Halten Sie Distanz zu Herdenschutz-Hunden

Die nachhaltige Kleinviehhaltung ist wichtig für die Erhaltung einer vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaft in der Schweiz. Über 70 Herdenschutzhunde bewachen auf Schweizer Alpen Schafe und Ziegen. Zusammen mit Hirten schützen sie Schafe und Ziegen vor Raubtieren und streunenden Hunden. Damit es nicht zu Konflikten zwischen Schutzhunden und Wanderern oder Bikern kommt, lanciert die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF ihr Projekt «Herdenschutz und Tourismus».


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Das mag für Alpwanderer und Biker gewöhnungsbedürftig sein: Sie nähern sich einer Schaf- oder Ziegenherde und schon stürmt ein mächtiger Pyrenäen-Berghund oder Maremmahund auf sie zu und stellt sich laut bellend zwischen Herde und Fremdling. Aus Sicht der Tierhalter ist das eine lebenserhaltende Reaktion: Der Herdenschutzhund wird darauf trainiert, seine Herde selbständig gegen Raubtiere wie Wolf oder Luchs zu schützen. Dazu kann nicht irgendein Schosshündchen eingesetzt werden. Der vierbeinige Wächter ist von Natur her zwar nicht aggressiv, beeindruckt aber durch Statur und dumpfes Bellen.

In aller Regel bleibts gegenüber den Zweibeinern auch beim Bellen, wie Daniel Mettler bestätigt. Er ist Leiter der nationalen Koordinationsstelle für Herdenschutz im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal). „Uns ist bisher kein Fall bekannt, wo ein Herdenschutzhund einen Wanderer oder Biker gebissen hat. Auf einer Bündner Alp wurde einzig einmal eine Person von einem Schutzhund geschnappt, aber nicht verletzt”, bilanziert Mettler. Nach dem Vorfall wurde das Tier umplatziert. Und: Auf den meisten bewachten Alpen sind mittlerweile auch Tafeln fürs richtige Verhalten gegenüber den Schutzhunden aufgestellt.

Bei mehr als 70 Herdenschutzhunden – sie sind vor allem im Wallis, Graubünden und Tessin im Einsatz – beruhigt die bisherige Bilanz. Auch bei den Tourismuszentralen von Graubünden Ferien und Valais Tourisme sind noch keine Klagen über Schutztiere eingegangen.

WWF lanciert «Herdenschutz und Tourismus»

Das soll so bleiben, findet der WWF. Zum Saisonstart gibt er Tipps, wie sich Wanderer und Biker gegenüber Herdenschutzhunden verhalten sollen (siehe Box). Tafeln, Plakate und Faltblätter sollen die Akzeptanz für Schutztiere verbessern und mithelfen, Konflikte zu vermeiden.
Beim WWF-Projekt hatten neun Tierhalter von Schaf- und Ziegenherden den Einsatz von Schutzhunden und Eseln während drei Jahren getestet. In dieser Zeit blieben die bewachten Herden zwar vor Raubtieren verschont, nicht aber vor der einen oder anderen kitzligen Situation mit Wanderern. So musste einer der Schäfer auf einer Bündner Alp aus einiger Entfernung mitansehen, wie eine Frau in Panik geriet und mit ihren Wanderstöcken zwei Schutzhunde attackierte. Die Fuchtelei ging gut aus, nachdem sich die Stockbewehrte auf einen Stein gestellt und wieder beruhigt hatte. Daraufhin entfernten sich die Hunde. Ihr Schutzverhalten ist instinktiv – sie reagieren auf alles Ungewohnte in ihrer Umgebung. Sie nähern sich Wanderern, um sie zu «kontrollieren».


Tipps für Wanderer und Biker

  • Bleiben Sie ruhig, wenn die Schutzhunde bellen.

  • Versuchen Sie, die Herde zu umgehen und möglichst wenig zu stören.

  • Vermeiden Sie Provokationen mit Stöcken und schnellen Bewegungen.

  • Nehmen Sie Ihren eigenen Hund an die Leine.

  • Biker und Jogger: Halten Sie an und gehen Sie langsam an der Herde vorbei.

  • Falls die Schutzhunde Ihnen entgegenkommen, streicheln Sie diese nicht.

  • Füttern Sie die Schutzhunde nicht und vermeiden Sie das Spiel mit ihnen.

  • Ignorieren Sie die Schutzhunde, wenn sie Ihnen beim Weitergehen folgen.


Knurren die Herdenhunde nur,oder schützen sie auch vor Luchs und Wolf? Wie erste Erfahrungen in der Surselva GR zeigen – dort hält sich seit zwei Jahren ein Wolf auf –, lässt sich der Verlust von Nutztieren durch Schutzhunde tatsächlich wirksam reduzieren. Zwar gehen in der Surselva bisher mehrere gerissene Schafe auf das Konto Wolf, aber in den meisten Fällen werde der Räuber «von den Schutzhunden entdeckt und vertrieben”. So steht’s im «Schweizer Bauer». Das Organ der Scholle steht nicht im Verdacht, die Situation zu beschönigen.

Halten Sie Distanz

Die Rückkehr der Grossraubtiere in die Schweiz ist eine Tatsache. «Wir müssen wieder lernen, damit umzugehen», sagt Peter Lüthi, Alphirt und während drei Jahren Leiter des WWF Herdenschutzprojekts in Graubünden. Was schlägt der Fachmann vor? «Halten Sie Distanz”, ist seine grösste Bitte an Berggänger. Zur unfreundlichen Begegnung kommt es nämlich meist dann, wenn Wanderer keinen Bogen um Schafherden mit Schutzhunden machen. Vermeiden sollte man in dieser Situation hastige Bewegungen. Auch wenn es schwerfällt, und man Angst vor Hunden hat.

Unruhe stiften Leute, die mit dem eigenen Hund unterwegs sind und ihren Liebling nicht an die Leine nehmen. Die Schutzhunde tun dann ihren Job und stellen den fremden Hund. Mit Nachdruck: Beim Pyrenäenberghund kann es vorkommen, dass sie den vierbeinigen Gegner dank Masse bodigen. Schutzhunde wiegen bis zu 65 Kilogramm.