Alles andere als oberflächlich

Hast du Probleme mit und auf der Käserinde? Dann kann dir der aktuelle Beitrag im zalpletter vielleicht helfen. Zwei Rotschmiere-Profis von Agroscope haben Tipps und Tricks zusammengestellt.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                
Bunte Lebensgemeinschaft: Rotschmiere von Raclette du Valais AOP unter dem Elektronenmikroskop (gross: Hefen, klein Bakterien) Foto: ©M. Oeggerli and Agroscope (2022), supported by Pathology, University Hospital Basel and BioEM Lab, Biozentrum, University Hospital

 


Die Rotschmiere, Resultat vieler anstrengender Stunden im Käsekeller, gehört als «Kleid» zu vielen Käsesorten, die auf Schweizer Alpen hergestellt werden. Sie ist nicht nur optisch ansprechend, sondern schützt den Käse als lebender Bestandteil der Rindenschicht vor Austrocknung, Kontaminationen und Beschädigungen. Sie trägt als einer der wichtigsten Faktoren aber auch wesentlich zur Aromabildung im Käse bei. Die Mikroorganismen bilden eine breite Palette an Enzymen und als Folge hochgradig aromaaktive Substanzen, die im Lauf der Reifung in den gesamten Käseteig diffundieren.

Vereinfacht gesagt besteht die Rotschmiere aus einer bunten Lebensgemeinschaft von Hefen, Bakterien und auch Schimmelpilzen, die sich von den Nährstoffen auf der Käseoberfläche ernähren. Das sind vor allem Milchsäure, Eiweisse und Fette. Rotschmiere benötigt ausserdem Luftsauerstoff und genügend Feuchtigkeit, um zu gedeihen. Die Pioniere auf dem noch sauren Käse nach dem Salzbad sind die Hefen, die die Milchsäure abbauen und den nachfolgenden, säureempfindlichen Rotschmierebakterien den Weg bereiten. Mit der Zeit gesellen sich auch einige Schimmelpilze dazu. Die Oberflächen-Mikroorganismen stammen aus der Milch, der (Keller-) Umgebung («Kellerflora»), bereits «infizierten» Käselaiben oder werden gezielt in Form von definierten Oberflächenkulturen zugegeben. Durch die Applikation z.B. via Schmierewasser lässt sich die Oberflächen-Flora gezielt in eine positive Richtung lenken.

Die inneren Werte zählen

Schönheit kommt von innen. Der Grundstein für eine gesunde Oberflächenflora wird beim Käsen im Kessi gelegt. Fühlen sich die (richtigen) Milchsäurebakterien wohl und danken diesen Umstand mit zuverlässiger Säuerung, ist vor dem Salzbad kein Restzucker mehr im Käse, sondern «aufgegessen». Einer guten Schmiereentwicklung steht nichts im Wege. Die Käse nässen im Keller nicht nach und unerwünschte Fremdkeime tun sich mangels zuckerhaltiger Nahrung schwerer. Ist dagegen Restzucker vorhanden, ärgert sich die Käserin nicht selten über nass-schmierige, übelriechende und von Fremdschimmel befallene Käse mit untypischer Schmiere und diversen mikrobiologischen Problemen. Fehlaromen sind oft die Folge. Es lohnt sich bei Problemen im Keller also, zunächst die Vorgänge im Kessi bzw. auf der Presse und die Säuerungskulturen zu hinterfragen. Säuert die Kultur ausreichend? Kühlen die Käse auf der Presse zu schnell aus?

Alpkäse Käserinde
Verfärbte Ränder: Hinweis auf Restzucker in den Randzonen durch zu schnelles Abkalten auf der Presse. Oberflächenfehler sind oft die Folge. Foto: Agroscope
Faule Käser und fleissige Salzer

«Den besten Käse machen faule Käser und fleissige Salzer.» Dieser Spruch beinhaltet zweifellos einen Kern Wahrheit – zumindest was den fleissigen Salzer bzw. Käsepfleger betrifft. Es ist wichtig, dass die Käseoberfläche anfangs regelmässig – also täglich – mechanisch mit Bürste oder Lappen und mit Schmierelösung (Wasser – idealerweise lauwarm, Salz, evtl. Kulturen) behandelt wird. Was passiert dabei? Durch das Reiben bzw. Bürsten wird die Oberfläche aufgeraut und vergrössert. Die feinen Käsepartikel können nun leichter von den Mikroorganismen angeknabbert werden. Die Mikroben fühlen sich wohl und vermehren sich. Ausserdem werden die entstehenden Rotschmiere-Kolonien über den ganzen Käse verteilt, hinderliche Stoffwechselprodukte werden entfernt bzw. verdünnt. Sich bildendes Geflecht («Hyphen») von Fremdschimmel wird mechanisch zerstört. Die aufgetragene Feuchtigkeit ist Lebenselixier für die Flora, das Salz hemmt ungebetene Gäste wie z.B. Schimmel. Damit sich keine unerwünschten anaeroben Mikroorganismen (ohne Luftzufuhr) an der Unterseite der Laibe ansiedeln, sollte nur die Ober- und Järbseite nass geschmiert werden, die Unterseite bleibt möglichst trocken. Andernfalls kann faulige Schmiere und «stinkender Käse» entstehen. Hat sich eine gesunde Schmiere gebildet, kann die Häufigkeit der Pflege bis auf 1x pro Woche reduziert werden. Häufigkeit und «Nässegrad» beim Schmieren sind Erfahrungssache – genauso wie die Justierung des Kellerklimas auf der Alp durch Lüften, Benetzen des Bodens etc. Durch entsprechende Fehler kann im Keller aus dem besten Käse Ausschuss werden. Wird die Oberfläche in seltenen Fällen zu feucht, können Zusatzkulturen mit Geotrichum oder bestimmten Schimmelpilzen (siehe unten) eingesetzt werden. Das Schimmelpilzgeflecht schafft eine vergrösserte Verdunstungsoberfläche, die Rinde trocknet ab.

Angenehmes Betriebsklima zählt

Auf den wenigsten Alpbetrieben kann man sich an perfekten Reifungskellern erfreuen. Meistens muss man sich mit den mehr oder weniger (sub-) optimalen Gegebenheiten arrangieren. Das heisst: Oft sind die Keller erst zu kalt, im Lauf des Sommers dann zu warm, zu trocken usw. Die ideale Temperatur im Rotschmiere-Keller liegt zwischen 13 und 15° C. Liegt die Temperatur darunter, ist das Wachstum der Mikroben-Gemeinschaft verlangsamt. Mangels (frierender und fortpflanzungsfauler) Konkurrenz kann sich unerwünschter Schimmel auf der Käse-Oberfläche ausbreiten. Diese Situation ist vor allem anfangs Saison ungemütlich, wenn man ohnehin bei null, sprich mit leerem Keller anfängt. Es hat sich noch keine «virale», gesunde Oberflächen-Mikroflora im Keller eingenistet, durch die sich die frischen Käselaibe rasch «anstecken». Bei arktischen Aussentemperaturen können dann notfalls auch einige Kerzen für ein paar wärmere Grade im Keller sorgen. Die Kellerarbeiten erhalten so nebenbei den angemessenen, feierlichen Charakter. Aber auch zu warm sollte es nicht sein: Die Mikroben werden in ihrem Stoffwechsel übermütig, das Risiko von Fehlgärungen (auch Prop) steigt. Ausserdem kommt es zu «verlaufenen», unförmigen Käsen und fettigen Schweissausbrüchen. Das sog. «Fettschwitzen» setzt ab ca. 18 – 20° C ein. Der Käse bekommt durch austretendes Milchfett eine glatte, fettige Oberfläche. Diese «Imprägnierung» verhindert die Bildung einer vitalen, feuchten Rotschmiereflora bzw. eine solche ist nur noch mit grossem Pflegeaufwand wieder hinzubekommen. Fettschwitzende Käse weisen eine dickere Rinde, zäh-gummigen Teig und ein verändertes Aroma auf, oft mit einer Tendenz zu «ranzig». Ein gezieltes Lüftungsmanagement (nachts offen – aber mit Insektenschutz! – tagsüber zu) oder das Berieseln des Spycher-Dachs mit hoffentlich ausreichend vorhandenem Wasser kann während Hitzeperioden mildernd wirken.

Auch auf die richtige Feuchtigkeit im Keller kommt es an: ist sie zu tief, verweigert die Rotschmiere-Flora das Wachstum, stellt keine ernst zu nehmende Konkurrenz mehr da und trockenheitsverträgliche, unerwünschte Schimmel übernehmen das Ruder. Ausserdem trocknen die Käse aus. Das beeinträchtigt die Konsistenz, aber auch den Umsatz. Denn Wasser ist auch Gewicht und somit bares Geld. Im Rotschmierekeller liegt die relative Luftfeuchtigkeit idealerweise bei 85 – 95 %. Das fühlt sich sehr feucht an. Ob die Feuchtigkeit stimmt, sieht man am besten an den Käseoberflächen oder am Boden. Beide sollten immer leicht feucht sein. Durch regelmässiges Befeuchten von Boden und/oder Wänden lässt sich auch ohne komplizierte Befeuchtungs-Technik für genügend Feuchtigkeit im Raum sorgen. Das sollte vorsichtig geschehen und ohne die Käse anzuspritzen, damit möglichst keine gefürchteten Listerien vom Boden auf den Käse gelangen können (siehe Kasten «Listerien»).

Für die frischen Käse ab Salzbad empfiehlt sich im Übrigen die Verwendung nicht allzu trockener Bretter, sonst entziehen sie der Käseoberfläche zu viel Feuchtigkeit, was wiederum die Entwicklung von Fremdschimmel begünstigen und das Schmiere-Wachstum ausbremsen kann.
 


Listerien

Listeria moncytogenes ist der gefährlichste krankmachende (pathogene) Keim in der Käserei. Durch Listerien auf bzw. in Käse kommt es bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem immer wieder zu Krankheits- und Todesfällen. Listerien sind fast überall in der Umwelt zu finden und werden deswegen leicht in die Käserei oder den Keller eingeschleppt – z.B. über die Rohmilch, über Utensilien, Hände oder Boden. Sie gedeihen auch bei Kälte, sind aber hitzeempfindlich und überleben die Pasteurisation nicht. Sie vertragen hohe Salzgehalte, wachsen mit oder ohne Luft und arrangieren sich gut mit Wasser- oder Nährstoffmangel. Leider fühlen sich Listerien auf Käse mit Rotschmiere-Oberfläche besonders wohl. Sie können sich dort rasch gefährlich anreichern und im ganzen Keller verbreiten. Eine konsequente Umsetzung der Hygienemassnahmen durch das gesamte Alp-Personal vom Stall bis in den Käsekeller ist deshalb sehr wichtig. Besonders der Boden ist häufig kontaminiert, deshalb unbedingt direkten oder indirekten Kontakt mit Käse verhindern. Ein entsprechendes analytisches Monitoring z.B. des Schmierewassers lässt Befall frühzeitig erkennen.


 
Nachhilfe fürs Kellerklima

Als sehr erfolgreiche Massnahme, um das anfangs Alpsaison im Käsekeller noch nicht vorhandene Kellerklima zu fördern, hat sich das Besprühen der Käsebretter mit Oberflächen-Kultur bewährt. Auch bei Problemen mit der Rotschmiere oder bei Fremdschimmelbefall werden mit dieser Massnahme regelmässig gute Erfolge erzielt. Die Kultur wird dazu in Form einer Schmierewasser-Lösung mit ca. 1 % Kultur-Zusatz (z.B. mit einer Sprühflasche) auf die Bretter gesprüht. 

Salz: auf die Dosis kommt es an

Salz verleiht dem Käse zum einen Geschmack, zum anderen brauchen wir es jedoch auch als wichtige Regulierschraube für das Wachstum von Mikroorganismen im und auf dem Käse. Die erwünschten Hefen, Bakterien und Schimmel einer gesunden Rotschmiere sind ziemlich salztolerant und werden durch einen entsprechenden Salzgehalt selektioniert bzw. gefördert. Unerwünschte Gesellen, z.B. diverse Schimmelarten, werden dagegen unterdrückt. Schon im Salzbad werden die Käse von verschiedenen, dort hausenden, salztoleranten «wilden» Hefen besiedelt, die die Reifung positiv beeinflussen. Auch bei der Käsepflege wird immer wieder Salz auf die Oberfläche aufgetragen und die Mikroflora dadurch selektiv beeinflusst. Dies kann «trocken» und auch über das Schmierewasser geschehen. Das Schmierewasser sollte anfangs ca. 3 – 5 % Salz enthalten, später kann der Salzgehalt reduziert werden, damit die Käse nicht zu salzig werden.
  


Kosmetik für Käse

Die Oberflächenkulturen (OK) und Oberflächenmischkulturen (OMK) aus dem Liebefeld haben sich seit Jahrzehnten auf Alpbetrieben bewährt. Insbesondere zu Beginn der Saison sorgen sie für rasches, sicheres Wachstum der Oberflächenflora und ansprechende Optik. Die Kulturen bestehen aus Mikroorganismen, die ursprünglich aus gesunder Oberflächenflora von Schweizer Käse isoliert wurden. Sie werden in flüssiger Form in verschiedenen Flaschengrössen angeboten. Sie sind sofort anwendbar, hochaktiv und leicht zu dosieren.
Das Sortiment umfasst die klassischen Rotschmierekulturen OMK 702 und OMK 704 (letztere etwas intensiver), die OK 701 (Geotrichum candidum, eine schimmelartige Hefe für die Oberflächen-Abtrocknung), die OMK 703 (OMK 702 mit Geotrichum candidum für trockenere Schmiere) sowie OK 710 (eine Schimmelkultur gegen klebrige Rotschmiere).
Die Agroscope-Berater stehen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Bestellungen, Infos und Beratung unter 058 463 82 68 sowie www.liebefeld-kulturen.ch oder per E-Mail an service@liebefeld-kulturen.ch.