Wenn der Juchzer in der Kehle bleibt

Allerorts fährt und schwitzt das Alpvieh der Höhe entgegen. Das Alpnen hat bei der Bauernschaft eine lange Tradition, die durch vermehrt unternehmerisches Denken zu bröckeln beginnt.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Der Bauer orientiert sich an der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens, er macht, was das Portemonnaie füllt, auch wenn es dabei alles in allem dünner wird. Die Anpassung an den ominösen Markt ist ein verzweifeltes Wettrennen, um die eigene Existenz zu sichern. Gemäss dem von der Wirtschaft vorgegebenem Leitsatz bedeutet dies, den Betrieb zu professionalisieren. Bei der Viehhaltung findet eine Spezialisierung in Richtung reine Fleischproduktion, Aufzucht ohne Kuhhaltung oder Milchproduktion ohne Aufzucht statt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Bestossung der Alpen.

Die Mutterkuh ist der Milchkuh ihr Tod

Insbesondere den Milchkuhalpen drohen euterschlaffe Zeiten:
1. Melkkühe sind arbeitsintensiv und verunmöglichen dem Bauer einem lukrativen Nebenerwerb nachzugehen. Also stellt er auf genügsame Mutterkühe um. (Im Alpkanton Graubünden sank in den letzten acht Jahren der Anteil an gesömmerten Milchkühen um 17 %, hingegen alpten 28 % mehr Galt- und Mutterkühe. Schweizweit ist der Bestand an Melkühen in den letzten zwanzig Jahren um 139’000 zurückgegangen, was Platz für 51’000 Mutterkühe ergab.)
2. Wer im Tal melkt, der bekommt im Sommer einen höheren Milchpreis vom Milchmann Emmi und Co., weil dann die Milch rar ist.
3. Das Abholen der raren Talmilch während dem Sommer ist vor allem im Berggebiet mit seinen abgelegenen Tälern teuer. Es wird derzeit verhandelt, einzelne Talschaften zu kuhalpfreien Zonen zu machen, damit in kürzerer Zeit genügend Milch gesammelt werden kann.
4. Tiere alpen bedingt einen jährlichen Rhythmus von Trächtigkeit und Geburt. Traditionell gealpte Rinder sind daher bei ihrer ersten Geburt drei Jahre alt und nur im Herbst zu verkaufen. Der Markt hätte aber gerne jüngere und über das ganze Jahr verteilt trächtige Rinder.

Vorläufig noch Helfer genug. In den Städten stehen sie Schlange für das Erlebnis Alp.

 
Werte schöpfen

Alpprodukte haben eine sehr hohe Wertschöpfung und keine Absatzprobleme, zwei Gründe, die leider wenig Bedeutung für Betriebsentscheide der Bauern haben. Die Alpwirtschaft ist eben das Schlusslicht der Landwirtschaft. Mit erstklassigem Käse, dem Direktverkauf an Wanderer, eventuellem Ausbau touristischer Angebote durch Übernachtungen, Schaukäsen und grösserer Angebotspalette, kann auf einer Kuhalp Mehrwert geschaffen werden. Dies bedingt erfahrenes Personal, das Freude an der Arbeit hat.

Damit das Tuch voll wird, braucht es neben genügend Milchkühen auch erfahrenes Alppersonal, das erstklassigen Alpkäse produziert.

 
Dienstleistungsunternehmen Galtviehalp

Seit 1996 hat der Rindviehbestand um 176’893 Tiere abgenommen (2003: 1’570’178). Ein Teil dieser Tiere fehlt auch den Alpen. Um weiterhin genügend Tiere auf der Alp zu haben, müssen die Alpbetriebe die Bestösser als Kunden sehen lernen, um die man sich bemüht. Ein reeller Sömmerungspreis, ein gutes Futterangebot und optimaler Service bei Besamungen und Tierkrankheiten sind Pflicht. Unerfahrenes und billiges Alppersonal kann hier teuer werden. Die Alpzeit sollte wenn möglich mit Vor- und Nachweiden verlängert werden. Nicht ganz zu vergessen ist der persönliche Kontakt zum Unterländer Bauern, der Vieh bringt. Wer als Alpbewirtschafter z.B. eine Weihnachtskarte mit Alpbildern verschickt, zeigt sein Interesse an einer guten Zusammenarbeit.

Allerdings haben die Alpen mit traditionell langer Alpzeit, naher und guter Zufahrt geografische Vorteile, die nicht wegzudiskutieren sind. Es wird den Alpen wie der Landwirtschaft ergehen: abgelegene und kleine Alpen, Weiden mit schlechtem Futter, also sogenannten unproduktiven Flächen, werden verganden, dies verhindern auch die Sömmerungsbeiträge nicht. Erst wenn der frohe Wandersmann sich in der Wildnis verirrt, wird die Öffentlichkeit nach den Älplern rufen.

Auch Mutterkühe brauchen gutes Futter (z.B. jenes aufgelöster Kuhalpbetriebe), um genügend Milch zu liefern, sonst erreichen die Kälber bis zum Herbst keine Schlachtreife.

 
Ein paar Zahlen zur Alp

Im Jahr 1982 wurden 10’792 Alpbetriebe gezählt, im Jahr 2003 waren es noch 7493.
Insgesamt sömmern auf den Schweizer Alpen 129’216 Kühe, 253’199 übrige Rinder, 5176 Pferde, 28’868 Ziegen und 200’145 Schafe. Das macht 24% des Rindvieh-, 47% des Ziegen- und 45% des Schafbestandes aus.
Im Jahr 2004 wurden auf den 1834 Melkalpen 65’353 Tonnen Alpmilch (ohne Selbstversorgung) gemolken, was 2% der gesamten schweizerischen Milchmenge ausmacht. 77% Alpmilch (50’469 Tonnen) wurde an Ort und Stelle zu Alpkäse, verarbeitet. 22 % Alpmilch (14’584 Tonnen) wurden als Industrie- und Verarbeitungsmilch ins Tal abtransportiert. Aus dem restlichen 1% entstand Butter, Ziger und anderes.
Auf Ziegenalpen wurden 1’300 Tonnen Milch gemolken und zu 96 Tonnen Ziegenkäse verarbeitet. Der Marktanteil des Alpkäses am gesamten schweizerischen Käsemarkt macht rund 4 Prozent aus.
(Zahlen: BLW, TSM)