Musik

Hörner, Tasten, Stimmbänder

Was für Laien erst einmal klingt, als wäre Christian Zehnder gerade barfuss in einen Nagel getreten, ist in Wahrheit die hohe Kunst des Jodelns und des Obertonsingens, ausgeübt von einem grossen Meister derselben. Zehnder macht vor, was Stimme ohne Worte sagen kann, und vermengt diese zusammen mit den virtuosen Pianoklängen von John Wolf Brennan und den dumpfen Horntönen von Arkady Shilkloper zu anregenden Stücken, die einem in zurücklehnenden Momenten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können. Vor allem dann, wenn man heimlich versucht, auch mal solche Geräusche zu verursachen ... ln

Brennan, Zehnder, Shilkloper:
Dehei nöd dehei


www.brennan.ch

Der Wind säuselt allerorts

Albin Brun ist oft unterwegs, nicht nur am Pilatus, seinem Heimberg, auch auf den Lofoten, in der Bretagne, in Kairo, an der ligurischen Küste, in Weissrussland, in Namibia und in der Seebadi Luzern. An allen Orten säuselt der Wind ihm und seinem Schwyzerörgeli Musikalisches zu. Sein Foto- und Musikalbum «Wegmarken» nennt er selber «eine persönliche Volksmusik entlang der eigenen Biografie, in der sich ‹das Alpine› mühelos mit östlichen und südlichen Einflüssen verbindet». Das albinös brunsche Örgeli ist wohl eines der vollatmigsten und luftigsten im ganzen Land, egal ob der Sturm fegt, der Hagel prasselt, der Niesel wehmüetelet. Es kann dröhnend seufzen, leichtfüssig tanzen, kann flehend sinnieren, klangvoll poltern – ­alle Schranken von Jazz, Volks- und Weltmusik überfliegend. Albins langjährige Freunde Andy Gabriel, Marc Unternährer und Andy Aegerter an der Geige, der Tuba und den Drums schmieren massig Senf dazu. Hammerschön. ln

Albin Bruns NAH Quartett:
Wegmarken

 
Double Moon Records 2014
www.albinbrun.ch

Akustische Aussichten

Wie klingt ein Panorama? Ich muss sagen, ich habe keine Ahnung. Jonas Imhof aber hat sich wohlgemut daran gemacht, Panoramen für alle hörbar zu machen. Und dies mit Konzept: Auf alle Richtungsänderungen in der sich präsentierenden Bergkette werden Musiknoten gesetzt und die resultierende Melodie als Motiv für das «Ohrenbild» verwendet, wie es auf der Internetseite des Perkussionisten heisst. Umgesetzt mit Saxophon und Trommelklängen, kann man den Linien süd-nordwärts oder dem Eggishorn entgegen folgen. Ist einem diese Ohr-Kopf-Augen-Reise zu beschwerlich (denn sie kann zugegebenermassen irritieren), lehne man sich zurück und geniesse die ziehenden Klänge des Saxophons, mit Rhythmik untermalt. ln

Jonas Imhof, Donat Fisch:
Panorama Musik


Unit Records, Bern 2014
UTR45092
www.jonasimhof.ch
www.unitrecords.com

Pilgern

Pilger haben etwas esoterisch Bemitleidenswertes an sich. Reisen oft sehr weit, um etwas zu finden, was vor der Haustüre läge. Wandern in Goretex-Schuhen ihrer Ölung entgegen, dabei würde das Fetten lederner Bergschuhe mehr Heilung versprechen. Vergesst das Pilgern und lauft los, wandert, tschalpt, hüpft, stolpert. Solange ihr Beine habt: benutzt sie. Das genügt. Und wer das nicht glaubt, spannt seine Seele zwischen die Ohren und dreht die Audioanlage hoch. Die Musik von «Pilgrims» hat die Kraft, dich an genügend Orte mitzunehmen. Landschaften, Pässe, Seen, vielleicht das Meer, der Mont Blanc, die Steppe, die Wüste und dort – eine sechsspurige Autobahn, ein Atomkraftwerk? So viel Esoterik ist noch drin, dass es auch für meditative Seelenlandschaften reicht. Unterwegs bist du allemal. gh

Brennan, Majdalani, Jencarelli:
Pilgrims


Leo Records 2013
www.leorecords.com
www.brennan.ch

John Wolf Brennan: piano u.a.
Tony Majdalani: percussion
Marco Jencarelli: guitars

Alphörner

«Alphorn Experience» existiert seit 2009 im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, urbaner und ländlicher Umgebung, Heimatverbundenheit und Weltoffenheit. Im Repertoire finden sich alte überlieferte Alphornweisen neben Eigenkompositionen, die aus den verschiedensten Quellen schöpfen wie Jazz, Funk, Blues und pulsierenden Grooves als Basis für virtuose Improvisationen. Das Quartett verschmilzt traditionelle Alpinkultur und Experimentierlust zu aktueller Weltmusik im besten Sinn. Auf Axxalp dokumentiert das Quartett die ganze Bandbreite seines Repertoires, von traditionellen Klängen (Rigiblickler, Uristier) zu neuen Kompositionen, die auch die rhythmische Beweglichkeit des Alphorns unter Beweis stellen. mm

Alphorn Experience:
Axxalp


Nation Music GmbH 2013
www.nationmusic.ch
www.mikemaurer.ch

Auf der Hochebene

Auf der Hochebene «Galen» lässt es sich im Gras liegen und den Wolken nachschauen, während junge Ziegen schier den Hang hinabpurzeln, um an das letzte Salz auf den Felsplatten zu kommen. Es kommt aber auch vor, dass der Wind die frisch aufgehängten Käsetücher von der Leine räumt, ein Gewitter aufzieht oder sich der Höhenblues breit macht. Oder dass ein Juchzer die Bergstille durchbricht und die Hektik des Tages ankündigt; Bilder aus naturnahem, teils ruhigem, teils nicht ganz unaufgeregtem Jazz. ln

Ionisation – Galen

Rafael Schilt: tenor saxophone, bass clarinet
Rodrigo Aravena: bass
Jonas Imhof: drums
Unit Records 2013
http://jonasimhof.ch

Widertäktigs

Einerseits geht es um individuelle Interpretationen einer «Volksmusik», andererseits v.a. um deren Ausdrucksmöglichkeiten in ungeraden Metren. Es ist womöglich der erste Tonträger in dieser Sparte, der eine seriell-mediaphonische Herangehensweise vorweisen kann. So zu lesen auf Oetikers Website. Wer das nicht versteht, so wie ich, soll einfach Ohren und Hirn öffnen. «Ländlermusik» ist das trotz Schwyzerörgeli keine, und das ist befreiend. Zu den Widertakten gesellen sich Schrägmelodien und einfühlsame Gitarrenläufe, manches jazzig und lüpfig, einiges popig softy, weniges anspruchsvoll intellektuell. Insgesamt macht solche Musik Spass und Freude. gh

Marcel Oetiker:
Widertäktigs


Phonoplay 2012
www.marceloetiker.com

Marcel Oetiker: Schwyzerörgeli
Florian Mächler: Gitarre
Pirmin Huber: Kontrabass
Christian Zünd: Perkussion

Wippen ist schöner als schunkeln

Nimm das Esoterische vom Sphärischen, schmeiss es über die Lautsprecherkante und schon wippt es dir in Beinen und Flügeln. Die Melodiebögen orientieren sich am Geröll, an der Gletscherzunge, am Sonnenbrand und am Gewitter, fegen um die Felskanten, brausen die Alpweide hinunter. Manche Töne lecken am Edelweiss oder sägen am Horn des Steinbocks. Wer bei diesen Worten noch keine Musik hört, der kaufe die CD. Bester Alpin-Jazz mit Sax, Schwyzerörgeli, Geige, Obertonflöte, Kontrabass und Schlagzeug.

Albin Brun Alpin Ensemble:
Sphères Alpines

 
www.albinbrun.ch

Gstudiertes Schwyzerörgeli auf rasanter Fahrt

Ein Schwyzerörgeli, wie du es noch nie gehört hast. Jazzig, funkig, bluesig, schräg und schön. Abdampfend, losreissend, lostanzend, agierend wie ein Saxophon, sich um den gestrichenen Bass windend, entlang der Schlagzeugtrommeln rasend. Marcel Oetiker spielt das Schwyzerörgeli quer durch alle Stilrichtungen, locker vom Hocker, obwohl er einer der wenigen ist, die das Örgeli studiert haben. Eine Anlehnung an die Folklore gibt es beim dem Trio nicht. Die schöne Freiheit freut auch das Schwyzerörgeli, und man hört es ihm an. Etwas ausgleichende Gerechtigkeit, denn das Saxophon kann ja auch nichts dafür, dass es für die Hudigäggeler- und Oberkrainer-Bands missbraucht wird. Tipp: Play it loud!

Marcel Oetiker TRIO:
Evolution

 
www.marceloetiker.com

Im Takt der Güllenpumpe

John Wolf Brennan alleine am Klavier, unterwegs über Stock und Stein, Tasten und Saiten. Da tanzt das Murmeltier, es gluckert das Wasser, es begleitet der Rigibahn-Tacho oder die Güllenpumpe. Die Klaviersaiten werden geschlagen, gezupft, behämmert, gestrichen, woraus sich Landschaften bilden, weite Sichten, enge Täler, scharfe Steine, wollige Wolken. Die selten gespielte Melodica ergänzt zeitweilig wehmütig oder verspielt das Klavier.
Immer darf Musik nicht nur gefällig sein, das würde sie zu sehr einschränken. Wer also hören lernen will, muss zuhören, sich einhören – konsumieren allein genügt nicht, damit die Klänge an der Seele harzen. Genial ist das Stück Klavier sich um die Rhytmik der im 9/8-Takt ratternden «Aecherli»-Güllepumpi von 1929 windend. Es gibt dazu eine schöne Geschichte, die bleibt hier unerzählt, die erzählt Brennan mit seiner Musik.

John Wolf Brennan:
The Speed of Dark 

 
www.leorecords.com

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