Bücher

Und über allem klebt das Leid

Neun Geschwister, die Mutter tot, der Vater überfordert, das Portemonnaie leer, ein Bauernhof voller Arbeit – so beginnen die Erinnerungen der Gertrud Gasser. Was folgt, sind aneinandergereihte Schicksalsschläge, die sich wie die Perlen an der Gebetskette eines Rosenkranzes durch das Leben ziehen. Das verlangt nach Geduld, Demut und möglicherweise Gottvertrauen. Nicht ganz alles geht schief: Gertrud findet einen Mann, sie gehen auf die Alp, bekommen Kinder. Gerade bei den Schilderungen der Alperlebnisse leuchtet ein kleiner Funken Glück und Frieden auf. Zuweilen wird es sogar lustig, wenn zum Beispiel eine Kuh die Zeitung einer Touristin verschlingt oder das Kaninchen als blinder Passagier auf dem Autochassis von der Alp über Bern und Biel bis nach Hause mitfährt. Doch wer im Karma der Lebensprüfungen zappelt, für den hält das Schicksal immer noch einen weiteren Schlag bereit. Der Klang des Leids zieht sich wie eine klebrige Masse durch das ganze Buch. Als Lesender möchte man der Älplerfamilie zurufen: Lest weniger in der Bibel, vertraut mehr auf die eigenen Fähigkeiten, trickst das Schicksal aus. gh

Gertrud Gasser:
Heimatlose Älplerfamilie

gebunden, 152 Seiten mit Farbseiten
Mosaicstones, Thun 2018
ISBN 978-3-906959-31-3
CHF 26.80
www.mosaicstones.ch

In den Bergen

Begibt man sich mit Paolo Cognetti im ersten Teil des Romans auf die Reise in die Kindheit, lässt sich durchaus nachvollziehen, dass er dafür mit dem renommierten Buchpreis Premio Strega ausgezeichnet wurde. Seine Erinnerungen an die Sommermonate in einem abgelegenen, vom Zerfall geprägten Bergdorf im Aostatal sind eine sehr berührende Annäherung an die wilde und karge alpine Landschaft am Fusse des Monte-Rosa-Massives, aber auch an die eigene Familiengeschichte und vor allem an die Freundschaft zwischen Pietro,dem schüchternen Knaben aus Mailand, und Bruno, der bereits als Junge im Dorf die Kühe hüten und später auf der Alp seines Onkels mithelfen muss.

Überzeugt der erste Teil durchwegs, so hinterlässt der Roman in der Folge einen eher schalen Geschmack. Die Freundschaft zwischen den Männern bleibt eigenartig spröde, wohl nicht zuletzt, weil die Figur von Bruno, der zutiefst mit seiner Heimat und ihren Bergen verbunden ist, zu offensichtlich ein arg konstruiertes Alter Ego von Pietro darstellt. Wenn der Autor Bruno, ohne dass dieser über einen Talbetrieb verfügen würde, die verlassene Alp seines Onkels wieder herrichten und 28 Kühe kaufen lässt, um diese von Hand zu melken – «Etwas anderes kam für ihn bei diesen empfindlichen Tieren nicht infrage [...]» (S. 184) –, dann ist das nur eine von allzu vielen Stellen, bei denen offensichtlich die Sehnsucht einer urbanen Gesellschaft nach einem archaischen und naturverbundenen Leben bedient wird; wohl auch ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Romans. Da wirkt es geradezu wohltuend authentisch, wenn das Alp-Projekt nach wenigen Jahren an seiner Frau scheitert, da sie von der Plackerei und den Schulden genug hat und mit dem gemeinsamen Kind zu ihren Eltern zieht, auch wenn das in der Konsequenz dazu führt, dass sich Bruno sprichwörtlich für immer in seine Berge zurückzieht. an

Paolo Cognetti:
Acht Berge

gebunden, 256 Seiten
DVA, München 2017
ISBN 978-3-421-04778-6
CHF 29.90
www.randomhouse.de

Vertraute Luft

Die Autorin hat sich auf Frauenportraits spezialisiert: In «Traum Alp» über Älplerinnen, in «Bergfieber» über Hüttenwartinnen. Jetzt also Portraits von Bergbäuerinnen. Schweglers eigener Tonfall überlagert oft den der Bäuerinnen: Die Grundstimmung ähnelt sich auffallend, obwohl die Bäuerinnen ganz unterschiedliche Biografien haben. Bäuerinnen vom alten Schrot und Korn sind nur wenige dabei. Fast alle portraitierten Frauen sind gewordene, nur wenige geborene Bergbäuerinnen. Das Bild, das dabei entsteht, ist letztlich das einer romantisierten Landwirtschaft, obwohl das Buch die Klischeebilder immer wieder zu brechen versucht. Die Sterbebegleiterin, die heute auf dem Berg die Stellung hält. Die Gynäkologin, die zur Teilzeitbäuerin wurde, nachdem ihr früherer Mann sich das Leben nahm. Oder die vife achtzehnjährige Tessinerin, der man ohne jeden Zweifel zutraut, den Hof ihrer Eltern zu managen. Doch es fehlen die Kanten, die Klüfte, die echte Tiefe. sd

Daniela Schwegler, Stephan Bösch:
Landluft

Bergbäuerinnen im Porträt

256 Seiten, gebunden
viele Farbbilder
Rotpunkt Verlag, Zürich 2017
ISBN 978-3-85869-752-3
CHF 39.00
www.rotpunktverlag.ch

Ein Buch für die Seele

Der erste Eindruck ist: A bissel brav, dieses Buch. Eine Frau erzählt von ihren Alpsommern in Oberbayern, von der guten Luft und dem einfachen Leben, und zwischendrin stellt sie ihre Alprezepte vor. Haut einen nicht vom Melkschemel. Alles ist vier Alpsommer lang exakt so, wie man sich das wünscht: Die Hütte wird zur zweiten Heimat, die Bauernfamilie zu engen Freunden, die Nachbarsennerinnen sind genau auf der gleichen Wellenlänge, der Arbeitgeber gibt jährlich vier Monate frei, der Mann versorgt daheim Haus und Garten – und auch die Kühe sind allesamt so umgänglich wie die im Buch vorkommenden Menschen. Nebenbei ist die Frau abends noch fit genug, um Besucher zu bewirten und Alphorn zu spielen.

Wie dem auch sei: Das Buch wirkt ehrlich. Es ist kein Lifestyle-Ding, keine Selbstdarstellung, sondern eine Schilderung mit echtem Herzblut und einer Portion Bescheidenheit. Mit Fotos, die keinen «interessanten Dreh» haben, sondern einfach nur Kühe zeigen oder Käse. Oder eben Sonnenuntergang. sd

Martina Fischer, Dorothea Steinbacher :
Die Alm – ein Ort für die Seele


240 Seiten, gebunden
Kailash 2016
ISBN 978-3-424631-18-0
CHF 26.90
www.randomhouse.de

Du bist das, was du mit dir machen lässt

Am besten ist Leo Tuor, wenn er den widerborstigen Bergler gibt und mit wortscharfem Sackmesser den Touristen, den Behörden, den Stromherren, Tourismusfanatikern und Pfaffen an die Gurgel springt. Denn wenn einer seine Berge liebt, dann gibt er sie nicht einfach fürs Stopfen seiner Geldbörse her oder nur, weil es scheinheilige Obrigkeiten fordern. Tuors Worte sind so poetisch wie sezierend, manchmal heiter, oft bitterböse und meist erhellend. Selber im Sumvitg zu Hause, viele Jahre als Schafhirt auf der Greina und als Jäger in Cavrein unterwegs, richtet er seine Feldstecherrohre gleichermassen auf Tiere, Landschaft und Landsleute. Den erweiterten Blick holt er aus Büchern verstorbener Literaten und Philosophen, die ihm helfen im eigenen Tal nicht zu vermodern: «Ein Bergler sollte gebildet sein.» Die Erzählungen und Essays stammen aus den letzten 20 Jahren, einige wenige sind neben deutsch auf Rätoromanisch abgedruckt, Tuors Schreibsprache. Wer «Vom Schafe hüten» bereits aus dem «Handbuch Alp» kennt, kann den Text nun simultan auf Sursilvan lesen. «Ti eis tut, ti eis pastur, ti eis mazler, ti eis hetger, ti eis spindrera, ti eis cutsch, ti eis veterinari, ti eis quei che ti laias far cun tei.» gh

Leo Tuor:
Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee

Erzählungen und Essays
 
224 Seiten, Leinen
Limmat Verlag, Zürich 2016
ISBN 978-3-85791-802-5
CHF 51.90, EUR 39.00
www.tuors.ch
www.limmatverlag.ch

Von Kleinhirten am Julierpass

Wenn einer in jungen Jahren als Kleinhirt auf der Alp war, vergisst er das nicht mehr. So auch Othmar Caviezel, Safranbauer und Geschichtenerzähler aus Tomils. Ob der achtjährige Toni, Hauptperson der Geschichte, sein Alter Ego ist, wissen wir als Lesende nicht, aber wie Caviezel stammt er aus Tomils und geht als Kleinhirt auf die Alp Surgonda am Julierpass. Anschaulich wird beschrieben, wie der Bub wacker seinen Hirt macht, im Alpteam unten durch muss und doch seine Freude findet, nicht zuletzt bei der Begegnung mit dem Käthi. Im zweiten Teil des Buches kommen ehemalige Alphirten von Surgonda zu Wort, die Bedeutung der Passstrasse wird erläutert, und eine kleine Alpchronologie schliesst das Büchlein ab. Gespickt sind die Texte mit historischen und aktuellen Bildern der Alp. gh

Othmar Caviezel:
S’Käthi vu dar Alp Surgonda

Eine Bündner Geschichte
 
156 Seiten, Taschenbuch
Verlag Desertina, Chur 2015
ISBN 978-3-85637-471-6
CHF 22.–
www.casanova.ch

Träumen ja, schreiben nein

Wie schön, hat sich der Traum der Autorin erfüllt, endlich mal als Sennerin im Südtirol einen Sommer z’Alm zu gehen. Schliesslich kann das nicht jeder. Dasselbe gilt leider auch fürs Schreiben. Ein Tagebuch, welches auch die langweiligen Tage von A bis Z nicht auslässt, dafür jegliche Aktivität der (anstrengend vielen) Alp-besucherInnen akribisch beschreibt und schreibstiltechnisch mühsam zu lesen ist, müsste nicht sein. Alpinteressierten und -neulingen empfehle ich deshalb, nicht das Buch zu lesen, sondern die Erfahrung gleich selber zu machen. Und danach kein Buch darüber zu schreiben. Danke schön. ln

Ruth Richter:
Wo die Riesen schlafen gehen

Mein Sommer auf der Alm

164 Seiten, Taschenbuch
Karin Fischer Verlag, Aachen 2015
ISBN 978-3-8422-4263-0
CHF 22.90 EUR 13.80
www.karin-fischer-verlag.de

Drama im Wallis

Eine verheiratete Frau findet in einem verheirateten Mann die grosse Liebe. Eine Situa­tion, die auch heute noch zum Drama führen kann – im ländlichen Wallis um 1900 ist sie undenkbar, absolut verboten. Kein Wunder, dass sich die Liebenden nur mit einem Verbrechen zu helfen wissen. Diese Geschichte endet böse, das ist von Anfang an klar. Warum sie trotzdem lesen? Weil sie wie keine andere eintaucht in die fremde Welt der Walliser Bauern und Bäuerinnen, die zwischen Tal, Berg und Alp nomadisierten. Eine flirrende, atemberaubende Schilderung aus der Sicht eines kleinen Mädchens – so genau, dass man das Gefühl nicht loswird, die Autorin sei dabei gewesen, im Alltag wie vor dem Schafott. «Theoda», 1944 erschienen, sei vielleicht ihr wichtigstes Buch geblieben, sagte S. Corinna Bille. «Als ich es schrieb, war sozusagen der ganze Fundus meiner Kindheit in mir, meine Jugend, alles.» Ja, Bille war dabei, auch wenn die Geschichte einige Jahrzehnte früher geschah. Grosse Literatur bringt solche Wunder zustande. Bettina Dyttrich

S. Corinna Bille:
Theoda

Neuübersetzung von Gabriela Zehnder
 
200 Seiten, gebunden
Rotpunktverlag, Zürich 2014
ISBN 978-3-85869-585-7
CHF 22.–, EUR 19.–
www.rotpunktverlag.ch

Älplerinnen erzählen

Fünfzehn Frauen auf zwölf Alpen erzählen aus ihrem Leben und Alltag auf der Alp. Obwohl sich die Arbeit oft gleicht, hat jede Älplerin ihre eigene Geschichte wie sie zur Alp gekommen ist und warum sie noch oben ist. Eindrücklich, wie die 74-jährige Schafhirtin Josi Jauch Bergbauernhof, Alp plus Kinder gemanagt hat und daneben ihren invaliden Mann 25 Jahre gepflegt oder wie Anne Krüger ihrem Gespür folgend samt Familie zwischen Alp und Bauernhof in Patagonien wechselt. Tüpfchenweise werden Ingredienzien der Alpwirtschaft wie Lohn, Wolf, Touristen usw. angesprochen, aber leider nicht ausgeführt. Die Texte werden begleitet von respektvollen Fotos, die durchs Buch geblättert die Bandbreite der Berufsschaft Älplerinnen zeigt. Überflüssig erscheinen Wandervorschläge und Rezepte, da wäre Platz gewesen für einen vertiefenden Blick in den Trendraum Alp – wie er von der Werbung umgarnt, von der Touristik, Energiewirtschaft und der Politik umgestaltet wird. gh

Daniela Schwegler, Vanessa Püntener:
Traum Alp

Älplerinnen im Porträt
 
256 Seiten, gebunden
viele Farbbilder
Rotpunktverlag, Zürich 2013
ISBN 978-385869-557-4
CHF 39.50
www.rotpunktverlag.ch

Blick zurück

Eine kleine Zeitreise machen wir mit den Erinnerungen von Hans Schnyder, der im Kindergartenalter anfangs der Sechziger Jahre zwei Sommer mit seinem Vater und Vetter auf der Alp Aueren ob Netstal verbrachte. Manchmal etwas weit ausschweifend und dann wieder berührend detailreich nimmt uns Schnyder mit an den kargen Esstisch, unter die feuchten Hudlen der wenigen Kleider, zwischen die Arbeitsklauen seines Vaters, mit zum langwierigen Hüten auf die Weide und auch zu Momenten von Zufriedenheit. Das Buch ist keine Dokumentation, auch wenn Glarner Mundartausdrücke und Flurnamen – soweit möglich – erklärt werden. Es ist ein spannendes Zeitzeugnis (durch die Brille der Erinnerung gesehen) und man staunt, wie einfach die Älpler vor nur einem halben Leben lang gelebt haben. gh

Hans Schnyder:
Abendweide

Das einfache Leben auf einer Glarner Alp
 
231 Seiten, gebunden
Verlag Baeschlin, Glarus 2013
ISBN 978-3-85546-256-8
CHF 34.00
www.baeschlin.ch

Nicht unamusant, aber unnötig

Erlebnisberichte von Einsteiger ins Alpleben scheinen en vogue. Man kann froh sein über jedes Buch, dass geschrieben, aber nicht veröffentlicht wird. «Schäferstunden» wurde leider. Selbsterzähler ist ein Fotograf, dessen Firma pleite ging, was ihn dazu bewog, das Abenteuer seines Lebens zu wagen: die Alp. Mit dem Rüstzeug an Erfahrung von vier Schafen im heimischen Garten zieht er los auf eine Schweizer Alp mit tausend Schafen. Der geneigte Leser erfährt so einiges an «wissenswerten» Tipps: Die Schafe futtern Enziane, es wird von oben nach unten geweidet, Feuerzeuge funktionieren auf der Alp nicht, Gämsen stehen in der Schweiz unter Artenschutz und dürften nicht gejagt werden. Ärgerlich neben den Falschaussagen sind die völlig unecht verdialekten Reden der schweizerdeutschen Bauern oder dass Hunde, Tochter, Alpmeister alle einen Namen haben, nur die Freundin, die er schweren Herzens für die Alpzeit verlassen musste, heisst bis weit ins Buch nur Freundin. Nicht unamusant das Ganze, aber unnötig auf jeden Fall. gh

Joe Rißmann und Claudia Nehm:
Schäferstunden

Mein Leben als Hirte auf der Alp
 
206 Seiten, gebunden
Lübbe Verlag, Köln 2013
ISBN 978-3-7857-2474-3
CHF 24.50

Knowhow aus Austria

Tobias Micke, Journalist und Stadtmensch, verspürte den Drang, auf einer «Alm» den Draht zur Natur und sich selbst zu finden und arbeitete deshalb drei Sommer lang als Hirte auf einer Kuhalp in Kärnten. Er schreibt frisch von der Leber weg, wie er seine Hirtstelle gefunden hat, wie man eine Kuh von Hand richtig melkt, was ihm über den Einsamkeitskoller hinweg geholfen hat, wie ein österreichischer Älpler kocht und welche Experimente er beim Käsen weiterempfehlen kann. Es mag uns seltsam anmuten, dass man in Österreich morgens mit dem Fahrrad zu seiner Herde radelt, aber Micke scheint sich in seinen drei Jahren Alp einiges Knowhow zugelegt zu haben. Seine «Hirtentipps» jeweils am Ende jeden Kapitels sind dementsprechend ernst zu nehmen, auch wenn die Selbstironie durch die Seiten pflüttert wie frische Fladen ab der Kuh. Das Buch wendet sich in erster Linie an Neugierige und Alpneulinge. Doch auch erfahrenen Hirten kann dieser Ratgeber durchaus positiv auf die Lachmuskulatur wirken. ln

Tobias Micke:
Mistviecher

Wie ich ausstieg, um Kühe zu hüten
 
253 Seiten, Taschenbuch
Droemer Knaur, München 2012
CHF 14.90
ISBN 978-3-426-78551-5

z’Alm gehen

Lassen wir mal den Titel beiseite und reden wir schon gar nicht über den Untertitel, ausser mit einem Satz: Wer das wahre Leben kennt und sogar in Worte fassen kann, dem misstraue ich, auch wenn es eine Frau ist, und vor allem, wenn sie noch so übertrieben glückselig vom Cover lächelt. Damit aber hat sich meine Kritik. Ich habs gern gelesen, wie sich Michalke auf ihrer ersten Alm sperrig der Hütte, den Bauern, den Tieren nähert und wie sie sich von ihrer anfänglichen Ungeschicklichkeit zur «wahrhaften» Sennerin mausert. Sie schreibt präzise, geradlinig und mit viel Selbstironie, das ist erheiternd, unterhaltend und manchmal sogar lehrreich fürs eigene Leben. Wer das z’Alm gehen besser bleiben lässt – weil er dort nicht hinpasst –, aber trotzdem Bergluft schnuppern will, ist mit der Lektüre gut bedient. gh

Karin Michalke:
Auch unter Kühen gibt es Zicken

Das wahre Leben auf der Alm
 
272 Seiten, gebunden
mit einigen Bildern und Rezepten
Piper Verlag, München 2012
ISBN 978-3-89029-413-1
CHF 28.90
www.piper.de

Schafhirt auf der Greina

Eine Schäferidylle ist Leo Tuors Buch nur für kurze Momente. Sein Giacumbert Nau erfreut sich zwar an den Prozessionen der Schafe, verhöhnt aber jene der Menschen. Tours Buch ist sinnliche Brachialpoesie in rätoromanisch und deutsch über das Leben eines Schafhirten auf der Greina. Giacumbert lässt seine Galle erzählen von den falschen Herren, von den falschen Pfaffen, von den falschen Bauern, von der heimtückisch wahrhaftigen Greina, von den Schafen, die Perlenschnüren gleich entlang den Hängen ziehn, von zu lauten Munggen. Durch die Hütte ziehen Nebel und stieben Schneeflocken, da bringt Albertina Feuer und Gerüche aus einer anderen Welt, und die Schafe ziehen weiter ihre Schnüre... Ein Klassiker der rätoromanischen Bergliteratur, erstmals erschienen 1998 im Octopus Verlag. gh

Leo Tuor:
Giacumbert Nau

Bemerkungen zu seinem Leben
rätoromanisch und deutsch
 
Limmat Verlag, Zürich 2012
gebunden
ISBN 978-3-85791-679-3
CHF 38.50
www.limmatverlag.ch

Am einen Ort

An einem eng umgrenzten Ort kann man Ordnung in seinem Leben schaffen. Nicola Reiter verbringt acht Wochen auf einer Schweizer Berghütte, zusammen mit dem Hüttenwart Pius. Reiter schreibt Tagebuch, fotografiert täglich vom selben Standort die Aussicht (meistens grau) und erstellt eine akribische Liste aller Hütteninnereien. Ab Tag neun notiert sie neben Wetter und Anzahl Gästen auch den Countdown bis zur Heimreise. Ihre Auseinandersetzung mit sich selber, mit Pius und den Gästen, liest sich unerwartet spannend. Gerade weil nicht viel passiert, bekommen alltägliche Dinge wie ein Telefonat mit dem sich entfernenden Freund in Dubai, der Wetterbericht oder das Drücken des falschen Knopfes beim Fernseher ihre Bedeutung. Ein schmuckes Stück Buch, ein Geheimtipp. gh

Nicola Reiter:
Firn

Aufzeichnungen am Gletscher
 
256 Seiten, mit SW-Fotos
gebunden, Lesebändchen
Spector Books, Leipzig 2012
ISBN 978-3-940064-38-7
CHF 37.90
www.spectorbooks.com

Experiment Alp

Die Alp gehört heute als Event zur eigenen Biografie: «Das musst du mal gemacht haben, so einen Alpsommer...» Die Kulturwirtschafterin Daniela Nuber zieht gemäss ihrem inneren Antrieb aus der Stadt auf eine Österreicher Alm, erlebt, was wir alle auch erlebten beim ersten Mal: Es kann hart sein und es kann schön sein. In einem mit Tipps und Erfahrungen erweiterten Tagebuch beschreibt sie ihre Gefühle und Erlebnisse mit den Tieren, den Nachbarälplerinnen, der Hütte, der Küche, der Aussicht und der Reinigung in mancherlei Hinsicht. Das ist angenehm zu lesen und wird mit vielen Bildern unterhaltsam dargeboten. Eine hilfreiche Lektüre für Alpneulinge, die es noch gar nicht sind. gh

Daniela Nuber:
Mein Almsommer

Von der Stadt in Berge
 
Ulmer Verlag, Stuttgart 2012
ISBN 978-3-8001-7795-0
CHF 35.40 | EUR19.90
www.ulmer.de
http://almsommer.wordpress.com/

100% authentisch

Pia’s Zauber spricht aus jeder ihrer Zeilen. Eine Wanderin zwischen den Welten. Nicht nur den realen, sondern auch denen jenseits des Schleiers, den geistigen. Sie gewährt uns Einblicke in die abenteuerliche Welt einer «echten» Älplerin, in ihre Gefühle, Gedanken und sogar ein wenig in ihre Seele.
IHR LEBEN, kompromisslos und echt, geerdet und mit sich im reinen.
Wer könnte das schon von sich behaupten? (Johanna Glas)

Pia Solèr:
Die Weite fühlen

 
weissbooks Verlag, Frankfurt am Main, 2011
ISBN 3-86337-009-0
CHF 21.90 EUR 15.–
www.weissbooks.com

Menschen am Berg

Acht Geschichten und Reportagen über Menschen, die am Berg leben oder eine Beziehung zu den Bergen haben, darunter ein Portrait der Älplerfamilie Wehrli aus dem Jura: «Die Tiere und der Berg brauchen uns. Es ist ja sonst keiner da.» Exakte Beobachtungen von Menschen am Berg, die von ihm gefangen, begeistert oder einfach mit ihm unumstösslich verbunden sind. Ein hübsches Stück Buch, ein manchmal wehtuend melancholisches Stück Literatur, eine schlussendlich persönliche Annäherung der Autorin an den Berg, den sie in der Kindheit verabscheut hat.

Eigentlich müsste das schief gehen, wenn eine Städterin in die Berge zieht um Menschenleben schriftlich zu fixieren. Da müsste es kitschig, heimelig und donnergrollend werden. Aber Melanie Mühl recherchiert die Fakten und schmückt ihre Geschichten mit teilnehmenden Respekt vor den Menschen, die ihr schlussendlich doch fremd bleiben. Unsere Buchempfehlung. (gh)

Melanie Mühl:
Menschen am Berg


Nagel & Kimche, Zürich 2010
ISBN 978-3-312-00453-9
CHF 26.90

Im Fadenkreuz

Die Jäger waren mir als Älpler nie besonders lieb, machen sich in der Hütte breit, tun einem mit Bier schön, um dann zu sagen, wo man mit dem Vieh weiden soll, feldstechern einem am Tage bis ans stille Örtchen nach. «Settembrini» ist ein Buch über die Jäger, über die Jagd, über das Töten und Entschwinden. Etwas genauer über die Zwilingsonkel von Leo Tuor, die unstandesgemäss ihren Homer gelesen haben und ihrem Neffen das Jagen und Schiessen beibringen als sei es die Essenz des Lebens. Ein Buch voll treffsicherer Weisheiten mit Schüssen schelmischen Augenzwinkerns. Rauh, bissig, närrische, träff.

Kostprobe: «Jäger und Hirt seien in ihren tiefsten Innern Heiden etwa gleichen Kalibers (...). Für beide sei das Kreuz eine rein praktische Einrichtung. Dem Jäger ein Faden linksrechts und einer von oben nach unten, im Schnittpunkt ein Tier. Dem Hirten eine senkrechte Holzlatte zum Ableiten des Blitzes und eine waagrechte zum Aufhängen der Hosen.» Nicht das mir jetzt die Jäger symphatischer wären, aber nun habe ich ein Buch, dass ich ihnen schenken kann, in der Hoffnung, sie werden mitlachen. gh

Leo Tuor:
Settembrini

Leben und Meinungen
 
Limmatverlag, Zürich 2011
ISBN 978-3-85791-624-3
CHF 38.–
www.limmatverlag.ch

Siebenmal Sommer und siebenmal Winter

Die Sontga Margriata ist eine jener Sagengestalten, die als Junge verkleidet auf einer Alp arbeitet und im siebten Sommer vom Handbub als Frau erkannt wird. Der Bub widersteht allen Versprechungen Sontgas zu Glück und Wohlhaben, falls er das Geheimnis wahre. Er jedoch beharrt darauf, es dem Senn zu erzählen. So verlässt Sontga Margriata die Alp und zurück bleiben Geröll und Gletscher.

Ausgehend von der Sage erzählt Paul Bänziger die Geschichte neu. Sieben Sommer steigt Ingy Agni, ein Zwischenwesen, eine Diale, auf die Blumenalp. Den Winter verbingt sie mit mythischen Gestalten in einer Zwischenwelt. Als Zusenn hält Ingy schützend ihr Hand über Vieh, Alp und Käse. Auf die MitälplerInnen wirkt sie verwirrend und erotisch, oft auch philosophisch erhellend. Die wiederkehrenden Sommer nimmt Bänziger zum Anlass, den menschlichen Fortschrittsglauben exemplarisch auf dem kleinen Platz Alp aufzuzeigen. Fegt Unwetter die Alpgebäude weg, tauchen alsbald Baumaschinen auf. Dabei bleibt wenig Raum für feinstoffliche Wesen. Ingy selber versucht sich in der vorgeschriebenen Sage zurecht zu finden, ist sich ungewiss, ob sie Sontga Margriata ist oder ihr nur gleicht. Die Geschichte ist spannend zu lesen, man taucht in den Kosmos der mythischen Welt ein, ohne dass es zu esoterisch wird. Schön, wie ÄlplerInnen und BäuerInnen erheiternd beschrieben sind. gh

Paul Bänziger:
Die Sommer und Winter der Sontga Margriata


IKOS-Verlag, Theilingen 2002, geb., 448 Seiten
CHF 39.–
ISBN 3-906473-17-1

Garantiert nicht romantisiert

Wer einen fliessenden Alproman ohne Ecken und Kanten erwartet, wird mit «Sez Ner» von Arno Camenisch nicht glücklich werden. Wer sich allerdings einlässt auf die eindringliche Wirklichkeit dieser Alpzeit in der Surselva, findet Gedankenfetzen die vorüberschweben, Erinnerungssplitter die weh tun oder Tagesrückblicke die Schmunzeln auslösen. Überrollten mich Düsternis und Lieblosigkeit beim Lesen, liess ich meine Augen schweifen und genoss den zu drei Vierteln unverständlichen romanischen Text auf der linken Seite.

Ein guter Einstieg in den «Sez Ner» ist der Besuch einer Autorenlesung. Camenischs sonore Stimme, in Rumantsch und verschweizertem Deutsch, tröstet über die garantiert nicht romantisierte Atmosphäre auf der Alp hinweg und löst Neugierde aus. Wie geht’s wohl weiter mit der Nachbarhirtin, die ihren Hund zum kastrieren gebracht hatte und dem Zusennen, der dem sennenden Grobian entflieht und mit ihr die Alpliebe geniesst? Gibt’s noch mehr Lebensweisheiten vom alten Linus, wird die Antenne bis zuletzt halten, und wieso flicken sie die Karette nicht? Wehrt sich der geplagte Schweinehirte endlich und behält der Kuhhirte den Weitblick trotz endloser Arbeit? Ich fische links und rechts lesend nach Kuhnamen, versuche mich an rätoromanischer Aussprache und suche Stellen zum einhaken und wohlig fühlen, weil es doch auch so schön sein kann. eh

Arno Camenisch:
Sez Ner

 
Urs Engeler Editor, 2009
CHF 36.–
ISBN 978-3-938767-63-4
www.arnocamenisch.ch
www.engeler.de

Am Schluss sind alle tot

Zwanzig Jahre nach einem schrecklichen Unglück beschliessen die Einwohner eines Dorfs im Wallis, ihr Vieh wieder auf die Alp Sasseneire hinaufzuschicken. Dort bahnt sich bald neues Unheil an: Eine Seuche bricht aus, die Sennen sind zu strikter Quarantäne gezwungen, einer nach dem andern erliegt der Angst oder verfällt dem Wahnsinn. Mit unheimlicher Magie erfasst dieser 1926 erstmals publizierte grosse Bergroman seine Leser.

«Besonders ist auch das poetisch dichte Erzählen: gleich einem rasch geschnittenen Film ziehen die Bilder und Momentaufnahmen vom Untergang eines Bergdorfes vorbei, durch eine geschickte Zeitstruktur, in der die Vergangenheitsform immer wieder vom Präsens unterwandert wird, suggeriert der Text Kamerawechsel, Beschreibungen lesen sich wie Drehbuchanweisungen. Ein Erzählen, das streckenweise schwindlig macht.» (Katrin Schumacher, Deutschlandradio Kultur, 21.10.09)

Charles Ferdinand Ramuz:
Die grosse Angst in den Bergen

 
Kollektion Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München 2009
CHF 31.90
ISBN 978-3-312-00445-4
www.hanser-literaturverlage.de

Alpen, sömmern und der ganze Rest

«Wenigstens noch hundert Jahre!» möchte Ute Braun als Hirtin auf der Alp verbringen. Seit über 20 Jahren zieht es sie aus ihrem «normalen» Leben als Heilpraktikerin, den Sommer über in die Schweizer Berge. In ihrem Buch nimmt sie uns mit auf «ihre» Alp und lässt uns teilhaben an dieser bodenständigen Welt voller Farben, Gerüche, Düfte, Licht und Leben, aber auch an der harten und oft mühseligen Arbeit und den Anfällen von Einsamkeit.

Doch für diese Frau ist gegen alle Unbilden ein Kraut gewachsen. Sie meistert jede Aufgabe mit Hingabe und Humor, öffnet ihr Herz für Gott und die Welt und lässt uns teilhaben am Glück des ursprünglichen Lebens. Bildhaft erzählt sie uns über den erlernten Umgang mit dem Vieh, gefolgt vom teils schmerzlichen Abschied im Herbst, der Schönheit eines sternenübersäten Himmels und den alltäglichen Überraschungen eines Alpsommers. Ein aufrichtiger Bericht – ganz nah an den Realitäten des Lebens und dennoch mit viel Platz für Sinnlichkeit und Fantasie. (Ruth Oberhollenzer)

Ute Braun:
Alpsommer

Mein neues Leben als Hirtin
 
Ehrenwirth/Lübbe Verlag, 2008, geb., 255 Seiten
CHF 34.90
ISBN 978-3-431-03742-5
www.luebbe.de
www.utebraun.de

Diesmal erzählt das Vreneli

Das Vreneli ist nicht wie andere Kinder. Schon über seine Eltern kursieren im Tal die seltsamsten Gerüchte, und als die Mutter früh stirbt, heisst es, der Vater habe mit bösen Mächten paktiert. Das Vreneli soll fort von ihm und auf die Schule, doch lernt es lieber das zwielichtige Handwerk des Zauberns und streicht in Gestalt eines roten Füchsleins über die zerklüfteten Berge und Gletscher. Nachdem es die Tochter eines reichen Fabrikanten aus der Gefangenschaft eines Hexers gerettet hat, verfolgt der es mit Wut und Ausdauer. Bald darauf trifft das Vreneli den Waisenknaben Melk, einen jungen Sennen, ein Quatemberkind wie sie — und spürt ein Sehnen, das sie bis dahin nicht gekannt hat. Doch bringt der Fluch des Hexers auch den Melk in Gefahr … gh

Tim Krohn:
Vrenelis Gärtli

 
Eichborn Verlag, Frankfurt 2007
Hardcover
ISBN 978-3-8218-0774-4
CHF 39.90
www.eichborn.de

Granitschädel und Luchstatzen

In den Berner Oberländer Bergtälern werden erbitterte Fehden ausgetragen, die quer durch ganze Dörfer, Sippschaften, Familien gehen. Jäger und Schafhalter gegen Naturschützer und Stadtromantiker stehen als Prototypen für die verfeindeten Lager. Ein Wilderer schickt die vier abgehackten, blutigen Pfoten eines Luchses ans zuständige Bundesamt. Die Boulevardmedien heizen die Stimmung an. Julius Leen, dreadlockstragender Zivi im Luchsprojekt, gerät zwischen sämtliche Fronten. Nicht nur die Stumpen der Granitschädel rauchen. Eine unheilvolle Bierwette führt zu einem Wettjagen.

Granitschädel, Linke und Nette, gewilderte Luchse und Wissenschaftler begegnen sich in der Beiz und am Berg, werden von konträren Ideologien und Lebensformen gelenkt und bilden damit spannenden Stoff zu dieser vielseitigen, erhellenden und anheimelnden Geschichte über die wiederangesiedelten Luchse in der Schweiz. gh

Urs Mannhart:
Luchs

 
Bilger Verlag, Zürich 2005
gebunden
ISBN 978-3-908-01070-8
CHF 37.–
www.bilgerverlag.ch

Wenn die Toten lenken

Nach dem Lesen schnaufe ich auf. Toll, habe ich jetzt gerade ein Buch gelesen oder einen Film geschaut? Die Kino-im-Kopf-Bilder hallen noch durch meine Hirngänge, dort wo der Lese-Projektor hockt. Augstburger bestsellert mit einem episch angelegten und hippen «Heimatroman» über die Insassen eines Walliser Bergdorfes. Alles ist in der Geschichte verpackt: Liebe und Tod, Eifersucht und Rache, Familie und Fehde, alte Mythen und späte Rache, runterpolternde Steinmassen, Rettung in letzter Minute, Versöhnung – dies hübsch gewürzt mit Splittern unverständlichen Wallisertiitsch. Dazu lernen wir Historisches über die Suonen, den Merkhammer, die Arbeitsbedingungen im Stauwerkstollen, den ewigwährenden Fortschrittsglauben und die Ausweglosigkeit als Mensch vorwärts zu kommen. Fein, dass uns hier die Natur und die Toten etwas helfen. Wie auch Kauers «Spätholz» ein Buch, dass man lesen darf, soll und muss. gh

Urs Augstburger:
Graatzug

 
bilgerverlag Zürich 2007
schön gebunden
ISBN 978-3-908010-84-5
CHF 39.–
www.bilgerverlag.ch

Unentbehrlich wie Salz

Wenn Jörg Wäspi Feder, Schreibmaschine, Laptop oder Kugelschreiber zur Hand nimmt und Erinnerungen durch seine Finger fliessen lässt, entsteht Poesie, die in Worte fasst, was wir immer schon mal ausdrücken können wollten. Wovon wir in Tagträumen schwadronieren, was uns das Herz zum überlaufen bringt oder wie es sich frierend zurückzieht, er fängt es gewandt ein. Vom Salz des Lebens schreibt er, sei’s zuviel, zuwenig oder genau richtig; und wie Salz sprenkelt er seine Gedanken über die Seiten des kleinen Bändchens, auf dass wir unsern Morgenkaffee, eine kurze Pause, die Momente vor dem Einschlafen oder den winterlichen Alpsehnsuchtsanfall mit seinen Gedichten über Mensch, Tier, Berg, Stadt, Leben und Liebe würzen. eh

Jörg Wäspi:
flucht und heimat

 
zalpverlag Mollis 2007
57 Gedichte, einige Bilder, ein Lesebändchen
Fr. 29.–
www.zalpverlag.ch

Ein zartes, feines Buch

Der jüdische Journalist Sam Apple begegnet in New York einem österreichischen Wanderschäfer, der jiddische Lieder singt, zum einen vor Publikum, zum anderen seinen sechshundert Schafen. Er beschliesst Hans Breuer auf der Winterweide und der Alp zu begleiten, um mehr über ihn zu erfahren. Sam Apple möchte zudem seinen jüdischen Wurzeln nachgehen und herausfinden, wie die österreichische Gesellschaft ihre Judenfeindlichkeit während des zweiten Weltkriegs verarbeitet hat.

Auf der Alp findet Sam Apple keine Idylle. Er hat die falschen Schuhe und ungenügende Muskeln mit. Zudem hatte er sich nicht vorgestellt, dass ein Berg steil sein kann und das Wetter oben unfreundlicher als im Central Park. Die Schafe machen nicht, was sie machen sollen und Sam hat Angst, von den Hirtenhunden die Tollwut zu kriegen. Hans Breuer singt zwar seinen Schafen jiddische Lieder vor, streitet sich aber heftig mit seiner Frau und bleibt Sam weiterhin ein Rätsel mit lückenhaftem Lösungswort. Die angetroffenen Österreicher zeigen sich ihm weitgehend judenfeindlich und wollen lieber nicht auf ihre Vergangenheit angesprochen werden.

Sam Apples Bericht ist sehr persönlich gehalten, er ist sich selber immer wieder unangenehm im Wege und versteht die Welt, die er beschreiben will, nur zaghaft. Das ist schön zu lesen. gh

Sam Apple:
Schlepping durch die Alpen

Ein etwas anderes Reisebuch
 
Atrium Verlag, Zürich 2007
gebunden
ISBN 978-3-85535-00-1
CHF 34.90
www.atrium-verlag.com

Ein Heimatroman!

Liegts ächt an der Gattung, dass der neueste Roman des Präsidenten des Schweizerischen Schriftstellerverbandes, Tim Krohn, bisher eher wenig Resonanz fand? An der Geschichte jedenfalls kanns nicht liegen, die hat das Zeug für einen veritablen Bestseller, ist eingängig und hintergründig, spannend und witzig – schlicht hinreissend. In Quatemberkinder lässt uns der im Glarnerland aufgewachsene Autor in eine Welt voller Zauber und Mythen eintauchen, greift auf Sagen und Geschichten zurück und schreibt sie neu – in einer mit den gspässigsten Mundartausdrücken durchsetzten Sprache, dass es eine meineidige Freud ist. Der Autor hat Dutzende bekannte und weniger bekannte Alpensagen ausgegraben und ihnen für diesen Roman das Fleisch an die Knochen zurückgezaubert. Der Rezensent ist ansonsten nicht der Meinung, dass unser heutiges Alppersonal auf den qualitätsgesicherten Alpen zwischen dem Melken, vor dem Auspladen oder auf der Weid unbedingt vom Alpen und nichts anderem sollte lesen, möchte aber bezüglich der Quatemberkinder eine unbedingte Empfehlung aussprechen. (Christian Brassel)

Tim Krohn:
Quatemberkinder

und wie das Vreneli die Gletscher brünnen macht
 
Eichborn Verlag, Frankfurt 2002
Paperback
ISBN 978-3-8218-0703-4
CHF 29.50
www.eichborn.de

Fast alles andere bleibt Wiederholung

«Wir Hirten sind nicht besser als die anderen, aber wir flüchten in die richtige Richtung ...» DAS Buch für und über das z’Alp-gehen. Fast alles andere bleibt Wiederholung.

Rochat beschreibt seinen ersten Sommer 1971 auf einer Rinderalp im Jura und behandelt alle Themen rund ums Hirtendasein. Angefangen bei den täglichen Verrichtungen, seziert er die Bauern, sinniert über die Vorzüge einer Alpgenossenschaft gegenüber privaten Alpen, erzählt vom Besuch, der keine Lebensmittel mitbringt und die Speisekammer plündert, lästert über die KB, über die Touristen und, und, und. Alles kurz und bündig, ein Satz und Punkt. Geschrieben in einer Sprache, die begeistert und es schwer macht das Buch zur Seite zu legen. Man erkennt sich wieder von der ersten Seite an. Hervorragend geeignet, um es einem Alpneuling am Ende seines ersten Sommers zu überreichen und nach dem Lesen zu fragen: «Und ?!» (Michael Jocher)

Jean-Pierre Rochat:
Hirt ohne Sterne

 
Zytglogge Verlag, Oberhofen 1986
ISBN 978-3-7296-0233-5
CHF 28.–
vergriffen

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