Bücher

Muh, muh, muh: Alles Rind hier

Das Buch will viel: Es berichtet über die Evolution, die Anatomie, das Sozialleben und das Verhalten des Rindes und über die Beziehung von Mensch und Tier. In vielen Diagrammen, Illustrationen, Fotos, Böxli und leicht lesbaren Texten erfährt man Wissenschaftliches zu Ernährung, Zyklus, Skelett, Krankheiten, Fortpflanzung, Milchbildung, Methanausstoss, Intelligenz, Klaue, Tastsinn, Farbschläge, Rassen, Stellung in der Religion usw. So viel Stoff vom Flotzmaul bis zur Schwanzspitze und wieder zurück, da vermag die Autorin nicht überall in die Tiefe zu gehen. Somit bleiben bei all diesen vielen Antworten auch manche Fragen offen. Trotzdem, wer neugierig ist auf rundum Rind, wird beliefert.

Ähnlich aufgebaute Bücher gibt es im Haupt Verlag über den Hund, das Schwein, das Pferd, die Ziege und die Katze. (gh)

Catrin Rutland
Das Rind

Geschichte, Biologie, Rassen

Gebunden, 224 Seiten, viele Bilder und Illustrationen
Haupt Verlag, Bern 2022
ISBN 978-3-258-08232-5, CHF 36.00
www.haupt.ch

Böse Blicke

Beim Wort «Tatzelwurm» denken wohl die meisten an das bunt bemalte Spielzeug aus einer Reihe beweglicher Holzklötzchen, dessen schlängelnde Beweglichkeit einen als Kleinkind fasziniert hat. Vom Tatzelwurm fasziniert ist offensichtlich auch Ulrich Magin, der sich laut Klappentext als freier Autor seit Langem mit modernen Sagen und unheimlichen Welten beschäftigt. Es geht bei ihm nicht um das Spielzeug, sondern um den höchst rätselhaften Alpenbewohner, der bis in die jüngste Zeit immer wieder gesichtet wird. Die Beschreibungen des Tatzelwurms – oder Stollenwurms, wie er im Berner Oberland genannt wird – sind allerdings so unterschiedlich und sich widersprechend, dass eine zoologische Bestimmung schwierig ist: Mal ist der Körper lang, dünn und geschuppt wie bei einer Schlange, mal gedrungener und nackt, mal hat das Tier nur zwei, dann wieder sechs Beine. Für die einen erinnert der Kopf an eine Katze, andere sehen einen Molch oder gar ein Kleinkind, mal trägt der Wurm ein Krönchen, mal keins. Zu spassen ist mit dem Tier jedoch nicht – im schlimmsten Fall frisst es eine Sennerin oder säuft das Euter der Kühe leer. Meist nehmen die Augenzeugen (es sind fast durchwegs Männer) vor dem stechend bösen Blick Reissaus und nur die Allermutigsten schlagen es tot; dumm allerdings, dass sich der Kadaver entweder gleich vor Ort in giftige Dämpfe auflöst oder die Überreste, selbst wenn sie in ein Museum gebracht wurden, partout nicht mehr auffindbar sind. All diese Schwierig- und Merkwürdigkeiten haben jedoch selbst gestandene Akademiker nicht davon abgehalten, über die Existenz der bisher unentdeckten, d. h. zoologisch nicht taxierten, Tierart zu spekulieren. Das Witzige an Magins leicht und angenehm zu lesendem Buch ist, dass er die Figur des Tatzelwurms nicht nur kulturhistorisch einordnet und nach natürlichen Erklärungen – etwa Verwechslungen mit anderen Tieren – sucht, sondern in gut kryptozoologischer Manier bis zum Schluss immer wieder offenlässt, ob an den Berichten vielleicht nicht doch «was dran ist». Schliesslich hat bis heute auch noch niemand abschliessend bewiesen, dass es den Yeti oder den kanadischen Bigfoot nicht gibt ... (an)

Ulrich Magin
Der Tatzelwurm

Porträt eines Alpenphantoms

Paperback, 230 Seiten, div. Abbildungen
Edition Raetia 2020
ISBN 978-88-7283-736-8, CHF 29.90
www.raetia.com

Vergangene Zeiten

Die aktuell omnipräsenten Berichte über das Alpleben in Film, Büchern und Zeitschriften haben oft – gewollt oder ungewollt – einen mehr oder weniger romantisierenden Touch. Von dieser Form Romantik ist in den drei vom Innsbrucker Historiker Georg Jäger zwischen 2019 und 2021 veröffentlichen Bänden «Vergessene Zeugen des Alpenraums» wenig zu spüren. Jäger, der selbst aus einer Tiroler Kleinbauernfamilie stammt, schildert darin ausführlich die teilweise von extremer Armut geprägten Lebenswelten der ländlichen Unterschichten. Der Fokus seiner Arbeit liegt hauptsächlich auf den Verhältnissen in den südwestlich von Innsbruck gelegenen Stubaier Alpen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er Jahre. Nicht wenige der zahlreichen Abbildungen beinhalten indes auch Motive aus der Schweizer Alp- und Berglandwirtschaft. Zwar stellt Jäger zu Beginn des ersten Bandes ausführlich die Sozialstruktur der abgelegenen ländlichen Gesellschaft dar, die durch den Gegensatz von reichen, grundbesitzenden Bauern und meist bitterarmen, sogenannten «Kleinhäuslern» gekennzeichnet war. Trotzdem handelt es sich bei den drei Bänden nicht um eine sozial- oder kulturwissenschaftliche Analyse, sondern eher um eine Sammlung von Sekundärquellen (Reiseliteratur, volkskundliche Literatur, Zeitungsberichte, biografische Erzählungen u. a. m.).

Band 1 widmet sich der Arbeit der «Männer und Buben», konkret den Maulwurf- und Schermausfängern (die teilweise gut verdienten, da aus den Maulwurffellen Pelzmäntel für die «bürgerliche Damenwelt» hergestellt wurden) und den Ziegenhirten. Band 2 berichtet über von «Frauen und Mädchen» ausgeübte Tätigkeiten als Kraxenträgerinnen, Wäscherinnen, Wildheuerinnen, Wurzengraberinnen, «Jätergitschen» u. a. Der dritte Band schliesslich handelt von den Sennerinnen – anders als in der Schweiz war die Milchverarbeitung in den Tiroler Alpen weitgehend Frauensache – sowie der Hochgebirgsjagd und der Wilderei. Etwas irritierend ist die von Jäger ausser beim Thema Wilderei konsequent durchgezogene Zuordnung der dargestellten Tätigkeiten nach Geschlechtern, obwohl viele der Tätigkeiten nicht geschlechtsabhängig waren – ging es nicht gerade ums Stricken oder Wäschewaschen. Fliessend konnten die Geschlechtergrenzen offenbar auch bezüglich der äusseren Erscheinung sein, was sich nicht nur in einzelnen Abbildungen, sondern etwa auch im Bericht eines deutschen Studenten spiegelt, der im Hochgebirge plötzlich vor starken Wildheuerinnen «mit männlichen Zügen» stand, die gleichzeitig Männerhosen und Mieder tragend unablässig an kurzen Tabakspfeifen zogen. Daneben vermag Jäger aber eindrücklich zu zeigen, wie stark das ökonomische Überleben dieser Unterschichten von der Arbeit der Frauen abhing und welch immenser, heute nicht mehr annähernd vorstellbarer Arbeitsbelastung diese ausgesetzt waren. Die drei Publikationen eignen sich nicht unbedingt zum Durchlesen, dazu ist die Präsentation der Quellen oft zu repetitiv und die Literaturangaben direkt im Text hindern den Lesefluss. Es lässt sich aber bestens ausgiebig darin schmökern und mit Bild und Text in vergangene Zeiten abtauchen. (an)

Georg Jäger
Vergessene Zeugen des Alpenraums

Bd. 1: Männer und Buben bei der Arbeit
Gebunden, 192 Seiten, ca. 90 Abb.
Kral-Verlag 2019
ISBN 978-3-99024-827-0, CHF 38.50

Bd. 2: Frauen und Mädchen bei der Arbeit
Gebunden, 336 Seiten,
Kral-Verlag 2020
ISBN 978-3-99024-888-1, CHF 30.20

Bd. 3: Auf der Alm und im Gamsgebirge
Gebunden, 456 Seiten
Kral-Verlag 2021
ISBN: 978-3-99024-958-1, CHF 31.20

www.kral-verlag.at

Ausbeutung und Anpassung

Seit 2013 findet im vorarlbergischen Montafon in unregelmässigen Abständen unter dem Titel «Montafoner Gipfeltreffen» eine Tagung von Historiker:innen unterschiedlichster Ausrichtung zu Themen rund um den Lebensraum «Berg» statt. Die Referate werden anschliessend in einem Sammelband publiziert. Das 4. Treffen im Winter 2018 stand unter dem Titel «Wirtschaften in den Bergen». Es ist ein Markenzeichen der Tagungen, dass das Thema sowohl geografisch wie zeitlich sehr breit angegangen wird: von der Antike bis in die Gegenwart, vom Hindukusch bis in die Anden. So findet sich im Sammelband neben vielen anderen ein Aufsatz zur pharaonischen Goldgewinnung in der nubischen Wüste neben einem Beitrag zur Kunstgeschichte Vorarlbergs vom 15. bis ins 18. Jahrhundert oder einem Text zur Verköstigung der Besucher:innen von Alpenvereinshütten im 19./20. Jahrhundert. Obwohl im Untertitel der Publikation auch von «Hirten» die Rede ist, kommt ihnen leider wenig Beachtung zu. Neben Themen zu Handels- und Verkehrsrouten dreht sich eine Mehrzahl der Beiträge um Bergbau und Tourismus. Verschiedene Beiträge des Sammelbandes machen deutlich, dass Bergbewohner:innen angesichts der schwierigen Umwelt- und Lebensbedingungen zu allen Zeiten und an allen Orten ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit brauchten. Dazu gehörten (halb-)nomadische Wirtschaftsformen ebenso wie Formen temporärer Arbeitsmigration, von der das Montafon lange Zeit stark geprägt war. Anpassungsbereitschaft verlangte auch der Tourismus, der im Alpenraum Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Die damit einhergehenden Umwälzungen wurden dabei nicht nur passiv erduldet, sondern durchaus auch innovativ genutzt. Davon zeugt u. a. das in frühen Reisebeschreibungen verbreitete, etwas zwiespältige Lob der besonderen «Geschäftstüchtigkeit» der Alpenbewohner:innen. Die extreme inhaltliche Bandbreite des Sammelbandes lässt das gewählte Thema etwas arg schwammig und beliebig wirken. Gleichzeitig verleitet sie aber dazu, den Blick über das eigene, oft recht beschränkte Interesse hinaus zu weiten und damit auch grössere Zusammenhänge zu entdecken. (an)

Michael Kasper et al.
Wirtschaften in den Bergen
Von Bergleuten, Hirten, Bauern, Künstlern, Händlern und Unternehmer

Gebunden, 527 Seiten, 90 s/w-Abb.
Böhlau Verlag 2020
ISBN 978-3-205-21134-1, € 55
www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

Antikitsch 1: Tourismusexzesse in den Alpen

In einer zalp zum Thema Kitsch darf Lois Hechenblaikner nicht fehlen, Fotograf in Sachen Dokumentation von enthemmtem Tourismus in Tirol. Hechenblaikner kombiniert Schwarzweissfotografien der Landwirtschaft in den 50er bis 70er Jahren mit Farbbildern über Tourismusexzesse. So laufen auf dem einen Bild Schafe dem Hirten nach, auf dem anderen jubelt das Publikum dem Schlagerstar Hansi Hinterseer zu. Oder die Kombination besteht aus Lawinenschutt und Autolawine, aus Madonnen- und Prostituiertenbildchen, aus hingestellten Milchkannen und einem Haufen leergetrunkener Bierfässer. Die Sichtung lässt einen auflachen und erschauern zugleich. Ein Buch, das nachwirkt. (gh)

Lois Hechenblaikner
Hinter den Bergen

Gebunden, 160 Seiten, 120 Abbildungen
Steidl Verlag, Göttingen 2021
ISBN 978-3-86930-737-4, CHF 42.90
www.steidl.de

Antikitsch 2: Gnadenlos

Das Buch ist der Monolog des Bauern Paul, der im Jähzorn seine Frau Vulva schlägt, für die Kinder keine Namen hat, rundum gegen die Welt prügelt und manchmal Trost bei seinen Tieren findet. Kein schönes Buch. Alles wirkt beklemmend, brutal, kalt. Paul ist in sich gefangen, unfähig zu sprechen, zu kommunizieren, und hält hier seine 300-Seiten-Rede, schockierend ehrlich ohne einen Hauch von Verteidigung. Die Autorin zwingt uns, in Pauls verstörter Seele nach Menschlichkeit zu schaufeln, weil wir nicht wollen, dass es hier keine gibt. Und so sind wir schon froh, dass es Paul wenigstens mit den Tieren kann. Schwer verdaubar, kalter Schweiss unvermeidlich, ein grosses Stück Literatur. (gh)

Noëlle Revaz
Von wegen den Tieren

Gebunden, 312 Seiten
Urs Engeler, Schupfart 2004
ISBN 978-3-905591-81-1, CHF 33.00
www.engeler.de

Per Ausschlussverfahren

Wer braucht denn heute noch ein Buch, um Pflanzen zu bestimmen? Dafür gibt es doch Apps zuhauf, die per Klick, Touch und Wisch endlos Bilder und Informationen über den Bildschirm spucken. Stimmt. Vorausgesetzt: genügend Akku und Internet, kein allzu helles Sonnenlicht, das Handy liegt nicht zerbrochen unter einer Klaue. Und manchmal hat man einfach das Verlangen nach biz blättern. Peter Kammers Buch verfolgt grundsätzlich das Bestimmen über Ausschliessmerkmale. Man beginnt mit einem Kriterium (z. B. holzig – nicht holzig), wird dann je nach Entscheid ans nächste Kriterium verwiesen, wo man sich wieder entscheiden muss usw. – bis man bei der einzigen Pflanze landet, die allen Eigenschaften entspricht. Fachwissen ist dabei nicht nötig, die Begriffe sind selbsterklärend. Mit dem Verzweigen durch all die Kriterien wird einem etwas Geduld abverlangt. Wer Abkürzungen liebt, greift doch zu einer App wie «PlantNet» und kombiniert deren oft unsicheres Ergebnis mit den im Buch beschriebenen Detailmerkmalen. Win-win. Ansonsten folgt das Buch vielen anderen Bestimmungsbüchern: Die Motive der Bilder sind gut gewählt, die Charakteristiken der Pflanzen ersichtlich, der Umfang mit 700 Arten samt Bäumen, Sträuchern und Gräsern ausreichend. Interessant und oft überraschend sind die Beschriebe in der Rubrik «Wissenswertes». Leider ist der Druck zu dunkel geraten. gh

Peter M. Kammer
Alpenpflanzen einfach bestimmen

Haupt Verlag 2021
Paperback, 416 Seiten, 850 Fotos, 180 Illustrationen
ISBN 978-3-258-08230-1
CHF 37.90
www.haupt.ch

Flugobjekt der Superlative

Der grösste aller Vögel in den Alpen. Knapp 3 Meter Spannweite, 5 bis 7 Kilo Gewicht. Maximale Nutzlast 2,5 Kilogramm. Das ist der Bartgeier. Im Himalaya siedelt er in Höhen bis 7500 m ü. M., fühlt sich aber am Rande der Wüste Gobi ebenfalls zu Hause. Er kann bis zu 25 Zentimeter lange Knochen in einem Stück verschlucken, auch wenn sie 6 Zentimeter breit sind. Da kann es dann 30 Stunden dauern, bis die sauren Magensäfte den Knochen vollständig aufgelöst haben. Knochen decken bis zu 90 Prozent des Futterbedarfs eines Bartgeiers, 200 bis 300 Gramm pro Tag genügen ihm. Trotzdem: Eine Bartgeierfamilie verspeist Knochengerüste von jährlich 50 bis 70 Steinböcken, Gämsen oder Schafen etc. Dies und noch ein grosser Haufen mehr an Flügelfedern und Knochengerüsten ist zu lesen – und auf schnabelscharfen Bildern zu schauen – im frisch herbeigeflogenen Bartgeierbuch aus dem Hause Haupt. Es geht um Ansiedlung, Leben und Tod des Bartgeiers in allen Aspekten. Und nicht zuletzt um unser Tun für und gegen ihn. Beim Barte des Geiers: ein abendverschlingendes Buch. gh

Weyrich, Baumgartner, Hegglin, Lörcher
Der Bartgeier

Seine erfolgreiche Wiederansiedlung in den Alpen

Haupt Verlag 2021
Geb., 248 Seiten, 206 Fotos
ISBN 978-3-258-08192-2
CHF 48.00
www.haupt.ch

Rentiert nicht. Muss weg.

Der Titel eine Nummer, da weiss man: Das wird traurig. Der Bildband ist denn auch so etwas wie die Trauerarbeit des Fotografen Tomas Wüthrich, der die Hofaufgabe seiner Eltern ein Jahr lang begleitet hat. Vor zwanzig Jahren war das, in Kerzers, am Ufer des Grossen Moos. Es ist eine Geschichte unter vielen, doch jedes Mal eigens und persönlich erlitten von den jeweiligen Bäuerinnen und Bauern. Pro Tag werden mehr als zwei Landwirtschaftsbetriebe gemordet. Das Mantra: «Immer grösser, immer effizienter» dreht weiter seine Runden in den Köpfen vom BLW, Bauernverband, Landwirtschaftsschulen und auch in manch einem Bauern. Das tut weh, der Ruth und dem Hans zuzuschauen, wie sie zum letzten Mal ins Heufeld ziehen, zum letzten Mal der Kuh beim Gebären zuschauen, mit veralteten Maschinen und Gerätschaften gegen Windmühlen der Ökonomie ankämpfen, um am Schluss mit dem Besen den leeren Stall zu fegen. Eine Galerie des Untergangs in rauen, grobkörnigen Schwarzweissbildern. Den Rahmen bilden zwei sinnreiche Texte, wovon der eine nah am Bauerpaar ist, der andere die Fotografie einordnet. Die Schwere insgesamt beim Lesen und Schauen muss man aushalten können. Für Ruth und Hans war sie blanke Realität. gh

Tomas Wüthrich
Hof Nr. 4233
Bildband mit Texten von Peter Pfrunder und Balz Theus Es gibt eine deutsche und eine franz. Ausgabe

Scheidegger & Spiess 2021
Gebunden, 168 Seiten, 73 Duplex-Bilder
ISBN 978-3-85881-681-8
CHF 49.00
www.scheidegger-spiess.ch

Ein Käsemärchen

Was passiert, wenn Frau Weibel käst? Es gibt Käse und eine Geschichte. Ein Märchen, entstanden im Flow der durch die Schmierhände flutschenden Mutschlis und kreisenden Käsebürsten. Vielleicht war auch ein klein bisschen Geist Ammoniaks mit dabei. Es geht summa summarum um den Ursprung des Käses – die Zeit bevor wir Menschen lernten, wie er zu machen ist. Und da ist die gwunderfitzige Johanna, die nicht aufhört zu fragen und spienzeln, woher der Käse kommt. Auf ihrer Forschungsreise begegnet Jo manch rundgereifter Weisheit und zuletzt ist sie nicht unschuldig, dass der Käse nicht von irgendwo, sondern durch unserer Hände Arbeit auf dem Tisch landet. gh

Cecile Weibel
Warum der Käse wie der Mond ausschaut

Eigenverlag 2020
Ungebunden, 40 Seiten

CHF 20.–
Bestellbar bei cecileweibel@gmx.ch

Versammelter Eigensinn mehrerer Generationen

In «Milch» ermöglicht uns Christian Heumader, am Leben der Bergbäuerinnen und Bergbauern im Allgäu teilzunehmen. Die Erzählungen im Buch handeln vom Arbeitsalltag, von Erinnerungen an früher und Gedanken über mögliche Zukunftsszenarien. Die Geschichten, auf Dialekt und Hochdeutsch, sind frisch, direkt und regen zum Diskutieren an. Handwerklich ausgereifte Schwarz-Weiss-Bilder von Kulturlandschaften und deren ProtagonistInnen, Tieren inklusive, sowie Statistisches über das Hofsterben bereichern das 300-seitige Buch zusätzlich. Den Köpfen im und hinter dem Buch gelingt es, nicht im nostalgischen Früher zu verweilen, sondern durch unterschiedliche Perspektiven auch aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Berglandwirtschaft aufzuzeigen. Das Buch macht Mut, standardisierten Lösungen und amtlichen Vorschriften durch Eigensinn etwas entgegenzusetzen. jm

Christian Heumader
Milch

Allgäuer Bergbauern und Bergbäuerinnen erzählen

BergWegVerlag 2020
Gebunden, 304 Seiten,
viele sw-Fotografien
ISBN 978-3-00-066273-7
EUR 48.50, CHF ca. 80.–
www.bergwegverlag.de

Lieblos eingedampft

Das Sixpack «Wege zum Alpkäse», die Reihe mit gut 470 portraitierten Käsealpen im Berner Oberland aus den Nullerjahren, ist veraltet und zum Teil vergriffen. Im Sommer 2020 frisch erschienen ist ein Folgebuch mit insgesamt 240 Käsealpen. Leider ist es lieblos gestaltet und würzlos gekürzt. Technische Angaben wie z. B. Stosszahlen oder Weideflächen fehlen, historische oder kulturelle Hinweise auf Architektur und Sagen sind im Bschüttloch verschwunden. Schade auch, dass auf den Bildern kaum mehr Älplerinnen und Älpler die Seiten schmücken. Neu hinzugekommen ist der Hinweis Alpbeizli Ja oder Alpbeizli Nein, geblieben sind die Angaben zur Lage der Alp, zu Besonderheiten und Kontaktadressen. gh

Wege zum Alpkäse Berner Oberland
240 Käsealpen im Porträt

Werd und Weber 2020
Paperback, 532 Seiten, viele Bilder
ISBN 978-3-03818-257-3
CHF 53.90
www.alpbeizli.ch
www.weberverlag.ch

Vom Wert des lokalen Wissens

Der Berliner Kulturanthropologe Christian Reichel ist zwischen 2011 und 2014 in Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes der Frage nachgegangen, wie die Bewohner*innen des hochalpinen Safientals den längerfristigen Wandel des Klimas wahrnehmen und bewerten und vor allem, wie sie mit den neuen Herausforderungen umgehen. In seiner wissenschaftlichen, aber durchaus auch für Laien lesbaren Publikation stellt er nicht nur die Ergebnisse seiner offensichtlich mit viel Empathie durchgeführten «Feldforschung» vor, sondern bietet auch einen vertieften und hoch reflektierten Einblick in die methodischen Fragestellungen kulturanthropologischer Arbeit. Dabei plädiert er mit Blick auf Politik und Wissenschaft entschieden dafür, das breite und historisch tradierte lokale Wissen der Menschen vor Ort miteinzubeziehen, wenn es um die Realisierung technischer Massnahmen geht – seien das bauliche Schutzmassnahmen, Zonenpläne oder auch naturerhaltende Bewirtschaftungsformen. Das eigentlich Innovative am Projekt ist jedoch eine als Kommunikationsplattform gedachte online zugängliche Multimediakarte, in die das Wissen aller Akteur*innen bezüglich Naturgefahren wie Lawinen und Murgänge einfliesst. an

Christian Reichel
Mensch – Umwelt – Klimawande
l
Globale Herausforderungen und lokale Resilienz im Schweizer Hochgebirge

transcript Verlag 2020
Kartoniert, 295 Seiten, 55 Abbildungen, Online-Karten
ISBN 978-3-8376-4696-2
CHF 56.90
Link zu den Karten: https://multimedia.transcript-verlag.de/safiental/

Das Lächeln der Bakterien

Kennt ihr das Zahlwort Quintillion? So sieht eine Quintillion aus: 1 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000. Mit ihr kann man gut beziffern, wie viele Bakterien es auf der Erde geben könnte, nämlich vier bis sechs Quintillionen – wissenschaftlich geschätzt. Ludger Weß portraitiert in seinem Bakterienatlas fünfzig Arten dieser knubbligen, haarigen, stachligen und sanftgliedrigen Wesen. Er macht dies mit Liebe, Fachwissen und einer gehörigen Portion Ehrfurcht. «Tiere und Pflanzen kommen und gehen, Bakterien aber bleiben und haben bisher noch jede erdgeschichtliche Katastrophe überlebt.» Insgesamt geht es in diesem äusserst schön gemachten Büchlein oft um Geburt und Tod mit gelegentlichen Blähungen. So finden wir Freunde wie Staphylococcus aureus und Escherichia coli oder Propionibacterium freudenreichii unter den Portraits. Klar, als Sennerinnen und Sennen versuchen wir Herr und Frau über die Bakterien zu sein, aber wer Augen und Ohren ins Buch versenkt, kann ein leicht überhebliches Schmunzeln der Bakterien vernehmen. Hört ihr es? gh

Ludger Weß
Winzig, zäh und zahlreich

Ein Bakterienatlas

Naturkunden Band 62
Matthes & Seitz 2020
Gebunden, 280 Seiten, 50 Abbildungen
ISBN 978-3-95757-842-6
CHF 35.90
www.matthes-seitz-berlin.de

Leben und Sterben und Leben

Was für ein schöner Gedanke: «Wenn ich tot bin, sollen mich Raben in die Lüfte tragen.» Der sich das wünscht, ist ein Freund des Biologen Bernd Heinrich und dieser hat ein Gelände in Maine, USA, auf dem er Leichen von Kühen und Schafen verrotten lässt und untersucht, welche Tiere bei welchem Wetter zu welcher Zeit usw. die Kadaver fressen. Das grüne Begräbnis verweigert Heinrich dem Freund, aber mit dessen Wunsch beginnt das Buch «Leben ohne Ende». Der Inhalt handelt von Metamorphosen lebendigen Materials in anderes lebendiges Material. Heinrich erzählt von Käfern, die Mäuse vergraben, von Pilzen, die sich Bäume einverleiben, von einem Pottwal, der sich unter Wasser in unzähliges Leben auflöst – überall wo ein Leben aufhört, wird es zum Futter. Dabei geht er wissenschaftlich vor, seine Studien lesen sich jedoch leicht: Es sind Geschichten eines neugierigen Forschers, gespickt mit Lebensphilosophie. Das Buch hat mich inspiriert. Letzten Sommer habe ich ein tot geborenes Kalb nicht vergraben, sondern in eine Steinwüste gelegt. Der Forscher darf alles. Wie lange würde es wohl dauern, bis der Fuchs, der Wolf, die Kolkis, die Würmer und Insekten den Kadaver verspiesen hätten? Nach einer Woche war praktisch nichts passiert, nach zwei Wochen waren Kopf und Bauch von Würmern zerfressen, nach drei Wochen musste ich weiterziehen. Wurde das Kalb, weil tot bereits vor der Geburt, vom Wildtier verschmäht? Ich weiss es nicht, aber Forschsetzung folgt. Eines jedenfalls ist gewiss: Es sind nicht unbedingt Raben, die einen in die Lüfte erheben, es können auch Würmer sein, die einen in den Boden wuseln. gh

Bernd Heinrich
Leben ohne Ende

Der ewige Kreislauf des Lebendigen

Naturkunden Band 48
Matthes & Seitz 2019
Gebunden, 203 Seiten, Illustrationen
ISBN 978-3-95757-618-7
CHF 48.90
www.matthes-seitz-berlin.de

Macht nicht nur satt

Vom Sura Kees im Montafon zum Höhlenkäse in der Türkei: Ursula Heinzelmann, Käseexpertin aus Deutschland, nimmt den Leser mit zu einem weltweiten, lesbaren Käse-Tasting. In 15 Kapiteln beschreibt sie die Individualität der einzelnen Sorten und unterstreicht diese dabei mit sehr persönlichen Porträts der Käsemacher:innen. «Käse ist immer Konzentrat und Ausdruck einer ganz bestimmten Situation. Er widerspiegelt Landstriche, Wirtschaft, Sozialordnung, Politik, Erinnerungen und Träume», so die Autorin. Für mich als Älplerin ist das zwar keine brandneue Erkenntnis – aber eine gute Erinnerung daran, dass mein Alpkäs nicht nur satt macht, sondern auch eine ganze Welt in sich trägt. Werde ihn in Zukunft mit mehr Achtung hinunterschlingen. Das Buch ist das richtige Geschenk für den geleckten Käsenerd aus Zürich. Oder für die Sennerin, die nächstes Jahr aus der Schotte mal was anderes machen will als Ziger oder Schweinefutter. Auf jeden Fall muss es zusammen mit einem Stück Käse verschenkt werden. Vielleicht ja ein schicker Mascarplin aus Graubünden. Wo’s den gibt, steht im Buch. js

Ursula Heinzelmann
Vom Käsemachen

Tradition, Handwerk und Genuss

Suhrkamp Insel Verlag 2018
Gebunden, 235 Seiten,
wenige Fotografien
ISBN 978-3-458-17767-8
CHF 29.90
www.suhrkamp.de

Komplexes gut erklärt

Du weisst alles über Ökonomie und alles über Freihandel – oder du bist dir bei beidem unsicher? Egal, dieses schmale Büchlein erklärt dem Unwissenden vieles und der Alleswissenden wird das Wissen an den rechten Ort platziert. Binswanger kann einen komplexen Sachverhalt so aufdröseln, dass einem das Lichtlein aufgeht, auch wenn man von Elektrizität nichts versteht. Zuerst legt Binswanger dar, woher das Mantra kommt, dass steigender Wohlstand den Freihandel benötige und dass es ein alter Gipsvogel ist, der da in den Köpfen der Ökonomen nistet. Wobei es ihm dabei in erster Linie um den Agrarfreihandel geht, nicht um den Freihandel bei anderen Gütern und Diensten. Als Zweites erklärt er, wieso der Bauer immer weniger verdient, hingegen die Verarbeitung und der Handel immer mehr. Als Drittes: Agrarfreihandel nützt den Bauern in Entwicklungsländern nichts, sie geraten dadurch in dieselbe landwirtschaftliche Tretmühle wie die Bauern hier: Immer mehr produzieren zu immer günstigeren Preisen. Binswangers Fazit: «Freihandel führt nicht zu befreiten Bauern, sondern zur Befreiung vieler Länder von ihren Bauern.» Ueli Maurer und Bundesamt für Landwirtschaft: Bitte lesen. gh

Mathias Binswanger:
Mehr Wohlstand durch weniger Agrarfreihandel

Gebunden, 100 Seiten
Picus Verlag 2020
ISBN 978-3-7117-2094-8
CHF 21.50
www.picus.at

Der optimistische Wanderer

Wir erinnern uns an die whatsalp-Tour von Wien bis Nizza dem Alpenbogen entlang, 1800 Kilometer, 119 Tage (zalp 29/2018). Einer, der schon bei TransALPedes 1992 dabei war, der Geograf Dominik Siegrist, erzählt im «Alpenwanderer» aus persönlicher Sicht seine Eindrücke. Was hat sich in den 25 Jahren verändert, wie ist der heutige Stand von Leben, Wirtschaft, Tourismus, Kultur, Natur? Oder mit anderen Worten: Wie steht es mit der Abwanderung und Überalterung, mit Verwilderung und Kulturlandverlust, mit der Verschandelung und Umweltzerstörung durch Energiekonzerne, Tourismusorganisationen und Autobahnlobby? Wenn man sich durch die chronologischen Tagebucheinträge und die leider sehr kurz gehaltenen «Themenfenster» liest, wird einem bewusst: Es ist wie anderswo auch. Was an Natur oder Kulturlandschaft, an Dorfleben mit diversen Initiativen gerettet werden wollte, hat teils funktioniert und teils nicht. Die whatsalp-Wandersleute verköstigen sich zwar vermehrt mit regionalen Produkten auf Bio-Bauernhöfen, aber ebenso sind Gebiete verlassen worden, konnten Strassenprojekte nicht aufgehalten werden, ist der «Funpark Alpen» ausgebaut worden. Siegrist bleibt insgesamt optimistisch, nur wird einem nicht ganz klar, wieso. gh

Dominik Siegrist:
Alpenwanderer

Eine dokumentarische Fußreise von Wien nach Nizza

kartoniert, 232 Seiten
Haupt Verlag 2019
ISBN 978-3-258-08122-9
CHF 29.–
www.haupt.ch

Historischer Tanz auf der Allmende

In elf Beiträgen geht es um das gemeinsame Bewirtschaften von Land. So, wie wir es von der Alp her kennen: mit Genossenschaften und Korporationen. Das Buch diskutiert und behandelt in meist historisch orientierten Beiträgen, wie man das macht, machen kann, woher das kommt, wohin das gehen könnte, wie man das alles sehen kann und wie es von WissenschaftlerInnen verschieden gesehen wird. Dabei geben sich die Beiträge etwas sperrig, ausser man kann neben Deutsch auch gut Französisch und Italienisch und versteht diese drei Sprachen in wissenschaftlich geprägter Form. Interessant sind die Artikel zu den Aushandlungen: Welche Kräfte wirkten in welcher Form auf das Miteinander beim Bewirtschaften der Alpen? Wie agierten Gemeinde, Kanton, Bund, Interessengruppen wie Forst, Umweltschutz, Schweizerischer Alpwirtschaftlicher Verein, und wie die Bauern und Älpler? Was löste ein Alpkataster, was lösten die ersten Subventionen aus? Wie haben sich die Genossenschaften/Korporationen entwickelt? Können wir von diesem Rückblick für das Weitergehen etwas lernen, profitieren? Antworten und Diskussionen dazu im Buch. gh

Head-König, Lorenzetti, Stuber, Wunderli (Hg.):
Pâturages et fôrets collectifs / Kollektive Weiden und Wälder

Économie, participation, durabilité / Ökonomie, Partizipation, Nachhaltigkeit

kartoniert, 296 Seiten
Chronos 2019
ISBN 978-3-0340-1533-2
CHF 38.00
www.chronos-verlag.ch

Ein lehrreiches Buch für jede Alphütte

Dem aufmerksamen Beobachter verraten Alpenpflanzen mit ihrem jeweilig spezifischen Wuchs und ihren eigenwilligen Blüten- und Blätterformen viel über Überlebensstrategien im klimatisch anspruchsvollen Alpenraum. Dieses Buch hilft einem beim Erkennen dieser Merkmale. In einer kurzen Einleitung zeigen die Autoren den geschichtlichen Hintergrund der Alpenpflanzen auf und mit welchen Strategien sie die vielfältigen Lebensräume der Alpen besiedeln konnten. Einige Arten sind nach Lebensräumen geordnet, andere nach Überlebens- oder Vermehrungsstrategien. Neben den Samenpflanzen haben auch einige Bärlappe, Farne und Flechten den Weg in das Buch gefunden. Die mit dem Lebensraum einhergehende «Überlebensstrategie» ist für jede Art kurz beschrieben. So erfährt der und die Lesende z. B. spannende Details über Sinn und Funktion glänzender Blätter bei der Silberwurz an sonnigen oder den Vorteil des Polsterwuchses des Schweizer Mannsschilds an kalten Standorten. Die anatomischen Merkmale der 50 Arten beschreiben die Autoren mit genauer Beobachtungsgabe in den Artenporträts, welche mit Illustrationen ergänzt werden. Interessant sind auch die Abschnitte über Vorkommen und Verbreitung der Pflanzen sowie deren Wirkung als Heilpflanzen. Der Einfluss des Menschen auf die Alpenpflanzen wird kritisch dargestellt und regt zum Nachdenken an. Die Symbiose von einfach verständlichen sowie wissenschaftlich fundierten Details über die spannenden Arten macht dieses Buch zu einem unverzichtbaren Bestandteil für jede Alp- oder Berghütte. Martin Götsch

Schauer, Caspari:
Überlebenskünstler

50 aussergewöhnliche Alpenpflanzen

Gebunden, 256 Seiten, viele Bilder und Illustrationen
Haupt Verlag 2019
ISBN 978-3-258-08079-6
CHF 39.00
www.haupt.ch

Zum Beispiel die Gestaltungsmacht der Rinder

Schöne Bücher animieren zum Lesen. Wenn dann auch noch der Inhalt überzeugt, sind wir rundum angeregt – ein Glücksfall. Das Gleiche gilt für Webseiten. Wer mal (wieder) eine solche Erfahrung machen will, gebe www.aether.ethz.ch ein und freue sich über die Kreativität, die einem da entgegensprudelt. Für die dritte Ausgabe der ETH-Reihe Æther haben sich WissenschaftlerInnen mit der Alpenforschung um 1750 auseinandergesetzt. Sie haben Bilder, Gegenstände und Texte von damals angeschaut und gelesen und dann jene Themen bearbeitet, die sie bei dieser Durchsicht besonders faszinierten: die Gestaltungsmacht der Rinder zum Beispiel; das Himmelsblau als Thema und Fragen von Landschaftsmalerei und Alpinismus; das nomadisierende Leben der Bergbevölkerung; die Vermarktung von Alpenprodukten und anderes mehr. Eine bunte Text-Bild-Mischung ist dabei entstanden, geistiges Stimulans und Augenweide in einem. Rahel Wunderli

Æther 03:
Montan-Welten

Alpengeschichte abseits des Pfadesn

intercom Verlag 2019
Online: www.aether.ethz.ch
Printausgabe: www.intercomverlag.ch/shop

Wo denn sonst?

Sterben in den Bergen – ja wo denn sonst? Der Möglichkeiten sind viele: im Bett, im Stall, in der Felsspalte, auf der Kinoleinwand, unter der Lava, im Eis, in der Lawine, im Tunnel, im Krieg, als Nahrung für die Berggottheiten, unter einer Mutterkuh. Von Letzterem berichtet dieses Buch zwar nicht, aber ansonsten wird vom Sterben berichtet, so weit die Zeitachse reicht und so weit die Berge sich auf der Erdkugel erheben. Thematische, geografische und historische Breite also. Das Buch ist der Zusammenzug von 24 Vorträgen am Montafoner Gipfeltreffen 2016 im österreichischen Schruns. Wir lesen zum Beispiel vom «Jahr ohne Sommer» 1816, wo das Vieh wegen Schneefalls dreimal von den Alpen runtermusste, die Ernten in Europa aufgrund von Vulkanausbrüchen, klimatischen und politischen Wirren knapp ausfielen, der Hunger ein historisches Mass erreichte. Auf den Teller kamen gesottenes Heu, Blacken, frisches Gras, Wurzeln. Auszehrung und Lungensucht rafften viele Menschen dahin, auch von einem erfrorenen Alphirten ist die Rede. Oder wir lesen von Tod und Gemetzel in Heimatfilmen, von Intrigen gepaart mit der Kraft von Lawinen und Gewehren, über allem thront die unbezwingbare Natur usw. Ein Beitrag reist knapp vor das gelobte Land, wo Mose auf Gottes Befehl auf den Berg Nebos steigt und zum letzten Mal mit Gott spricht. Der Berg als Ort, wo Mose berufen wurde, wo Mose seinen Bruder begraben hat, wo Mose Gebote und Gesetze Gottes erhalten hat, wo Mose stirbt. gh

Kasper, Rollinger, Rudigier (Hg.):
Sterben in den Bergen

Realität – Inszenierung – Verarbeitung

Gebunden, 461 Seiten
Böhlau Verlag Wien 2018
ISBN 978-3-205-20012-3
CHF 52.90
www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

Faszinierend

Die Autorinnen nehmen uns mit auf ihre Reisen rund um die Welt der Landwirtschaft und wie sie sein könnte, wenn wir begreifen würden, dass alles miteinander in Beziehung steht: Mensch, Tier, Pflanze, Boden. Wir besuchen eine Mikrofarm in Frankreich, die grösste solidarische Landwirtschaft in Südkorea, wir diskutieren über den Bauernlohn, ob wir Tiere töten dürfen und wie wir von der Gen-Baumwolle wegkommen. Daneben erfahren wir, dass Erbsen Ohren haben, dass der Regenwurm ein Bioturbator ist und wie die Ulmen mit Parfum gegen den Ulmenblattkäfer vorgehen. Das alles ist verständlich geschrieben, spannend zu lesen und manchmal macht es Knack im Hirn. Zum Ende des Buches wünscht man dessen Gedankengut in die Etagen des Bundesamts für Landwirtschaft und auf die oberen Heubühnen des Schweizer Bauernverbands. In der Hoffnung, sie würden aus ihren Tretmühlen von «immer grösser, immer effizienter» hinausfallen. Von uns haben sie je ein Buch bekommen. gh

Florianne Koechlin, Denise Battaglia:
Was Erbsen hören und wofür Kühe um die Wette laufen

Verblüffendes aus der Pflanzen- und Tierwelt

gebunden, 250 Seiten
Lenos Verlag 2019
ISBN: 978-3-85787-490-1
CHF 33.50
www.lenos.ch

Was sagt mir die Zahl 17?

Das Buch gliedert sich in drei Teile. Erstens: Befragung von 6 BewohnerInnen des Maderanertals, unterschiedlich in Bezug auf Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf usw., zu ihrer Einstellung zur Wildnis. Befund: Eher skeptisch. Zweitens: Befragung von 24 Fachexperten verschiedener Kantone aus Forst, Umweltschutz, Jagd, Landwirtschaft, Tourismus, Raumentwicklung. Ihre Antwort: Es braucht unberührte Gebiete, jedoch lieber woanders als im eigenen Kanton. Drittens: Wildnis-Inventar der Schweiz aufgrund diverser Kriterien und Einschätzungen von Wildnisexperten; Arealstatistik-Vergleich der letzten 24 Jahre. Fazit: 17 Prozent. 17 Prozent Wildnisfläche. Neben den Schutzgebieten Sihlwald und Nationalpark liegen diese Gebiete vor allem im Hochgebirge und rund um die Gletscher. Was sagt mir diese Zahl? Ist das viel oder wenig? Bezogen auf was? Die Kriterien für die Wildnisbeurteilung werden zwar ausführlich erörtert, aber ebenso die vielen Unklarheiten bei der Erhebung der Daten. Was wollen wir von der Wildnis? Muss sie uns nützen oder wollen wir Wildnis nur der Wildnis wegen? Diesen Eindruck hinterlässt das Buch, auch wenn die AutorInnen Aspekte wie Naturerfahrung, Tourismus, Ökoksystemleistungen, Ressourcenschonung, Bildung und Forschung mit in die Wildnisdiskussion tragen. Wer mitreden will, soll lesen. gh

Moos, Radford, von Atzigen, Bauer, Senn, Kienast, Kern, Conradin:
Das Potenzial von Wildnis in der Schweiz

kartoniert, 145 Seiten, 30 Abb., 8 Tab.
Haupt Verlag 2019
ISBN: 978-3-258-08112-0
CHF 36.00
www.haupt.ch

Ein Buch für Kämpfer

Die Autoren konstatieren, dass die Einführung von Umweltmassnahmen bei der Landwirtschaft keine Verbesserungen bei der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität gebracht haben. Sie benennen den Stickstoffeintrag als hauptsächlichen Treiber einer umweltzerstörenden Landwirtschaft – aber seien wir ehrlich, es sind die Menschen. Kurzum: Zuviel Dünger, zuviel importierte Futtermittel, zuviel Heuschnitte, zuviel Pestizide, zuviel Ausrichtung auf industrielle Landwirtschaft bedeutet weniger Biodiversität und weniger Bodenfruchtbarkeit. Der Ausweg aus diesem Dilemma: «Regenerative Milch- und Fleischproduktion». Damit ist gemeint, dass wir mit Mensch, Tier und Natur so umgehen, das sie sich immer wieder regenerieren können. Anhand einer Modellhochrechnung, zweier Hofportraits und zigtausend Zahlen wird bewiesen, dass eine regenerative Landwirtschaft möglich, sinnvoll und erstrebenswert ist. Für die Kühe heisst das: Gras, Heu, Rauhfutter – kein Kraftfutter, kein Silomais. Für die Bauern: extensivere, ökologische Landwirtschaft mit weniger Tieren. Für die Konsumenten: Weniger Fleisch verzehren. gh

Stolze, Weisshaidinger, Bartel, Schwank, Müller, Biedermann:
Chancen in der Landwirtschaft in den Alpenländern

Wege zu einer raufutterbasierten Milch- und Fleischproduktion in Österreich und der Schweiz

kartoniert, 173 Seiten, 24 Abb., 17 Tab.
Haupt Verlag 2019
ISBN: 978-3-258-08099-4
CHF 36.00
www.haupt.ch

Kommt mal runter von der Kuh (1)

Die zwei Bücher «Kuhhorn» und «Von der Würde der Kuh» scharwenzeln um das Themenfeld «Kuh» und unseren Umgang mit ihr. Wir wissen, die Kuh, das Rind ist ein tolles Tier, ein Tier wie wir. Jetzt muss man aber eine Kuh nicht zum Kulttier machen, nur weil sie zuerst unsere Kulturlandschaft frisst und dann auf unserem Teller landet, man muss ihr Wesen nicht übermässig überhöhen und es ist unnötig, die Kuh an ihren Hörnern aufzuhängen um ein Medienstar aus ihr zu machen, weder als methanausstossendes Monster noch als leuchtendes Wesen voller Güte und Liebe – erstes ist Schwachsinn zweites Vermenschlichung (auch daneben).

David Hunziker:
Kuhhorn

Die Würde der Kuh und die Grenzen der industriellen Landwirtschaft

Hardcover, 164 Seiten
AT Verlag 2018
ISBN 978-3-03800-997-9
CHF 19.90
www.at-verlag.ch

Kommt mal runter von der Kuh (2)

Inhaltlich sind sich die beiden Bücher ziemlich ähnlich, es kommen weitgehend dieselben Leute zu Wort. In beiden Büchern finden sich Wissenschaft, Kosmos, Gesellschaftskritik, am Rande etwas Philosophie zum Tier «Kuh» und zum Tier «Mensch». In beiden lesen wir Vieles, was wir an Geräuschen rund um die Kuhhorn-Initiative schon vernommen haben. Das Buch «Kuhhorn» tendiert in Richtung Gesellschaftskritik und Philosophie, das Büuch «Würde» in Richtung Esoterik und Wiedergekäutem aus Martin Otts «Kühe verstehen». Die grossen Fragen: wie geht richtiges Bauern, wie geht eine Landwirtschaft ohne Ausbeutung von Boden und Tieren, diese Fragen werden vielfältig diskutiert – aber sie bleiben. Denn um unsere Beziehung zur Kuh geht es nur am Rande, wenn wir die Kuh in den Stall der Landwirtschaftspolitik stellen. Deren Maxime bleibt weiterhin: Grösser und effizienter, wie dumm und dümmer das auch ist. Da wünscht man sich als Leser, als Leserin mehr Bücher zum Thema «die Würde der Bauern und warum sie verloren geht». gh

Martin Ott, Armin Capaul, Anet Sprengler Neff, Christian Butscher, Eva-Maria Wilhelm:
Von der Würde der Kuh

Aufsätze und Gespräche

Gebunden, 139 Seiten
Fona Verlag 2018
ISBN 978-3-03781-097-2
CHF 28.00
www.fona.ch

Archäologie auf den Alpen

Spätestens seit dem Boom um Ötzi gehört es zum Allgemeinwissen, dass die Alpen in prähistorischer Zeit kein menschenleerer Ort waren. Und spätestens seit einem gross angelegten archäologischen Forschungsprojekt im schweizerisch-österreichischen Grenzgebiet der Silvretta ist bekannt, dass auch die hochalpine Weidewirtschaft inkl. Milchverarbeitung bis ins dritte Jahrtausend v. Chr. zurückreicht. Weitaus weniger im Fokus des Interesses stehen jedoch die mehr oder weniger sichtbaren Überreste von Alphütten, die als Zeugen der historischen Alpwirtschaft praktisch auf jeder Alp zu finden sind. Angesichts der beschränkten finanziellen Mittel werden solche alpine Wüstungen, d. h. in historischer Zeit aufgelassene Gebäude, höchstens dann untersucht, wenn sie durch Bautätigkeiten zerstört werden. Auch die umfangreiche Dokumentation von knapp vierhundert Trockenmauern im östlichen Berner Oberland auf rund 1400 bis 2000 m ü. M., auf die sich Brigitte Andres in ihrer Dissertation stützt, hängt mit Plänen zusammen, die Infrastruktur der hochalpinen Skigebiete auszubauen. Während der sorgfältig erarbeitete Katalogteil trotz seiner Anschaulichkeit eher etwas für Fachfrauen und -männer ist, bietet der Text für alle an der Geschichte der Alpwirtschaft Interessierten eine Fülle an Informationen. Obwohl Fachliteratur, ist der Text gut verständlich geschrieben und angenehm zu lesen. an

Brigitte Andres:
Alpine Wüstungen im Berner Oberland

Ein archäologischer Blick auf die historische Alpwirtschaft in der Region Oberhasli
 
gebunden, 364 Seiten, 187 Abbildungen
Schweizer. Burgenverein 2017
ISBN 978-3-908182-26-9
CHF 70.–
www.burgenverein.ch

Ein Winkel voll Herrgott

Das Buch «Geister, Bann und Herrgottswinkel» zeigt mit vielen Bildern, Informationen und Geschichten, wie sich unsere Vorfahren gegen Geister, Gespenster und andere Bedrohungen zu wehren versuchten. Es erzählt von Zauberbüchern, von christlichen und vorchristlichen Symbolen in Haus und Stall, von Geisterzimmern, von starken Kreuzen, Medaillons und Amuletten, von Kraft besonderer Kräuter, von Zauberwurzeln und Hufeisen, von Lärmbräuchen, von Fruchtbarkeitsritualen und Liebeszauber.

Das Buch führt die LeserInnen auf eine Gratwanderung zwischen Glauben und Aberglauben und animiert zu einer spannenden Auseinandersetzung mit unserer «geistigen» Heimat. Ein sagenhaftes Sagenbuch. gh

Hanspeter Niederberger, Christoph Hirtler:
Geister, Bann und Herrgottswinkel

 
bildfluss-Verlag
Neuauflage Altdorf 2017
ISBN 978-3-9524501-2-3
CHF 50.–
www.bildfluss.ch

Mit Hilfe der Kolkraben

Geschichtlich beginnt das Buch im 16. Jahrhundert mit hölzernen Gämsfallen und dem Ausgraben von Murmeltieren, konzentriert sich dann aber ausführlich auf die Jahre 1910 bis 2014. Haller hat lange recherchiert und legt Fälle von Wilderei (und Morde an Wildhütern) sachlich dar, mittels Karten, Diagrammen und Bildern. Im Nationalpark sind Zahlen zur Wilderei bekannt: In 100 Jahren wurden 77 Wildererbeuten festgestellt: 34 Gämsen, 28 Rothirsche, 9 Alpensteinböcke, 3 Rehe und 3 Steinadler. Rundherum schleicht sich jedoch die Dunkelziffer: Da die Gesetze in den drei Ländern unterschiedlich streng sind, wird Wild über die Grenze getrieben oder mit Salzlecksteinen in das Land mit den weniger straffen Gesetzen gelockt. Die Ausführungen zur heutigen Lage zeigen, dass die Wilderei im Dreiländereck zurückgegangen ist, wenn sie auch in Italien noch beliebter ist als in Österreich oder der Schweiz.

Haller versucht ferner den Gründen von Wilderei nachzugehen, Verständnis hat er indes nicht. Sein Psychogramm zu den modernen Wilderern: Es habe darunter «Draufgänger ebenso wie Duckmäuser, Machtmenschen und Materialisten, Rebellen wie Romantiker und viele andere». gh

Heinrich Haller:
Wilderei im rätischen Dreiländereck

Grenzüberschreitende Recherchen mit einer Spurensuche bis nach Tibet
 
gebunden, 304 Seiten
Haupt Verlag, Bern 2016
ISBN 978-3-258-07965-3
CHF 39.–
www.haupt.ch

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