Holz statt Plastick

Während der Sanierung von Alpgebäuden, insbesondere von Sennereibetrieben, wurden in den letzten Jahren vielfach Materialien verbaut, die dem eigentlichen Zweck nicht entsprechen. Ein Chromstahlpresstisch hält die Temperatur nicht so gut wie ein Holzpresstisch, geplättelte Wände und mit Kunststoffen versehene Flächen regulieren die Luftfeuchtigkeit nicht so gut wie Wände aus Naturmaterialien oder mit einem Kalkanstrich verputzten. Mit diesen Materialien leben und arbeiten wir aber bereits auf vielen (besonders Bündner) Alpen, sie sind fest installiert, und neuerliche Korrekturen sind aufwendig.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

In diesem Sommer ist mir beim Durchblättern der gängigen Kataloge zu Käsereibedarf aufgefallen, dass es viele kleinere Gebrauchsgegenstände wie z.B. Järbe oder Käseschmierbürsten nicht mehr oder kaum noch aus Holz zu kaufen gibt. Diese Artikel sind jetzt aus Plastik, sogar manche Harfenstiele. Dass die Abbildungen im Katalog noch das Holzjärb und die Holzbürste zeigen, geschieht wohl aus Nostalgie.

Zu Holz statt Plastik gäbe es viel zu sagen, was Ästhetik, Energie, Erdöl oder alte Handwerksberufe betrifft. An dieser Stelle soll es aber darum gehen, wie sich die Oberfläche eines Plastikgegenstandes mit dem Gebrauch verändert, und wie wenig „keimarm” man sie dann noch halten kann. Hierüber gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die ich bisher leider nur in pseudowissenschaftlicher Form publiziert gefunden habe. Am besten verbreitet ist die Arbeit von Ak, Cliver und Kaspar (1994):

An der Universität von Wisconsin/USA wurde aus Anlass etlicher Lebensmittelvergiftungen eine Studie durchgeführt, bei der gemessen wurde, wie viele und welche krankmachenden Keime nach dem Abwaschen von Plastik-, Holz- und Hartgummiflächen noch auf diesen nachzuweisen sind. In dem Versuch wurden gewöhnliche Küchenschneidbretter absichtlich mit Escherichia Coli, Salmonella, Campylobacter jejuni, Listeria monocytogenes und Staphylococcus aureus „verseucht”. Es wurden ganz unbenutzte Schneidbretter untersucht und solche, deren Oberfläche durch den gewöhnlichen Gebrauch mit Messereinschnitten verletzt ist. Die Bretter wurden von Hand mit einem Schwamm, Spülmittel und heissem Wasser gereinigt. Anschliessend wurde festgehalten, wie viele Keime noch auf der Oberfläche vorhanden sind und wie lange sich die Keime im Anschluss an die Reinigung weiterhin halten können. In dem Versuch wurden 10 verschiedene Harthölzer, 4 Plastikpolymere und Hartgummi getestet.

Das Ergebnis war, dass völlig neue Plastikbretter „keimfrei” zu waschen waren. Sobald die Plastikbretter aber Gebrauchsspuren aufwiesen, war es mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr möglich, die aufgetragenen Bakterien von der Oberfläche zu entfernen. Am heikelsten waren fettige Oberflächen. Plastikbretter mit verletzter Oberfläche bieten Keimen die besten Chancen zum Überleben. Auf hölzernen Schneidbrettern hingegen konnten bereits kurze Zeit nach dem „Verseuchen” mit den genannten Bakterien keine Keime mehr nachgewiesen werden, ausser, die Bakterien wurden in extrem grossen Mengen aufgebracht. Diese erstaunliche „selbst-desinfizierende” Wirkung hatten sowohl neue als auch gebrauchte (zerschnittene) Holzbretter, und zwar ohne grossen Unterschied. Eine andere Studie nahm speziell Salmonellen unter die Lupe: Hier zeigte sich, dass die unerwünschten Bakterien auch dann auf Holzbrettern unterdrückt wurden, wenn die Bretter gar nicht regelmässig gespült wurden (Kass, 1992).

Entsprechend den Salmonellen wird auch Staphylococcus aureus von anderen auf einer Oberfläche vorhandenen Mikroorganismen unterdrückt, besonders von denen, die Milchsäure produzieren. Hier ist es schon ironisch, dass gerade in der Zeit, in der Staph. aureus in Sennereien als Problem wahrgenommen wird, Holzoberflächen aus den Sennereien verschwinden. Der Aufenthaltsort für eine stabile, gutartige Keimflora wird aus den Alphütten ausgeräumt.

Nun kann man einwenden, dass die Versuchsreihe an der Universität von Wisconsin mit Harthölzern unternommen wurde, die im Alpenraum nicht zur Verfügung stehen. Das ist sicherlich ein Unterschied. Ob dann aber der richtige Schluss darin besteht, Presstische oder Türen aus Tropenholz anzufertigen, bezweifele ich.

Müssen nun also Holzoberflächen auf Alpen durch Plastik und durch Edelstahl ersetzt werden? Werden dadurch die Produktionsbedingungen „sicherer”, die schädlichen Keime weniger, die mikroskopisch kleinen Dauerbewohner unserer Arbeitsräume endlich einmal anständig unter Kontrolle gehalten? Ich meine, dass ein bisher im Normalfall verlässlich funktionierendes Gleichgewicht durch die „modernen” Materialien gestört wird. Die neue, unstabile Keimflora wiederum hofft man durch den Einsatz von starken Reinigungsmitteln und Bakteriziden zu regulieren. Dabei war und ist das Zusammenspiel von Holzoberflächen, Sonnenlicht, kochend heissem Wasser und abwechselnd alkalischer und saurer Reinigung so einfach und so erfolgreich...


Literatur:
Ak, N.O., D.O. Cliver, und C.W. Kaspar (1994): Cutting boards of plastic an wood contaminated experimentally with bacteria. Journal of Food Protect.
Ak, N.O., D.O. Cliver, und C.W. Kaspar (1994): Decontamination of plastic and wooden cutting boards for kitchen use. Journal of Food Protect.
Kass, P.H., et al. (1992): Disease determinants of sporadic salmonellosis in four northern Californian counties. Annual of Epidemiology.

zalp.ch hat bei Rudolf Amrein, Mikrobiologe an der Forschungsanstalt für Milchwirtschaft FAM in Liebefeld, nachgefragt, ob er oben zitierten Untersuchungen kenne. Bekannt sind sie ihm nicht direkt, sondern aus Berichten. Er meint aber auch, dass sie sich nicht auf Alp übertragen lassen, da es dort nicht um Schneidunterlagen geht.
Folgend seine Stellungnahme (leicht gekürzt).

Die Stabilität von Auflageflächen, Formenmaterial und weiteren Hilfsgeräten auf den Alpen ist einerseits abhängig von der chemischen Zusammensetzung, inkl. Stabilität gegenüber von Hitze, chemischen Stoffe und Lösungen, Licht und andererseits von mechanischen Einwirkungen wie Abnutzung, Riss- und Spaltenbildung, inkl. Alterung.

Welcher Werkstoff wo in der Alpkäserei eingesetzt wird, ist abhängig von den baulichen, hygienischen, Produkte abhängigen und wirtschaftlichen Vorgaben und Überlegungen.

Bauliche Überlegungen

Seit Jahrzehnten werden Innenwände und Böden von Fabrikationsräumen mit gutem Erfolg mit Fliesen verkleidet. Gründe hierfür sind die lange Lebensdauer, die gute Reinigung und eine gute Ästhetik. Fliesen können ohne Abnutzungserscheinungen täglich abgewaschen werden; Rückstände von der Käse- und Butterherstellung werden sofort entfernt und Kontaminationen ausgeschlossen. Raue Verputzwände mit Kalkanstrichen sind nach kurzer Zeit verschmutzt. Bei ungenügender Frischluftzufuhr verschimmeln heikle Stellen.

Presstische aus Hartholz (meistens tropische Hölzer) eignen sich nur bedingt als Werkstoff in der Alpkäserei. Im Pressbereich wird täglich durch die MSB Milchsäure gebildet, welche in Holzritzen eindringt und unter anaeroben Bedingungen von PROP-Keimen abgebaut werden kann. Auflageflächen aus Chromstahl bewähren sich seit Jahren, da sie sehr hitze-, Säure- und Lauge stabil und kratzfest sind. Damit die Käse während der MSG genügend warm sind, hat sich schon bei Holzpressen das Einpacken der Käse gut bewährt. Das Wichtigste im Pressbereich ist aber die tägliche Reinigung und Desinfektion (ZB. mit heissem Wasser) aller Pressutensilien. Einheimische Hölzer für Presstische sind nur bedingt geeignet, da sie schnell altern und weniger kratzfest sind.

Auch Auflageflächen aus Kunststoff (Presstisch, Butterablage) altern schneller als Chormstahlauflagen und sind je nach Abnutzung früher zu ersetzen. Heikel sind auch die Übergänge der Auflageplatten, u.a. Schweissnähte, Silikonfugen etc.

Formenmaterial aus Kunststoff sind

  • als neu gut zu reinigen und zu desinfizieren mit Säure, Lauge und Hitze

  • handlich, kein Seil, weniger versteckte Infektionsherde (vergleiche Holzjärbe!)

Aber auch Kunststoffformen altern, weisen nach kurzer Zeit Haarrisse später auch Risse auf. Je nach Material müssen sie nach maximal 8-10 Jahren ersetzt werden.

Hygienische Überlegungen

  • Wände, Böden, Formenmaterial, Leitungen, Behälter usw. müssen eine glatte, leicht zu reinigende, feste und undurchlässige Oberfläche aufweisen.

  • Auch Reinigungsgeräte wie Bürsten, Schrubber, Kessel etc. müssen hygienisch sauber sein.

  • Das Wichtigste ist die Spülung aller Gegenstände vor und nach der Reingung mit Trinkwasser.

Produkte abhängige Faktoren

Je nach Produkt ist der geeignetste Werkstoff zu wählen. Leicht verderbliche LM sind ZB. im Chromstahltank, -bassin oder in lichtgeschützten Verpackungsfolien zu lagern.

Für die Ausformung eignen sich auf den Alpen sowohl Holz- wie Kunststoffformen, wohlverstanden bei richtiger Anwendung.

Für die Ausreifung der Käse im Keller eignen sich Holzbretter auch unter erschwerten klimatischen Verhältnissen sehr gut und gewähren eine optimale Schmierebildung. Die Reinigung sollte ohne Chemikalien erfolgen, nur mit warmem Wasser, Bürste und Einlegen in kochend heisses Wasser für die Desinfektion. Trocknen an der Sonne ist immer noch das Beste für die Käsebretter; nicht direkt auf den Boden stellen. Wichtig ist auch hier, dass Käsebretter mit Spalten, Rissen, Unebenheiten ausgewechselt werden müssen. Werden pathogene Keime nachgewiesen, ist eine komplette Sanierung der Keller aber auch den vorgelagerten Bereiche einzuleiten und umzusetzen.

Wirtschaftliche Faktoren

  • Stückpreis

  • Baukosten

  • Amortisation, inkl. Alterung

  • Wartungskosten

  • Arbeitskosten bei Einsatz

Natürliche Gleichgewichte mit Keimen zu erhalten und zu pflegen ist ohne ein Hygienekonzept nicht machbar. Die Senninnen und Sennen haben es in der Hand, gärungstechnisch wichtige Keime zu pflegen (Kulturen) und „Schädlinge“ von ihren Alpkäsen fernzuhalten.


Anne Krüger hat in Witzenhausen Landwirtschaft studiert und war mehrere Sommer auf der Alp in Graubünden und Norwegen. Sie ist bei der IG-Alp und hat diesen Artikel für den IG-Alp Infoverteiler geschrieben, der bestellt werden kann unter www.ig-alp.org.