Bücher

Die älteste Alphütte

Bereits seit frühester Zeit fand ein reger Transit von Menschen und wohl auch Waren durch die begehbaren Pässe und Täler statt. Allerdings herrschte lange Zeit die Meinung, die alpwirtschaftliche Nutzung der Hochweiden habe sich erst im Laufe des Frühmittelalters entwickelt. Viele Hinweise, dass die Ursprünge der Alpwirtschaft älter sein müssen, wurden nun durch ein seit 2007 laufendes Ausgrabungsprojekt der ETH Zürich im Silvrettagebiet bestätigt: Die «älteste Alphütte» der Schweiz dürfte knapp dreitausend Jahre alt sein. Das Buch präsentiert nicht nur die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung der Ausgrabungen, sondern versucht in diversen Beiträgen auch eine Brücke durch die Jahrhunderte hindurch bis in die Moderne zu schlagen. Daher findet man nicht nur Texte zu den erhalten gebliebenen Baustrukturen, Knochenfunden, Pflanzenresten, Bodenbeschaffenheit und Klimamodellen, die Hinweise auf die landwirtschaftliche Nutzung und die Lebensbedingungen dieser frühen Hirten geben, sondern auch eine Fotodokumentation des Älplerlebens im Silvrettagebiet aus den 1930er Jahren, einen Bericht zur Entwicklung der Alpgebäude in Graubünden und eine Anleitung zur Käseherstellung mit pflanzlichem Lab. an

Thomas Reitmaier (Hrsg.):
Letzte Jäger, erste Hirten

Hochalpine Archäologie in der Silvretta
 
295 Seiten, broschiert
Südostschweiz Buchverlag, Chur 2012
CHF 32.00
ISBN 978-3-906064-05-5

Delikates und Kurioses aus dem Alpenraum

Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Dieses volkstümliche Sprichwort scheint den «Erfindern» des kulinarischen Alpenerbes fremd. Denn wie sonst wären sie auf die Idee gekommen, in einem Buch «all die Produkte, die der Bauer früher kannte, aber auch all jene, die er kennen und schätzen gelernt hat», dazu «jene, von denen er nichts mehr wissen wollte» und «jene, auf die er nie verzichten konnte» zu versammeln. Von der Aargauer Rüblitorte bis zum Zuger Rötel listen die Autoren mehr als 400 alpine Delikatessen auf, samt Bezugsadressen. Dass der Bauer als Referenz für Delikatessen herhalten muss, mutet ebenso kurios an wie die willkürlich zusammengestellte Ansammlung von Obst- und Getreidesorten, Tierrassen, Wildkräutern und verarbeiteten Produkten wie Käse, Würste, Gebäcke oder Öle. Unter Letzteren mögen einige delikat schmecken und im Alpenraum produziert worden sein und somit das Etikett «alpine Delikatesse» verdient haben. Doch was für die einen kulinarische Rarität ist, verspeisen die anderen als tägliches Brot, weil sie nichts anderes kennen. Für lebensmittelinteressierte LeserInnen bietet das hübsch aufgemachte Buch eine Fülle von Informationen und für die Bäuerin Anregungen zur Herstellung neuer Hofprodukte. ab

Dominik Flammer, Sylvan Müller:
Enzyklopädie der alpinen Delikatessen

Das kulinarische Erbe der Alpen
 
360 Seiten, gebunden
viele Farbbilder
AT Verlag, Aarau 2014
ISBN 978-3-03800-829-3
CHF 38.90
www.at-verlag.ch

Leichte Kost

2,6 kg schwer, 368 Seiten stark und 98 Franken teuer – so gewichtig kommt «Das kulinarische Erbe der Alpen – Die Ernährungsgeschichte des Alpenraums» von Dominik Flammer (Text) und Sylvan Müller (Fotos) daher. In zehn Kapiteln werden landwirtschaftliche Produkte und ihre Erzeuger inszeniert. Zu diesem Eindruck tragen wesentlich die ebenso ästhetischen wie leblosen Bilder bei. Wettergegerbte Frauen und Männer, zumeist aufrecht stehend und ernst blickend, alle mit einem Requisit ihrer Arbeit in den Händen, schauen den Betrachter an. Trügen sie nicht moderne Kleidung am Leib, die Bilder könnten auch einhundert Jahre älter sein. Das Buch macht sich gut als repräsentatives Coffeetablebook und spricht Menschen an, die nach «wahren Delikatessen» und «echten Raritäten» suchen (weil sie sonst schon alles haben). aw

Dominik Flammer, Sylvan Müller:
Das kulinarische Erbe der Alpen

Die Ernährungsgeschichte des Alpenraums
 
368 Seiten, gebunden
AT Verlag, Aarau und München 2012
ISBN 978-3-03800-735-7
CHF 98.00
www.at-verlag.ch

Geschichte in Flurnamen

Der Titel ist wohl auch auf den Schaffensprozess des Autors zurückzuführen – über Jahre hinweg im Schleudersitz zwischen Heureka-Momenten und Schulterzucken. Nicht alles war so einfach wie z.B. der «Acker». Hierzu finden sich 250 Namen mit entsprechendem Grundwort. So purzelt man beim genüsslichen Blättern über Bekanntes, wie «Riemenstalden» oder «Druesberg». Aber viel mehr staunen wir, welche Namen ausserdem anzutreffen sind. Da sind zum Beispiel «Fägfüür» und «Gimmermee» – beides existierende Flurnamen im Kanton. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie in sehr frühen Zeiten diese Namensgebung entstanden ist.

Eine zusätzliche Novität ist der mitgelieferte USB-Schlüssel. Er verlinkt elektronisch die einbändige Ausgabe mit dem wissenschaftlichen Werk. Ausserdem weistjeder Name direkt auf die Landeskarte der Schweiz auf der Internetseite von Swisstopo. Mit «Vom Dräckloch i Himel» beginnt ein lustvolles Abenteuer für alle, die viel unterwegs sind, mit offener Karte und offenen Sinnen. Tina Balmer

Vom Dräckloch i Himel
Namenbuch des Kantons Schwyz
 
Gebunden, 752 Seiten, teilweise illustriert
Druckerei Triner AG
Schwyz 2012
ISBN ISBN 978-3-908572-55-8
CHF 79.–
www.triner.ch/draeckloch

plus USB-Sticks mit interaktiver Ausgabe des vollständigen wissenschaftlichen Werkes, Vermessungsplan und Internet-Schnittstelle zur Landeskarte

Hommage an die Urnerbödeler

Es erwarten einem 35 Portraits von Frauen, Männer und Familien, die entweder temporär als ÄlplerInnen oder dauerhaft als «Urnerbödeler» auf der grössten Alp der Schweiz leben. Unterbrochen von kurzen Informationen zur Geschichte der erst seit 1877 bestehenden Dauersiedlung und mit sehr vielen Fotografien des Autors illustriert, erzählen die Menschen vom früheren und heutigen Leben auf dem Urnerboden. Hirtler bleibt dabei sehr nah bei den Portraitierten und belässt wichtige Stellen im Urner Dialekt. Bei soviel Empathie in Text und Bild entsteht eine weitgehend ungebrochene Idylle einer zwar durch harte Lebensbedingungen bestimmten, aber ansonsten durch solidarisches Miteinander geprägten Welt. Ohne Zweifel hat es aber auch auf dem Urnerboden «gemenschelt» und etwas mehr kritische Distanz hätte der Publikation auf jeden Fall gut getan. an

Christof Hirtler:
Urnerboden

 
bildfluss, Altdorf 2012
ISBN 978-3-033-03105-0
CHF 40.–
www.bildfluss.ch

Die widerlegte Lüge der Klimakuh

Äusserst wissenschaftlich, doch absolut (für fast jedermann/frau) verständlich und nachvollziehbar deckt Anita Idel die fatalen Umweltfolgen der propagierten Landwirtschaft auf. Sie widerlegt die These: «Das Methanrülpsen der Wiederkäuer sei ein Klimabelastung. Deshalb lieber eine Hochleistungskuh, statt zwei luftverpestende, niedertourige Kuhlein.» Denn bei dieser Behauptung wird ausgeklammert, was die Kraftfutterproduktion an Schadstoffe freisetzt: Die Monokulturen, die mit synthetischem Dünger und Pestiziden behandelt werden, sind allein schon 100te mal klimaschädlicher als rülpsende Kühe. Dass dafür ständigen neuen Regenwald fällt, Böden nachhaltig zerstört werden und Menschen lebensunwürdig krank gemacht werden, gar nicht zu sprechen. Hoffnungsvolle Beispiele runden das Buch ab, die durch Weidewirtschaft mit Wiederkäuern und dem leider zu wenig propagierten Wissen unserer Zeit die symbiotischen, biologischen und nachhaltigen Potentiale der Boden-Pflanzen-Tier-Beziehungen aufzeigen. pw

Anita Idel:
Die Kuh ist kein Klimakiller!

Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können

Metropolis-Verlag, Marburg 2011
ISBN 978-3-89518-820-6
CHF 27.90
www.metropolis-verlag.de

Nah an der Kuh

Eine Kuh verdient geachtet und geschätzt zu werden. Nicht weil sie schön ist oder lustig oder viel Milch gibt, sondern weil sie von uns als Nahrungslieferant benutzt wird. Damit man die Kuh schätzen kann, sollte man sie kennen, oder noch etwas mehr: verstehen. Martin Ott gibt dem Lebewesen Kuh viel Raum, umgarnt sie vom Kopf her durch den Bauch bis zurück zu den Hörnern, tanzt mit ihr den Rhythmus der Verdauung, verwebt sich im sozialen Gefüge der Herde. Sein Verständnis der Kuh beruht vor allem auf Beobachtung und weniger auf anthroposophischen oder schulmeisterlichen Lehren, das tut gut. Ott verschweigt nicht, dass wir die Kuh zur Partnerschaft zwingen. Dass wir zum Partner werden, dafür plädiert er. gh

Martin Ott:
Kühe verstehen

Eine neue Partnerschaft beginnt
 
faro Verlag, Lenzburg 2011
ISBN 978-3-03781-033-0
CHF 34.90
www.fona.ch

Kampf für die Rohmilch

Judith Mudrak, gebürtige Schweizerin, ist nach Amerika ausgewandert. Ins Land des Rohmilchverbots. An einer Stoffwechselkrankheit leidend, hat sie sich nach gesunden Lebensmittel umgesehen, darunter auch nach Lieferanten von Rohmilch. Doch Bauern, die in den USA Rohmilch verkaufen, werden kriminalisiert. Um die Vorschriften zu umgehen, muss man sich eine Kuh «kaufen», von der man dann die Milch selber bezieht.

Mudraks Buch ist ein Pamphlet für Rohmilch. Tatsachen und Meinungen von Doktoren und Wissenschaftler, Beispiele von mit Rohmilch geheilten Patienten, unterdrückte Forschungsergebnisse, schwer nachvollziehbare Verbote gegen unbehandelte Lebensmittel – dies alles kommt im Buch zur Sprache, oft in etwas verwirrender Vielfalt und Wiederholung. gh

Judith Mudrak-Wasem:
Milch ist nicht gleich Milch

Bisher verschwiegene revolutionäre Tatsachen zur Rohmilch-Wissenschaft und Gesundheit!

436 Seiten, broschiert
Xlibris Corp 2011
ISBN 978-1-4628-9799-5
CHF 27.90
milchistnichtgleichmilch.com

Ein globalisierter Blick auf die Berge

Jon Mathieus Blick in luftige Höhen rund um die Welt gründet auf einem durch lange Forschungstätigkeit erworbenen Fundament an Wissen über die Gebirgsregionen und ihre BewohnerInnen. Nun legt er sich an einen Vergleich zwischen ausgewählten Bergregionen und rund um den Globus. Mathieu zeichnet dabei zum einen die Entwicklung der Wahrnehmung der Bergwelt nach – wobei die Entdeckung und teilweise Kolonisierung fremder Gebirgsregionen seit Beginn der Frühen Neuzeit durchaus auch den Blick auf die heimischen Höhen beeinflusste. Zum andern vergleicht er, mit viel Zahlenmaterial angereichert, u.a. die (Land-)wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen in verschiedenen Bergregionen von China über Afrika bis Südamerika in den letzten gut 500 Jahren. Gleichzeitig bietet die Studie einen Einblick in die Geschichte der verschiedenen Wissenschaftszweige, die sich dem Thema widmen und in die Vielzahl von privaten und staatlichen Organisationen, die sich für eine «nachhaltige» Entwicklung der Gebirgsregionen einsetzen. Man ahnts: Mathieus Studie ist keine Entspannungslektüre nach getaner Alparbeit, sondern nicht ganz leicht verdauliche Winterkost, auch wenn sie nicht allzu umfangreich und gut verständlich geschrieben ist. an

Jon Mathieu:
Die dritte Dimension

Eine vergleichende Geschichte der Berge in der Neuzeit

Schwabe Verlag
Basel 2011
ISBN 978-3-7965-2711-1
CHF 58.-
www.schwabe.ch

Fünf Kilometer zur nächsten Kuh

Niemand sei mehr als fünf Kilometer von der nächsten Kuh entfernt, schreibt Marc Valance in diesem Band, der sich der Kuh nähert bis unter die Haut, bis in den Pansen hinein und von diesem wieder hinaus übers Euters, über die Fleischfasern in die industrielle Weiterverarbeitung. Kein Tier sonst, dass sich so vehement und allumgreifend in die schweizerische Seele eingenistet hat. Kein Tier sonst, dass wir so für unsere Zwecke (meist profitabel orientiert) zum Nutztier verbogen haben.

Man lernt ganz schön viel: Wie die Kuh zum Schweizer kam, wer bei der Kuh der Ochse ist und welche Farben er hat, was die Götter mit der Kuh anstellen, wie die Kuh in die Dose und auf die Unterhose kam, wie sie unsere Landschaft mit- und umgestaltet, wie man eine Kuh folkloristisch kompensiert und warum die Kuh am Umweltproblem sowie am Butterberg schuld ist und warum wir ihr die Schuld geben. «Die Kuh hat ein grosses Maul, aber sie schweigt», sagt Krüsi. Da hören wir ihr gerne zu. Fünf Sterne von der zalp-Redaktion. gh

Marc Valance:
Kühe


Schriftenreihe Vontobel-Stiftung,
Zürich 2010
gratis
www.vontobel-stiftung.ch

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