herz und Waden. Die Jüüzli aus dem Moutatal schrauben sich dissonant in die Ohren – schön singen ist anders, aber nicht beabsichtigt. Vielleicht nicht ganz so schräg wie die Älpler im Film «Ur-Musig» von Ciryll Schläpfer, aber doch eigen, wild und ungeschliffen, juuzen sich die fünf Naturjuuzer durch überliefertes Jodelgut. So wie die Muotathaler zieht sonst niemand im Alpenland an der eigenen Gurgel. Auch das Schwyzerörgeli spielen die Muotathaler auf ihre Weise. Da taktet es schon mal frech daneben, riibiselet an der Intonation, und trotzdem oder gerade deswegen swingt der Groove. Das Duo Cornel Schelbert und Daniel Schmidig spielen virtuos alte Tänze auf, und so wie ihre Finger hüpfen, so hüpft und lüpft es auch uns. gh

Natur pur & Echo vom Schattenhalb :
Schrägers & Gräders us äm Muotatal


naturjuuz.ch 2017
www.naturjuuz.ch

Natur ist Stimme

Was verbindet Jodler aus der Deutschschweiz mit Sängern aus Europa, Afrika und Amerika? Das Singen mit Naturstimmen. Auf der gleichnamigen CD, aufgenommen am 5. Klangfestival der KlangWelt Toggenburg 2012 lassen verschiedene Künstler ihre Stimmen erschallen, mit und ohne instrumentale Begleitung. Die vielseitige Musik, mal traditionell, mal überraschend, oft beeindruckend und immer harmonisch, zieht einen in ihren Bann. Wohl auch, weil die Töne, auf dem Resonanzkörper Mensch erzeugt, der ureigenen menschlichen Natur entsprechen und in jedem von uns Saiten zum Klingen bringen. Hörenswert! aw

Naturstimmen Vol. ll
KlangWelt Toggenburg 2012
 
www.klangwelt.ch

Stimmen aus der Schatzkammer

In den 30er-Jahren reiste der Volksschullehrer Alfons Maissen mit Mikrofon und Aufnahmegerät in die rätoromanischen Dörfer Graubündens um traditionelle Lieder auf Band zu bannen. Maissens Bemühen scheinen sich gelohnt zu haben: Corin Curschellas kramt aus seinem Archiv die teils verstummten Trockenblumen und arrangiert sie zu frisch aufblühenden Sträussen. Die Lieder wurden übers Ohr tradiert und gemeinsam erspielt und ersungen; die CD nicht im cleanen Studio, sondern in den Räumen einer alten Villa aufgenommen.

Eingetopft wird A Capella in Rätoromanisch, umgarnt von Geige, Schwyzerörgeli, Gitarre, Bass und Trümpi aus dem Garten «Pflanzplätz» – pflücken muss die Blumen jeder selbst. gh

Corin Curschellas:
Origins

 
R-tunes 2013
www.corin.ch

Volksmusikalischer Spaziergang

Die Stubete hat sich zum illustren Treffen der Neuen Volksmusik etabliert. Zusammen mit Altdorf und Obwald ist nun auch Zürich mit dabei, alpenländische Volksmusik in die neue Zeit zu retten. Auf der CD: Die «Waldstätter-Fantasie» von Dani Häusler für das Ländlerorchester, Curdin Janetts «Giodim, ein rumantscher Liederabend», Nadja Räss mit Stimmreise, das neue Programm der Hanneli-Musig, die Wiederentdeckung und Erstaufführung der 123 Jahre alten Sagemattler Bauernkapelle aus Unterägeri durch das neu gegründete Ensemble aus Tonhalle-Musikern «D’Sagemattler», das neue Programm ALP von bArde und schliesslich die Premiere «Vo Schwyzer, Schwede, Wyn und Wyb» der Gruppe Tritonus. (gh)

Stubete am See
Ein Querschnitt durch das Festival 2010

 
Musiques Suisses 2011
www.musiques-suisses.ch
www.stubeteamsee.ch

Von alter Musik

Wer bei Schweizer Volksmusik an Hudigäggeler denkt und sofort die Ohren verwirft, sollte eine kleine Reise mit Tritonus unternehmen. Die wird sich nicht an Landesgrenzen orientieren, sondern entlang Zeitsträngen bis vor 1800. Der musikalisch Reisende wird verwundert an lauschigen Plätzen inne halten, sich fragen, wie denn aus diesen leichten und doch erdigen Vorlagen der Bierbratwurstzeltgäggler entstanden ist. Tritonus tönt auf ihrer zweiten CD dank dem Saxofon von Reto Suhner auch mal neuzeitlicher. Das schmeichelt den weggeworfenen Ohren.

Tritonus:
Alpan

 
www.tritonus.ch

Entstaubt

Feg weg den Staub. Seit 2002 hat die Schweiz eine 10000 Stücke umfassende Volksmusik-Enzyklopädie. Der Baslerin Hanny Christen (1899-1976) ist es zu verdanken, dass viele Stücke aus dem 19. Jht vor dem Vergessen bewahrt wurden. Die HujGroup, fünf Musiker aus drei Formationen und vier Gastmusiker haben sich an das kulturelle Erbe gewagt. So wurde der verstaubten Melodien-Sammlung wieder Leben eingehaucht. Die hervorragenden Musiker setzen das ganze so gekonnt um, dass es einem im Tanzbein zwickt.

HujGroup:
Nöis Alts

 
www.musiques-suisses.ch

Alte Schinken neu geschnitten.

Altes Liedgut neu aufgemacht ist im Trend. So auch bei eCHo, einer hochkarätigedelsteinigen und losen Formation um Dide Marfurt und Thomi Erb, manchen als Doppelbock bekannt. Am Gesang Corin Curschellas, Christine Lauterburg und Walter Lietha, da kann für Heimatbegeisterte (und Gestriggebliebene wie mich) fast nichts mehr schief gehen. Es wird mit Lust gespielt, aber am schönsten sind die wehmütigen Lieder, deren Text mehr hergibt, als man damals beim schulmeisterlichen Gesangsunterricht meinte.

Kult Ur

Zum Film die Musik mit Rees Gwerder, Mosibuebä, Buofle-Wisi, Jakob Alder, Jakob Düsel, Sity-Domini u.a. Der Kult-Film über lauterzeugende Inner- und Ostschweizer, die gegen die Ruhe auf den Alpen und später gegen die Melkmaschine anzusingen versuchen. Die Löckler und Juchzer, aber auch die instrumentale Musik zeigen unverbrauchte Volksmusik, wie sie bei Sepp Trütsch oder Wisel Gyr selig nicht mehr vorkommen. Ob dies wirklich der Blues der Schweiz ist, mag ich bezweifeln, dafür kommt eine Eigenständigkeit zum Ausdruck, die rauh um die Ohren streicht. Dass diese Musik das Volk allzuoft in einer Engstirnigkeit versammelt, die sie nicht nötig hätte, ist schade.

Cyrill Schläpfer:
Ur-Musig

 
www.swisskulthits.ch

Singende Berggeistin

Wenn fremde Ohren mithören, kommt immer irgendwann die Frage: Welche Sprache wird denn da gesungen? Woher kommt das? Georgien? Texas? Israel? Alles gemischt? Wenn beim zweiten Tune die Stimme von Bettina Klöti plötzlich den Raum füllt, intelligent begleitet von fein arrangierten Instrumenten, staunt man weiter. Die Stimme ist frech, stark, manchmal überwältigend und erschaudernd. Lässt man sich von der Musik tragen, begibt man sich auf eine Reise durch bekannte und noch zu erfahrende Gefühle.

Bettina Klöti und Vera Kappeler interpretieren, verändern, mischen, spielen traditionelle Schweizer Liedmusik, eigene Kompositionen ergänzen den Bergerausch. Schweizer Volksmusik, schmackhaft, ergreifend und immer wieder überraschend tänzerisch – die Stimme einer Berggeistin, begleitet von Klavier, Harmonium, Toy-Piano, Banjo, Yamaha-Örgeli und Reisealphorn. mw

Bergerausch:
Nie ghört – Lieder aus der Schweiz


Narrenschiff 2018
www.narrenschiff.ch

Hörnern

Wann eigentlich hört man Alphornmusik ab CD aus Boxen oder Kopfhörer? Alphörner gehören doch nach draussen in die Landschaft, ins Gebirge. Oder wenn schon drinnen, dann in weiträumige Hallen, Kirchen, Katakomben. Die Antwort ist kürzer als das Horn: Wenn keiner bläst. Aber wenn schon Alphorn ab CD, dann laut, mit teurem Kopfhörer oder bester Musikanlage, so laut, dass das Horn beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus und umgekehrt durch den Kopf schallt. Das Quartett Alphorn Experience hat Schmetterboxen verdient. Drei Jahre schon hörnern die vier Mannen von Matten und Bühnen, entstauben respektvoll traditionelle Stückli, funken verteufelt virtuos mit jazzigen Tönen, wagen sich mit dem Alperidoo unerschrocken an neue Spieltechniken. Okay, Ähnliches machen andere Musiker auch, das Ausloten von Volksmusik und ihren Instrumenten zwecks Erweiterung der Hörgewohnheiten beim Eintritt in den Schallraum von Tradition und Moderne ist beliebt geworden. Trotzdem ist es schön. gh

Alphorn Experience:
Mikado


Alphorn Experience, Köniz 2016
www.alphornexperience.ch

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