Musik

Natur ist Stimme

Was verbindet Jodler aus der Deutschschweiz mit Sängern aus Europa, Afrika und Amerika? Das Singen mit Naturstimmen. Auf der gleichnamigen CD, aufgenommen am 5. Klangfestival der KlangWelt Toggenburg 2012 lassen verschiedene Künstler ihre Stimmen erschallen, mit und ohne instrumentale Begleitung. Die vielseitige Musik, mal traditionell, mal überraschend, oft beeindruckend und immer harmonisch, zieht einen in ihren Bann. Wohl auch, weil die Töne, auf dem Resonanzkörper Mensch erzeugt, der ureigenen menschlichen Natur entsprechen und in jedem von uns Saiten zum Klingen bringen. Hörenswert! aw

Naturstimmen Vol. ll
KlangWelt Toggenburg 2012
 
www.klangwelt.ch

Stimmen aus der Schatzkammer

In den 30er-Jahren reiste der Volksschullehrer Alfons Maissen mit Mikrofon und Aufnahmegerät in die rätoromanischen Dörfer Graubündens um traditionelle Lieder auf Band zu bannen. Maissens Bemühen scheinen sich gelohnt zu haben: Corin Curschellas kramt aus seinem Archiv die teils verstummten Trockenblumen und arrangiert sie zu frisch aufblühenden Sträussen. Die Lieder wurden übers Ohr tradiert und gemeinsam erspielt und ersungen; die CD nicht im cleanen Studio, sondern in den Räumen einer alten Villa aufgenommen.

Eingetopft wird A Capella in Rätoromanisch, umgarnt von Geige, Schwyzerörgeli, Gitarre, Bass und Trümpi aus dem Garten «Pflanzplätz» – pflücken muss die Blumen jeder selbst. gh

Corin Curschellas:
Origins

 
R-tunes 2013
www.corin.ch

Volksmusikalischer Spaziergang

Die Stubete hat sich zum illustren Treffen der Neuen Volksmusik etabliert. Zusammen mit Altdorf und Obwald ist nun auch Zürich mit dabei, alpenländische Volksmusik in die neue Zeit zu retten. Auf der CD: Die «Waldstätter-Fantasie» von Dani Häusler für das Ländlerorchester, Curdin Janetts «Giodim, ein rumantscher Liederabend», Nadja Räss mit Stimmreise, das neue Programm der Hanneli-Musig, die Wiederentdeckung und Erstaufführung der 123 Jahre alten Sagemattler Bauernkapelle aus Unterägeri durch das neu gegründete Ensemble aus Tonhalle-Musikern «D’Sagemattler», das neue Programm ALP von bArde und schliesslich die Premiere «Vo Schwyzer, Schwede, Wyn und Wyb» der Gruppe Tritonus. (gh)

Stubete am See
Ein Querschnitt durch das Festival 2010

 
Musiques Suisses 2011
www.musiques-suisses.ch
www.stubeteamsee.ch

Mit Löffel, Halszither, Häxeschyt und Hanottere

Die haben einfach den Plausch Schweizer Volksmusik zu spielen, ohne das ganze Gschleick von Patriotismus oder Folklore. Keine Bürde alter Vätersitte, kein pubertäres Aufmüpfen gegen zwangsverordnete Gesänge aus dem Schulliederbuch. Lust am Stöbern im alten Volksliedgut, am Zupfen vergessener Instrumente mit hübschen Namen wie Häxeschyt und Hanottere, Lust, die vergessenen Instrumente mit der globalisierten Stromgitarre zu mischen.

Lieder und Tänze hüpfen leicht durch alte und neue Saiten, umwoben von der hellen und klaren Stimme Iris Kellers. Eine Musik, die wie quirliges Bergquellwasser unsere heimatlichen Wurzeln nährt (um es mal so pathetisch auszudrücken, wie es Hiesix selber nicht tun würde).

Hiesix
 
www.hiesix.ch

Beschwörendes aus der guten alten Liederkiste

Zwar scheint der Begriff Vooodoo dem Cover der CD gerechter zu werden als dem Inhalt, dennoch nimmt uns das Album mit in den Urwald, nach Irland, Bernerland, Innerland. Doppelbock arrangieren traditionelle Naturjodel neu und greifen tief in die Schweizer Liedergutkiste. So hören wir vom Meiteli, das scho bim chiechlä träppelet, dem Schätzli, das bereits am Morgen hornt und giftigen Fischen, die die Enkelin ins Grab bringen. Es singen und johlen Christine Lauterburg und Barbara Berger, das Fundament mauert Doppelbock mit allerlei einheimischen und fremdländischen Perkussionsinstrumenten. Regelmässig sorgt ein Örgeli für schräge Zwischentöne und feine Melodien. Mal poppig, mal ist schunkeln angesagt, mal möchte man selber träppelen. Gut ist, wenn einem Dudelsack und Jodel lieb ist. fb

Doppelbock:
Voodoo-Jodel

 
www.doppelbock.ch

Sensenmann an der Aare

Für die Kürze des Lebens gibt es proportional zu viele Lieder im Gegensatz zur Ewigkeit des Todes, der viel weniger besungen wird. Die Musikanten um «eCHo», Dide Marfurt, Corin Curschellas, Christine Lauterburg, Walter Lietha und Freunde fächern eine ganze CD Todeslieder auf. Das ist unheimlich bis sehnsüchtig und oft lüpfig tanzbar. Das Leben wird im Angesicht des Todes eben erst lebenswert. Mit wunderschönem Booklet der Fotografin Tabea Hüberli als Geschenk nur für die liebsten Freunde.

Potz Tunner

«Doppelbock» um Dide Marfurt und «eCHo» mit Christine Lauterburg, Corin Curschellas und Walter Lietha gehören zu den lüpfigsten und arriviertesten VertreterInnen der Familien, die in alten Musikalben stöbern und mit dem Gefundenen neue, aktuelle Volksmusik spielen. Für vergnügliche Stunden querbeet von der Drehleier bis zur Stromgitarre, immer lupfig und stupfig. Es wird eine Zeit kommen, wo sich Rapper bei Obio bedienen werden: «Potz tuusig, potz tunner, was chunnt mer na z’Sii, ha gmäint i well wybe jez bin-i na z’chlii.»

P.S. Ein Doppelbock ist ein Bockbier, welches mit einem Stammwürzegehalt von über 18 % eingebraut wird. (Wickipedia)

Mit guter Laune unterwegs

Max Lässer hat nicht nur den Schwyzerörgeliallrounder Markus Flückiger an seiner Seite, sondern einen ganzen Stall voller Spielkollegen. Da löffelt Töbi Tobler am Hackbrett mit und auch Anton Bruhin auf dem Trümpi (Maultrommel). Im Weiteren am Bass Arnulf Lindner, Walter Keiser an den Drums und Kaspar Rast an der Perkussion. Entstanden ist ein Volksmusikalbum, das nichts mit volksdümmlichem Schlager zu tun hat. Lässer und Flückiger schaben mit Gitarre und Örgeli an ihren Wurzeln. Der Fundus von Hanny Christen, die grösste Schweizer Sammlung für Volksmusik, lieferte genügend Material. Dazu gesellen sich witzige Eigenkompositionen. Wer eine Gute-Laune-CD benötigt, ist mit dieser gut bedient.

Max Lässer und Markus Flückiger:
Überland Duo +

 
www.maxlaesser.com

Von alter Musik

Wer bei Schweizer Volksmusik an Hudigäggeler denkt und sofort die Ohren verwirft, sollte eine kleine Reise mit Tritonus unternehmen. Die wird sich nicht an Landesgrenzen orientieren, sondern entlang Zeitsträngen bis vor 1800. Der musikalisch Reisende wird verwundert an lauschigen Plätzen inne halten, sich fragen, wie denn aus diesen leichten und doch erdigen Vorlagen der Bierbratwurstzeltgäggler entstanden ist. Tritonus tönt auf ihrer zweiten CD dank dem Saxofon von Reto Suhner auch mal neuzeitlicher. Das schmeichelt den weggeworfenen Ohren.

Tritonus:
Alpan

 
www.tritonus.ch

Blues und Blus’n

Mit dieser CD versucht Herbert Pixner mit seiner diatonischen Harmonika das Heimatabend- Image dieses Instruments beiseite zu legen, ohne dessen alpenländische Wurzeln zu vergessen. Obwohl sich das Herbert Pixner Projekt als Herbert Pixner Trio bereits als mitreissende Tanzmusik einen Namen gemacht hat, scheuen die Drei auch nicht davor, in die Crossover Szene einzutauchen um neue Rhythmen und Klänge mit traditionellen Volksmusikinstrumenten zu verbinden.

Herbert Pixner Project:
Blus'n auf!

 
www.herbert-pixner.com/shop/

Voller Blut

Aus Bern und Schaffhausen, vom Tal und ab den Alpen, von der Strasse von ennet der Grenze spielen Alfiresli stromlose Lieder, die einem doch zum zittern bringen. Auf Schweizerdeutsch, Deutsch, Französisch, Rumänisch, Kauderwelsch, Italienisch und ganz ohne Englisch, mit Geige, Handorgel, Gitarre, Kontrabass, Mandoline, Löffeln, Melodica und vielen Stimmen. Manchmal schräg, manchmal lüpfig, manchmal bissig, manchmal traurig, immer voller Blut.

Alfiresli:
Lieder vom Wegrand

 
www.alfiresli.ch

Rasant bis sehnsuchtsvoll

Neue, frei erfundene Volksmusik von Alfiresli, frisch und unbezähmbar, strubblig und schräg bis melodiströs. Auch das frei Erfundene lässt die Muskeln in bekannten Takten zuckeln, die Melodien nehmen einem mit in geläufigen Volksharmonien. Die meisten Stüggli sind mitklatsch- und tanzbar. Alfiresli sind lebensecht und direkt vor Aug und Ohr ein sicherer Wert für einen lüpfig heimeligen Anlass, ihr mittlerweile ausuferndes Repertoire spielt von rasant bis sehnsuchtsvoll, bewegts sich beiseits und jenseits von Folklore. Etwas Sprachgewandtheit beim Zuhörer ist von Vorteil, die Lieder sind oft witzig in Ton, Takt und Text.

Alfiresli:
Wünschellieder

 
www.alfiresli.ch

Entstaubt

Feg weg den Staub. Seit 2002 hat die Schweiz eine 10000 Stücke umfassende Volksmusik-Enzyklopädie. Der Baslerin Hanny Christen (1899-1976) ist es zu verdanken, dass viele Stücke aus dem 19. Jht vor dem Vergessen bewahrt wurden. Die HujGroup, fünf Musiker aus drei Formationen und vier Gastmusiker haben sich an das kulturelle Erbe gewagt. So wurde der verstaubten Melodien-Sammlung wieder Leben eingehaucht. Die hervorragenden Musiker setzen das ganze so gekonnt um, dass es einem im Tanzbein zwickt.

HujGroup:
Nöis Alts

 
www.musiques-suisses.ch

Alte Schinken neu geschnitten.

Altes Liedgut neu aufgemacht ist im Trend. So auch bei eCHo, einer hochkarätigedelsteinigen und losen Formation um Dide Marfurt und Thomi Erb, manchen als Doppelbock bekannt. Am Gesang Corin Curschellas, Christine Lauterburg und Walter Lietha, da kann für Heimatbegeisterte (und Gestriggebliebene wie mich) fast nichts mehr schief gehen. Es wird mit Lust gespielt, aber am schönsten sind die wehmütigen Lieder, deren Text mehr hergibt, als man damals beim schulmeisterlichen Gesangsunterricht meinte.

Kult Ur

Zum Film die Musik mit Rees Gwerder, Mosibuebä, Buofle-Wisi, Jakob Alder, Jakob Düsel, Sity-Domini u.a. Der Kult-Film über lauterzeugende Inner- und Ostschweizer, die gegen die Ruhe auf den Alpen und später gegen die Melkmaschine anzusingen versuchen. Die Löckler und Juchzer, aber auch die instrumentale Musik zeigen unverbrauchte Volksmusik, wie sie bei Sepp Trütsch oder Wisel Gyr selig nicht mehr vorkommen. Ob dies wirklich der Blues der Schweiz ist, mag ich bezweifeln, dafür kommt eine Eigenständigkeit zum Ausdruck, die rauh um die Ohren streicht. Dass diese Musik das Volk allzuoft in einer Engstirnigkeit versammelt, die sie nicht nötig hätte, ist schade.

Cyrill Schläpfer:
Ur-Musig

 
www.swisskulthits.ch

Weltjodel

Volksmusig im Stil der Innerschweiz macht es vor – sie ist nicht mit einem Ort, sondern mit einer Zeit verbunden. Sie ist nicht auf dem Rütli, sondern im Zürcher Niederdorf erfunden worden. Das lernen wir, wenn wir «Youchz now» hören, die CD der Gruppe «Sooon», wo Sonja Morgenegg jodelt, John Wolf Brennan Klavier und anderes spielt und Tony Majdalani unterschiedliche Trommeln. Das Trio führt vor, wie juuzen, jodeln und holeien eine Welt- und Kunstsprache ist. Sie wird heute nicht im «Löwensäli» allein in Hochform gebracht, sondern mit hochgerüsteter Technik im Tonstudio fabriziert. Sie kommt nicht aus der Laune und von der Scholle, sondern erfordert hohes technisches Können und breite musikalische Bildung. Das Trio «Sooon» reist mit uns über mongolische Steppen, in französische oder irische Einsamkeiten, in arabische Tanzlokale und am Schluss ins Thurgau, das heiter und virtuos mit dem Johlen versorgt wird. Flott, wie Sonja Morgenegg dieses Singen einthurgauert, und wir können uns gut vorstellen, wie sie sich für den melancholischen «Sunneufgang Juuchz» vom Säntis her von einem Zäuerli der vereinigten Appenzeller Morgensänger hat anregen lassen. Kurz – die Musik von Sooon ist vergnüglich und reich, aber es ist strenge Zuhörmusik; wer nebenbei melkt, käst und die Kühe für die Vehschau striegelt, ist schon verloren. Köbi Gantenbein

Sooon:
Youchz now


Narrenschiff 2019
www.narrenschiff.ch

Die Leinwand aufspannen

Beim ersten Ohr voll quoll mir die Leinwand von Cinématique etwas über, zu viele Einfälle, Pointen, Rückblenden, zu häufiger Genrewechsel, zu facettenreich, zu sehr Geniestreich – dieser Story vermochte ich nicht zu folgen. Kein Wunder, beziehen sich doch die Musikkompositionen auf Regisseure wie Tarkowski, Fellini, Godard, nicht auf mir bekannte Bergfilme von Schnyder, Comencini und Murer. (Ich nehme an, alle wissen, wovon ich schreibe, Nostalghia statt Heidi.) Jetzt ist es so, dass ich zum Sonntagsbratenkochen gerne den Algorithmus shuffeln lasse. Welcher, aus was für Gründen auch immer, Cinématique bevorzugt durch die Boxen jagte. Oha, das klingt interessant, wer schmettert mir da den Berg in die Küche, kollert mir Steine in den Topf, säuselt mit dem Abendwind? Aha, Pago Libre, eingespieltes Team seit 30 Jahren. Und beim zweiten Ohr beginne ich zu begreifen, was das Alphorn stampft und lyrt, das Alperidoo gurrt (Arkady Shilkloper), die Geige schwirrt (Tscho Theissing), die Bässe bossen (Daniele Patumi und Georg Breinschmid) und das Klavier von John Wolf Brennan alles umgarnt, anspornt, ihm vorauseilt. Ich bin gespannt auf Ohr Nummer drei. gh

Pago Libre:
Cinématique 2.0


Leo Records 2019
www.leorecords.com

Singende Berggeistin

Wenn fremde Ohren mithören, kommt immer irgendwann die Frage: Welche Sprache wird denn da gesungen? Woher kommt das? Georgien? Texas? Israel? Alles gemischt? Wenn beim zweiten Tune die Stimme von Bettina Klöti plötzlich den Raum füllt, intelligent begleitet von fein arrangierten Instrumenten, staunt man weiter. Die Stimme ist frech, stark, manchmal überwältigend und erschaudernd. Lässt man sich von der Musik tragen, begibt man sich auf eine Reise durch bekannte und noch zu erfahrende Gefühle.

Bettina Klöti und Vera Kappeler interpretieren, verändern, mischen, spielen traditionelle Schweizer Liedmusik, eigene Kompositionen ergänzen den Bergerausch. Schweizer Volksmusik, schmackhaft, ergreifend und immer wieder überraschend tänzerisch – die Stimme einer Berggeistin, begleitet von Klavier, Harmonium, Toy-Piano, Banjo, Yamaha-Örgeli und Reisealphorn. mw

Bergerausch:
Nie ghört – Lieder aus der Schweiz


Narrenschiff 2018
www.narrenschiff.ch

Über die Heimat hinaus

Am Anfang bin ich mir nicht ganz sicher, ob beim ersten Lied tatsächlich die Ziege singt, deren Treichel man im Hintergrund hört. Nur wenig später, als der Jodel eine Oktave abtaucht, klärt sich die Frage. Und ich staune, welchen Umfang die Stimme der Sängerin Isa Wiss abdeckt. Improvisationen und heimatliche Lieder singt sie mit eigentümlicher Wucht und Fülle, ihr Jazzgroove findet sich ausgezeichnet mit dem Saxophon von Albin Brun und dem flinken Akkordeon von Patricia Dräger. Den Kontrabass dazu macht Claudio Strebel. Während das heimatliche Motiv Bergsehnsucht weckt, öffnen die experimentellen Songs den Blick dafür, dass es da noch viel, viel mehr gibt. ln

Albin Brun Trio & Isa Wiss:
Lied.Schatten


Narrenschiff 2018
www.albinbrun.ch

Aus dem Hut zaubern

Manchmal sucht man nach dem einen Wort. Für die Musik von «got hard» müsste es ein grosses Wort sein, ein umfassendes, weitumspannendes, sowas wie kolossuniversovation, aber das klingt zu einseitig nach Muskeln, Weltall und einem Ei. Wobei das ei zumindest als Ingredienzien taugt: eingängig bis frei, heimisch bis heiter, mitreissend bis leidenschaftlich. Die Kompositionen von Megasassa John Wolf Brennan klingen wie frisch gerupftes Gras im Kauwinkel einer blöckenden Kuh, die auf dem Klauenstand Pirouetten dreht und einen Fladen wirft. Das liegt einerseits an den «old friends» Arkady Shilkloper, Christian Zehnder, Christy Doran, Patrice Héral und dem «Alpentöne Blasorchester», anderseits am hörbar freudig überrumpelten Publikum auf der Live-CD. «Got hard» ist aus dem Hut gezaubert intelligente und herzerstaunende Musik: Wild, lyrisch, groovy, orchestral. So tönt der Berg, wenn er tanzt. gh

pago libre & friends:
got hard


Leo Records 2018
www.leorecords.com
www.brennan.ch

Verbundenheit, die zündelt

Über eine halbe Stunde feinste Ohrenunterhaltung bietet das erste Duoalbum von Patricia Draeger und Albin Brun. Die zwei spielen seit Jahren in allen Sparten von Berg- und Weltmusik zusammen, ihre sorgsam eingesetzten Instrumente kräuseln virtuos um hüpfende und wehmütige Melodien. Dynamisches und feinfühliges Örgeli, präzises Sopransax und eine ordentliche Portion Passion schaffen in eingehenden Motiven zugleich fremde und vertraute Klänge. Der «Simelibärg-Tango» pimpt den vielgehörten Klassiker erfolgreich mit lateinamerikanischem Feuer, und auch die neun anderen Stücke entzücken durch Abwechslung und geniales musikalisches Können. Musig, wo chutzelet und chräbbälät. ln

Albin Brun & Patricia Draeger:
Glisch d’Atun

Narrenschiff 2016117, 2016
www.albinbrun.ch
www.patriciadraeger.ch

Hörnern

Wann eigentlich hört man Alphornmusik ab CD aus Boxen oder Kopfhörer? Alphörner gehören doch nach draussen in die Landschaft, ins Gebirge. Oder wenn schon drinnen, dann in weiträumige Hallen, Kirchen, Katakomben. Die Antwort ist kürzer als das Horn: Wenn keiner bläst. Aber wenn schon Alphorn ab CD, dann laut, mit teurem Kopfhörer oder bester Musikanlage, so laut, dass das Horn beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus und umgekehrt durch den Kopf schallt. Das Quartett Alphorn Experience hat Schmetterboxen verdient. Drei Jahre schon hörnern die vier Mannen von Matten und Bühnen, entstauben respektvoll traditionelle Stückli, funken verteufelt virtuos mit jazzigen Tönen, wagen sich mit dem Alperidoo unerschrocken an neue Spieltechniken. Okay, Ähnliches machen andere Musiker auch, das Ausloten von Volksmusik und ihren Instrumenten zwecks Erweiterung der Hörgewohnheiten beim Eintritt in den Schallraum von Tradition und Moderne ist beliebt geworden. Trotzdem ist es schön. gh

Alphorn Experience:
Mikado


Alphorn Experience, Köniz 2016
www.alphornexperience.ch

Disco mit Örgeli

Sollten sich das Schwyzerörgeli und sein Gefolge vorgenommen haben, in Zukunft Teil der Tanzclubszene zu werden, so befinden sie sich mit «eigernordklang» vom Alpin Project auf dem besten Weg dazu. Zu bounzigen Beats von Dj Flink besingt Barbara Berger den Herrgott der

Alpen, bläst Balthasar Streiff seine Hörner. Hackbrettklänge von Christoph Pfändler und Thomas Aeschbachers sorgfältiges Schwyzerörgelispiel verleihen der Musik überdies bodenständige Eleganz. Die Fusion von Instrumenten, Tradition und Moderne präsentiert sich in bemerkenswerter Selbstverständlichkeit und fängt damit die Zeichen der Zeit genauso wie die Herzen junger heimatliebender, aber weltoffener ÄlplerInnen. ln

Alpin Projekt:
eigernordklang


Zytglogge Verlag, Basel 2015
CD ZYT 4971
www.alpinproject.ch

Hörner, Tasten, Stimmbänder

Was für Laien erst einmal klingt, als wäre Christian Zehnder gerade barfuss in einen Nagel getreten, ist in Wahrheit die hohe Kunst des Jodelns und des Obertonsingens, ausgeübt von einem grossen Meister derselben. Zehnder macht vor, was Stimme ohne Worte sagen kann, und vermengt diese zusammen mit den virtuosen Pianoklängen von John Wolf Brennan und den dumpfen Horntönen von Arkady Shilkloper zu anregenden Stücken, die einem in zurücklehnenden Momenten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können. Vor allem dann, wenn man heimlich versucht, auch mal solche Geräusche zu verursachen ... ln

Brennan, Zehnder, Shilkloper:
Dehei nöd dehei


www.brennan.ch

Der Wind säuselt allerorts

Albin Brun ist oft unterwegs, nicht nur am Pilatus, seinem Heimberg, auch auf den Lofoten, in der Bretagne, in Kairo, an der ligurischen Küste, in Weissrussland, in Namibia und in der Seebadi Luzern. An allen Orten säuselt der Wind ihm und seinem Schwyzerörgeli Musikalisches zu. Sein Foto- und Musikalbum «Wegmarken» nennt er selber «eine persönliche Volksmusik entlang der eigenen Biografie, in der sich ‹das Alpine› mühelos mit östlichen und südlichen Einflüssen verbindet». Das albinös brunsche Örgeli ist wohl eines der vollatmigsten und luftigsten im ganzen Land, egal ob der Sturm fegt, der Hagel prasselt, der Niesel wehmüetelet. Es kann dröhnend seufzen, leichtfüssig tanzen, kann flehend sinnieren, klangvoll poltern – ­alle Schranken von Jazz, Volks- und Weltmusik überfliegend. Albins langjährige Freunde Andy Gabriel, Marc Unternährer und Andy Aegerter an der Geige, der Tuba und den Drums schmieren massig Senf dazu. Hammerschön. ln

Albin Bruns NAH Quartett:
Wegmarken

 
Double Moon Records 2014
www.albinbrun.ch

Akustische Aussichten

Wie klingt ein Panorama? Ich muss sagen, ich habe keine Ahnung. Jonas Imhof aber hat sich wohlgemut daran gemacht, Panoramen für alle hörbar zu machen. Und dies mit Konzept: Auf alle Richtungsänderungen in der sich präsentierenden Bergkette werden Musiknoten gesetzt und die resultierende Melodie als Motiv für das «Ohrenbild» verwendet, wie es auf der Internetseite des Perkussionisten heisst. Umgesetzt mit Saxophon und Trommelklängen, kann man den Linien süd-nordwärts oder dem Eggishorn entgegen folgen. Ist einem diese Ohr-Kopf-Augen-Reise zu beschwerlich (denn sie kann zugegebenermassen irritieren), lehne man sich zurück und geniesse die ziehenden Klänge des Saxophons, mit Rhythmik untermalt. ln

Jonas Imhof, Donat Fisch:
Panorama Musik


Unit Records, Bern 2014
UTR45092
www.jonasimhof.ch
www.unitrecords.com

Pilgern

Pilger haben etwas esoterisch Bemitleidenswertes an sich. Reisen oft sehr weit, um etwas zu finden, was vor der Haustüre läge. Wandern in Goretex-Schuhen ihrer Ölung entgegen, dabei würde das Fetten lederner Bergschuhe mehr Heilung versprechen. Vergesst das Pilgern und lauft los, wandert, tschalpt, hüpft, stolpert. Solange ihr Beine habt: benutzt sie. Das genügt. Und wer das nicht glaubt, spannt seine Seele zwischen die Ohren und dreht die Audioanlage hoch. Die Musik von «Pilgrims» hat die Kraft, dich an genügend Orte mitzunehmen. Landschaften, Pässe, Seen, vielleicht das Meer, der Mont Blanc, die Steppe, die Wüste und dort – eine sechsspurige Autobahn, ein Atomkraftwerk? So viel Esoterik ist noch drin, dass es auch für meditative Seelenlandschaften reicht. Unterwegs bist du allemal. gh

Brennan, Majdalani, Jencarelli:
Pilgrims


Leo Records 2013
www.leorecords.com
www.brennan.ch

John Wolf Brennan: piano u.a.
Tony Majdalani: percussion
Marco Jencarelli: guitars

Alphörner

«Alphorn Experience» existiert seit 2009 im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, urbaner und ländlicher Umgebung, Heimatverbundenheit und Weltoffenheit. Im Repertoire finden sich alte überlieferte Alphornweisen neben Eigenkompositionen, die aus den verschiedensten Quellen schöpfen wie Jazz, Funk, Blues und pulsierenden Grooves als Basis für virtuose Improvisationen. Das Quartett verschmilzt traditionelle Alpinkultur und Experimentierlust zu aktueller Weltmusik im besten Sinn. Auf Axxalp dokumentiert das Quartett die ganze Bandbreite seines Repertoires, von traditionellen Klängen (Rigiblickler, Uristier) zu neuen Kompositionen, die auch die rhythmische Beweglichkeit des Alphorns unter Beweis stellen. mm

Alphorn Experience:
Axxalp


Nation Music GmbH 2013
www.nationmusic.ch
www.mikemaurer.ch

Auf der Hochebene

Auf der Hochebene «Galen» lässt es sich im Gras liegen und den Wolken nachschauen, während junge Ziegen schier den Hang hinabpurzeln, um an das letzte Salz auf den Felsplatten zu kommen. Es kommt aber auch vor, dass der Wind die frisch aufgehängten Käsetücher von der Leine räumt, ein Gewitter aufzieht oder sich der Höhenblues breit macht. Oder dass ein Juchzer die Bergstille durchbricht und die Hektik des Tages ankündigt; Bilder aus naturnahem, teils ruhigem, teils nicht ganz unaufgeregtem Jazz. ln

Ionisation – Galen

Rafael Schilt: tenor saxophone, bass clarinet
Rodrigo Aravena: bass
Jonas Imhof: drums
Unit Records 2013
http://jonasimhof.ch

Widertäktigs

Einerseits geht es um individuelle Interpretationen einer «Volksmusik», andererseits v.a. um deren Ausdrucksmöglichkeiten in ungeraden Metren. Es ist womöglich der erste Tonträger in dieser Sparte, der eine seriell-mediaphonische Herangehensweise vorweisen kann. So zu lesen auf Oetikers Website. Wer das nicht versteht, so wie ich, soll einfach Ohren und Hirn öffnen. «Ländlermusik» ist das trotz Schwyzerörgeli keine, und das ist befreiend. Zu den Widertakten gesellen sich Schrägmelodien und einfühlsame Gitarrenläufe, manches jazzig und lüpfig, einiges popig softy, weniges anspruchsvoll intellektuell. Insgesamt macht solche Musik Spass und Freude. gh

Marcel Oetiker:
Widertäktigs


Phonoplay 2012
www.marceloetiker.com

Marcel Oetiker: Schwyzerörgeli
Florian Mächler: Gitarre
Pirmin Huber: Kontrabass
Christian Zünd: Perkussion

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