Unklar, unklarer, nebulös: Stellenmeldepflicht in der Alpwirtschaft

Der Alpmeister, der auf zalp.ch oder in der Zeitung nach Alppersonal sucht, begibt sich schnell in die Illegalität. NIcht gewusst? Wir auch nicht.

Vorbei die Zeiten, wo man ungeschoren das Alppersonal dingt. Der Alpmeister, der ein Inserat auf der Stellenbörse von zalp.ch oder in einer Zeitschrift macht, begibt sich schnell in die Illegalität. Nicht gewusst? Wir auch nicht. Die zalp auf der Suche nach verlässlichen Antworten im Behördendschungel.

Die Suchenden: Barbara Sulzer und Giorgio Hösli

Seit dem 1. Januar 2020 fallen alle landwirtschaftlichen Hilfskräfte (für Obst, Gemüse, Tierhaltung etc.) unter die sogenannte Stellenmeldepflicht. Das bedeutet: Sucht ein Bauer einen Knecht oder eine Magd, muss er dies zuerst dem RAV (Regionales Arbeitsvermittlungszentrum) melden, bevor er ein öffentliches Inserat publizieren darf. Die im Juli 2018 eingeführte Stellenmeldepflicht ist eine Massnahme der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (Volksabstimmung von 2014) und bezweckt die Bevorzugung inländischer Arbeitskräfte (gesetzliche Grundlagen: AIG Art. 21a, AVV Art. 53a–53e).
Die Stellenmeldepflicht betrifft alle Berufsarten, welche eine bestimmte Arbeitslosenquote überschreiten. Auf Januar 2020 wurde diese Grenze von 7 % auf 5 % Arbeitslosigkeit hinuntergesetzt, sodass nun alle landwirtschaftlichen Hilfskräfte darunterfallen.

So weit, so klar. Aber gehören Älplerinnen und Älpler auch zu den landwirtschaftlichen Hilfskräften? Wie stehts mit den Berufsbezeichnungen Senn, Hirtin, Zusenn, Bazger, Melkerin?

Check-up One

Ausgangspunkt unserer Abklärungen ist die Internetseite www.arbeit.swiss. Das Tool «Check-Up» listet meldepflichtige Berufsarten auf. Wir finden «Hirt/in» – dort heisst es: nicht meldepflichtig. Bingo! Vergeblich suchen wir: Älpler, Senn, Zusenn, Melker, Bazger. Nicht gelistet bedeutet jedoch nicht: nicht meldepflichtig. Denn: «Die Prüfung einer allfälligen Meldepflicht anhand der Berufsbezeichnung gibt Ihnen einen ersten Anhaltspunkt. Das zuständige RAV prüft […], ob Ihre Stelle der Meldepflicht unterliegt oder nicht», warnt das Check-up-Tool.

RAV GR + BEO

Telefon ans RAV von Graubünden, dem Kanton mit den meisten Angestellten im Älplerwesen. Die Frau am Telefon erklärt, dass mit «Landwirtschaftliche Hilfskraft» alle Arbeiter, die keine land- oder alpwirtschaftliche Ausbildung hätten, gemeint seinen. Zusenn und Mithilfe/Gehilfe seien stellenmeldepflichtig, der Senn mit Sennenkurs hingegen nicht.
Beim RAV im Berner Oberland tönt es jedoch etwas anders. Die landwirtschaftlichen Berufe mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) seien von der Meldepflicht befreit. Nur ein Kursausweis gelte nicht. Zudem orientiere sich das RAV bezüglich der Berufsbezeichnungen an den Angaben auf www.ricrac.ch (Westschweizer Referenzsystem über die Tätigkeiten und Kompetenzen).

Check-up Two: Ricrac

Also töggeln wir «ricrac.ch» in die Tasten. Dort gilt der «Hirt» ebenfalls als nicht stellenmeldepflichtig. «Schafhirt» und «Alphirt» hingegen schon. Ebenfalls meldepflichtig sind «Senn» und «Melker», nicht gelistet werden «Älpler», «Bazger» und «Zusenn». Sapperlot – und jetzt?

Nächste Station: agrimpuls

Wir fragen bei agrimpuls in Brugg nach, einer Dienstleistungsstelle des Schweizer Bauernverbands, u. a. für die Bereiche Praktikanten- und Arbeitskräftevermittlung, Arbeitsrecht und Ausländerregelung.
Die Frau am Telefon will unsere Fragen beim SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) in Bern abklären. Sie sagt uns zwei Wochen später, was wir bereits wissen: «Die Check-up-Liste ist keine Garantie.» Besser sei es, im Zweifelsfall die Stelle zu melden, das sei ja kein grosser Aufwand. Ihrer Meinung nach müsste jedoch der Senn nicht meldepflichtig sein, da er dem Hirten übergeordnet sei.

SECO

Allmählich sind wir etwas genervt über all die diversen unkonkreten Meinungen und Hilfen. Wir wenden uns direkt ans SECO und möchten wissen, wer die stellenmeldepflichtigen Berufe bestimmt bzw. wer auf die Idee kommt, bei den ÄlplerInnen (z. B. Schafhirt) 5 % Arbeitslose zu statuieren, obwohl auf der Stellenbörse der zalp weniger Personal als Stellen ausgeschrieben sind. Uns interessiert auch, was passiert, wenn bauer sich nicht an die Stellenmeldepflicht hält. Wir erhalten weiter nette und nichtssagende Antworten, verlieren uns in Schleifen von Mail-Weiterleitungen usw.
Ein direktes Telefongespräch mit Fabian Maienfisch, Mediensprecher des SECO, ergibt endlich konkretere Anhaltspunkte. Fazit gemäss Maienfisch: Das Gesetz ist gemacht, daran kann man nichts ändern. Will man das Alppersonal von der Stellenmeldepflicht befreien, so sieht er zwei Möglichkeiten: Entweder beim Bundesamt für Statistik vorstellig werden und für das Alppersonal die Aufnahme neuer Bezeichnungen in die Berufsnomenklatur beantragen. Damit könnten diese separat betrachtet und eingeschätzt werden. Oder man geht den Weg über die Politik und stellt einen Antrag ans Parlament.
Und wenn der Bauer sich nicht an die Stellenmeldepflicht hält? Maienfisch erklärt, dass die Kantone für die Umsetzung der Verordnung, also auch für die Kontrollen und Bussen, zuständig sind und sie das individuell gestalten können. Da sie die Gegebenheiten und Probleme in ihrem Kanton kennen, würden sie die Kontrollen bestimmt pragmatisch und flexibel handhaben.

Zurück zum RAV

Wie flexibel und pragmatisch, das wollen wir wissen und fragen per Mail bei den RAVs Chur, Spiez und Oberwallis nach. Dann kommt Corona. Die RAVs sind überlastet und die Stellenmeldepflicht wird schwupps aufgehoben. Das RAV Chur meldet uns zwischen den Viruswirren hindurch, dass seit Anfang Jahr drei Stellen mit Bezug zur Alp gemeldet wurden. 24 Arbeitslose seien im Bereich Landwirtschaft gemeldet, jedoch sei unklar, ob diese auf der Alp eingesetzt werden könnten. Bussen wurden bis anhin keine ausgesprochen, daher gebe es auch keinen Hinweis darauf, wie hoch diese ausfallen könnten.

Damit es klarer wird

Klar ist: ab dem 8. Juni 2020 gilt nach der Pause (Corona) wieder die Stellenmeldepflicht. Für die nächste Stellenrunde im Winter 2020/2021 werden wir uns von der zalp in Absprache mit anderen alpwirtschaftlichen Organisationen bei den zuständigen Ämtern für eine separate Berufsbezeichnung wie «Alppersonal» bemühen. Vielleicht wird sich dadurch auch klären, ob das Alppersonal überhaupt die 5 % Arbeitslosenquote erreicht. Der momentane Zustand bleibt unklar.

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Vorgehen bei einer Stellenmeldung

Meldung der Arbeitsstelle

  • online www.arbeit.swiss einloggen und Formular ausfüllen
  • oder telefonisch oder persönlich beim nächsten RAV (siehe Verzeichnis der RAVs unter www.arbeit.swiss -> Kontakte)

Beschäftigungen, die maximal 14 Tage dauern, müssen nicht gemeldet werden.


Ist die Stelle gemeldet
, übermittelt das RAV dem Arbeitgeber innert drei Tagen mögliche Kandidatendossiers. Diese muss er überprüfen und geeignete Kandidaten kontaktieren, danach dem RAV eine Rückmeldung geben. Eine Verpflichtung, diesen Kandidaten anzustellen, besteht nicht. Nach 5 Tagen Sperrfrist darf die Stelle offiziell ausgeschrieben bzw. inseriert werden.

Ist die Stelle besetzt, teilt der Arbeitgeber dies dem RAV mit. Online gemeldete Stellen kann er über den gleichen Kanal abmelden.
Ohne Rückmeldung bleibt die Stelle beim RAV 30 Tage lang aufgeschaltet.


Und wenn der Älpler nach drei Wochen wegläuft und ersetzt werden muss?

Dann ist die Stelle erneut meldepflichtig und muss zuerst beim RAV gemeldet werden. Um diese Wartezeit zu umgehen und sofort Ersatzpersonal suchen zu können, gäbe es einen Trick; bei der Älplersuche im Frühjahr gleich zwei Stellen beim RAV zu melden, quasi eine für Ersatzpersonal. Ist man online auf arbeit.swiss registriert, kann man dort sofort selber nach geeigneten KandidatInnen suchen, ohne nochmals ein Stellenmeldeformular ausfüllen zu müssen.

Was geschieht, wenn die Stelle nicht gemeldet wird?

Wenn man Pech hat und in eine Stichkontrolle der kantonalen Stellenaufsichtsbehörde gerät, hat man mit einer Strafanzeige zu rechnen. Diese kann eine Busse von bis zu 40’000 Franken zur Folge haben (gemäss AIG Art. 117a).

Tipps zum Inserieren von Alppersonal-Suche:

  • Senn als Käser ausschreiben (der Beruf Käser unterliegt momentan keiner Stellenmeldepflicht)
  • alle Hirten und Melkerinnen als HirtIn ausschreiben (der Beruf Hirt unterliegt momentan keiner Stellenmeldepflicht)

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