Der Name Endling klingt so traurig wie das Phänomen, das er beschreibt: die jeweils letzten Individuen einer Tierart, die in Gefangenschaft sterben. Zu den bekanntesten Endlingen gehört etwa die Wandertaube Martha, die 1914 im Zoo von Cincinnati starb, oder Lonesome George, eine Galapagos-Riesenschildkröte, die 2012 über 100-jährig in einem Gehege verendete.
Der deutsche Biologe Bernhard Kegel stellt in seiner Publikation allerdings nicht ausschliesslich Tiere vor, die in jüngerer Zeit ausgestorben sind, sondern blickt weit ins Anthropozän zurück, als der moderne Mensch begann, sich auf der Erde auszubreiten. Auch wenn wie etwa beim Riesenwombat, beim Höhlenbären oder beim Riesenfaultier (Tiere, die alle bereits vor mehreren Tausend Jahren ausgestorben sind) die Gründe für das Verschwinden nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden können, so dürften nicht nur die Klimaveränderungen, sondern auch die Jagd eine wesentliche Rolle gespielt haben. Dies gilt für fast sämtliche der über 50 präsentierten Tiere. Kegel legt den Fokus dabei auf Säugetiere und Vögel, allerdings mit dem Hinweis, dass der allergrösste Teil der ausgestorbenen und aktuell vom Aussterben bedrohten Tierarten zu den Wirbellosen (Insekten, Krebse, Würmer, Quallen, Schnecken u. a. m.) gehört. Die Wirbellosen umfassen weit über 90 Prozent aller Tiere und nur ein Bruchteil wurde überhaupt entdeckt, d. h. sind wissenschaftlich beschrieben.
In jeweils kurzen Einschubtexten erfährt man einiges rund um das Thema Artensterben – auch zur Wiederentdeckung ausgestorben geglaubter Tiere, zu Experimenten mit alter DNA oder zu Rückzüchtungen, resp. Abbildzüchtungen wie im Falle des Auerochsen. Das Besondere der Publikation liegt nicht unbedingt in neuen Erkenntnissen zum beschleunigten Rückgang der Artenvielfalt. Die ausgesprochen sorgfältig gestalteten Tierportraits mit jeweils einer Informationsseite zum Tier, seinem Lebensraum und den Gründen für sein Verschwinden plus einer Seite mit Lithografien und Aquatinta-Abbildungen handeln das Thema nicht einfach auf wissenschaftlicher Ebene ab, sondern geben den ausgestorbenen Tieren in durchaus berührender Weise ein «Gesicht» und eine Geschichte und – wie im Fall von Martha und George – sogar einen Namen. (an)