Musik

... und drüber

Die Alpen sind nicht nur voller Viehglocken, Felsknacken, Donnergrollen, Traktorenmotoren, Lastwagengetriebe, Wasserrauschen, Feengluckern, Teufelsschwänzeln. Alle zwei Jahre gibt es das Alpentöne-Festival in Altdorf. Und wieder einmal ist es jammerschade, dass man 2011 nicht dabei war. Gegen das Jammern hilft der Rückblick mittels Ohren. Musik aus den Bergen von Marcel Oetiker, dem Adrenalinmusikanten am Schwyzerörgeli, mit Arkady Shilkloper, dem wütenden Alphorn, den ruhig plätschernden Quadrat.schen, mit Christian Zehnder (genial), mit den theatrahlen Roberto e Dimitri, und einem eigens zusammengeschweissten Blasorchester, sowie weiteren Urgesteinen und Soldanellen. Oft leicht schräg bis jazzig, manchmal etwas folkig und volkmusikalisch, oft recht vorwärtstreibend, als wäre den Leuten allein im Gebirge nicht wohl genug, als gelüste es ihnen da raus zu gelangen. (gh)

Alpentöne 2011
Ein Querschnitt durch das Festival ’11

 
Musiques Suisses 2012
www.musiques-suisses.ch www.alpentoene.ch

Ein Volk von vier Musikern

Man meint Volksmusik sei nicht zu spielen, wenn man keinen Alpöhi zum Grossvater hat. Die vier Leute von Pago Libre haben keinen, aber seit Jahren eine musikalische Vergangenheit, die immer wieder Bezug nimmt zu den Volksmusiken der kleinen Schweiz und der grossen Welt. Wehmütige Balladen, überraschende Rhythmen, drängender Bass, flügelschwingende Geige, bergquellklares Klavier, virtuoses Alphorn. Dem Jazz und der Volksmusik entwichen, verschmelzend an den Rändern zurückkehrend und manchmal hört man acht Augen zwinkern und klippern. Fake Folk mag Fake sein und Folk und echter als vieles Ächtes.

Pago Libre:
Fake Folk

 
www.pagolibre.com

Erweiterung

Wer bei Alphornklängen weite Berghorizonte, saftige Alpweiden, bestückt mit glücklichen Milchmaschinen und lauter juchzende Sennen vor Augen auftauchen sieht, darf gerne zu «hornroh» greifen und seinem Horizont zur Bilderweiterung verhelfen: Da zwängen sich Kellerverliese, Autobahnen, schreiende statt johlende Sennen in die aufblähende Pupille. Das tschässige bei hornroh ist auf dieser CD etwas weniger intellektuell als bei «zirp», die Melodiebogen ausgeprägter– das macht das Zuhören einfacher und geschmeidiger - manchmal tauchen dann doch Kühe im Reigen auslotender Alphornklänge auf und plötzlich entfährt einem ungewollt ein Juchzer.

hornroh:
findling


www.hornroh.ch

Bergmusik at her best

Das Archiv an Schweizer Volkslieder scheint unendlich gross, von Weithervergangenem bis tief ins heutige Gemüt reichend. Schräge Balladen, wehmütige Liebeslieder und schrullige Tänze haben Bergerausch (Bettina Klöti, Stimme und Vera Kappeler, Klavier) ergraben, erspielt und ersungen. Vielleicht das schönste und archaischte Sammelgut von Volkliedgutes in den letzten Jahren, anrüchig, anheimelnd, berührend. Bergerausch machen jetzige Musik, es wird auch mal wild improvisiert, an der Seele raffeln aber vor allem die melodiösen Lieder mit ihren seltsam schwebenden Texten. Klötis Stimme ist sehr klar, räumefüllend und Berge umspannend, Kappelers Tastenspiel sinnt ebenso prägnant den Tönen nach, schlägt Rhytmen und bringt manche Kuhreihen durcheinander.

Bergerausch:
Erdstern

 
www.myspace.com/br

Christian Zehnder: Kraah

Brauchst du Musik, die dir den Rücken krault und etwas an den Lenden zerrt? Here it is. Schauerhafte schaudernde Musik bisweilen, von Gregorianischer Kirchenmusik bis zum Jodel greifend, manchmal spitz und witz, manchmal den Himmel erschlagend, manchmal schwingend bis in die Muskelfasern. Zehnder, bekannt vom Duo «Stimmhorn» mit Balthasar Streiff, singt weiterhin Oberton, flattert mit der Stimme, wirft Backen, Zunge und Stimmbänder den Berghang hinunter. Auf «Kraah» nehmen Georg Breinschmid, Bass und Thomas Weiss, Percussion den Intellektuellen Zehnder auch mal an den Strand, swingend in der Badehose. Dort nämlich endet mancher Felsbrocken der Alpen. Und an den Ohren lüftelt das Dröhnen einer Kraahkenschwinge.

Christian Zehnder:
Kraah

 
www.zehndermusic.ch

Neue Alphornmusik

Klassisch - jazzig - fetzig - schräg - orchestral - melodiös - weihnächtlich - sphärisch, keine Hudigäggeler, keine Folklore. Es geht mehr um den Ton, um die Alphornklänge als um Virtuosität technikflatternder Lippen. Schön, dass ein russischer Musiker, der Moskauer Hornist und Flügelhornist Arkady Shilkloper das Alphorn auslotet, einer, der kaum mit Kühen auf einer Weide grast. Dafür kennt er schweizer Komponisten wie Hans Kennel, Matthias Rüegg, Hans-Jürg Sommer und John Wolf Brennan und interpretiert deren mannigfaltigen Bemühungen aktuelle Volksmusik zu spielen und ehemalige zu erweitern. Ein klingender Alpenrosenstrauch mit Blüten, Blättern, Zweigen und Wurzeln, einmal auf der Weide, einmal im Konzertsaal zu hören.

Arkady Shilkloper:
Zum Gipfel und zurück

 
www.musiques-suisses.ch

Auch mal wehmütig

Am schönsten ist das Örgeli, wenn es die Töene langzieht – und man fragt sich, wieso dies in der Volksmusik so selten geschieht. Albin Brun macht es, zum Teil wenigstens, und wo es dann doch schneller zu und her geht, bringt Andy Aegerter, aus Buenos Aires stammend, südliche Rhythmen ein. Aber einfach nur verjazzt sind die Schweizer Lieder nicht, das wäre doch zu nostalgisch. Heute werden Volkslieder frisch von der Leber gespielt, ohne moralische Schrägakkorde. Die nächste CD wünsche ich mir live eingespielt, das nimmt den Musikkanten die letzte Zurückhaltung und lässt sie spielen wo sie hingehören: zu den Leuten.

Albin Brun's NAH Trio
Nahaufnahmen

 
www.albinbrun.ch

Hängen und baumeln

Kennst du Duduk? Oder Hotchiku, Dvojinice, Tampura, Klangmühle und Polychord - oder wenigstens das Hackbrett? Namen geheimnisvoller Instrumente, auf denen Töbi Tobler, Sandro Friedrich und Heinz Bürgin Musik «zum die Seele baumeln lassen», oder eben zum abhängen, zotteln, davonschweben, sich cremig machen, zerfliessen, gedankenwippen, pflatschen, rocheln, schlankern, gigampfen usw. So meditativ die Musik auch daherkommt, sie braucht trotzdem Aufmerksamkeit, als Background taugt sie nicht. Die Intensität ist bei den leisen Tönen - ihnen im Detail nachzulauschen kann ganz schön beruhigend sein und wirken.

Töbi Tobler, Sandro Friedrich, Heinz Bürgin:
Musik zum abhängen

 
www.toebitobler.ch
www.powerflute.ch
www.pythagoras-instrumente.ch

Geröllgepolder und winkende Soldanellen

«Der Klang der Berge ist eine Frage der eigenen Wahrnehmung. Seit über 20 Jahren hören wir den Bergen zu und übersetzen mit unseren Instrumenten die alpine Landschaft in unsere Musik. Entstanden ist «bann», unser persönliches Echo der Berge. Glarner Berge gaben unserer Musik die Namen.» So stehts auf dem Booklet der CD und so ist es auch. Bergsturz und Felsengetürme, Nebelschwaden entlang von Grasbändern, Horizonte den Wildbach hinabschluchzend, Geröllgepolder und winkende Soldanellen - dies auf diversen Alphörnern, Posaunen, Hackbrettern, Schlagzeugen und einem Balaphon.

Roland Schiltknecht, Roland Dahinden, Gabriel Schiltknecht:
bann


www.triobann.ch

Los los!

Wer hackt macht nicht unbedingt Feuerholz. Töbi Tobler solo hackt und macht Feuer, nur am Rande mit Holz, aber auf dem Brett. Alles klar? Das Hackbrett von Tobler schwingt mit unzähligen Seiten, manchmal schnell, virtuos, manchmal den Klängen lauschend und das Weitergehdne suchend. Einer hackt Klangwelten in die Ohren des anderen, der andere wirbelt in den Tönen umher und produziert Bilder im Kopf, die der eine nie vorgesehen hat. So hat jeder etwas für sich, ganz alleine. Sehr schön. Also Volume auf und Welt weg.

Töbi Tobler:
so los

 
www.toebitobler.ch

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