Wenn zwei dasselbe fressen...

Anerkannte Bioalpen sind rar. Darum werden Biokühe oft zusammen mit Kühen von Nicht-Biobetrieben gealpt. Ihre Milch ist dann vorübergehend keine Biomilch mehr, und der Alpkäse darf nicht mit einem Biolabel verkauft werden. Auch Bioferkel verwandeln sich auf nicht-biologischen Alpen in ganz gewöhnliche Alpschweine.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Berta ist eine Biokuh. Sie stammt von einem Biohof, frisst organisch gedüngtes Gras von Weiden, die nicht mit Herbiziden behandelt wurde. Berta gibt Biomilch, welche über den Biokanal zu einem leicht höheren Preis abgesetzt wird. Olga ist ebenfalls eine Kuh, nur lebt sie auf einem Betrieb, welcher gemäss ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN) bewirtschaftet wird. Olgas Milch wird deshalb über konventionelle Kanäle vermarktet. Im Sommer weiden Berta und Olga gemeinsam auf einer Alp, wo weder chemisch-synthetische Düngemittel eingesetzt, noch grossflächig Herbizide ausgebracht werden. Einer Alp, welche die Anforderungen der Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV) erfüllt. Doch nun ist Bertas Milch keine Biomilch mehr und der daraus hergestellte Käse auch kein Bio-Alpkäse. Im Chäskessi wird schliesslich nicht nur Bertas, sondern auch Olgas Milch zur Gerinnung gebracht. Erst an dem Tag, an dem Berta wieder in ihren heimatlichen Stall zurückkehrt, darf ihre Milch wieder mit einem Biolabel ausgezeichnet werden. Und weil Berta während der Alpzeit eine Kuh wie alle anderen auch ist, kann sie direkt ab der Alp auch nicht als Biokuh verkauft oder geschlachtet werden. Berta muss erst wieder auf ihren heimatlichen Biohof zurückkehren, wenn sie als Biokuh verkauft werden soll. „Die Tierverkehrsdatenbank, die TVD, verlangt das so”, erklärt Beatrice Moser von der Bio Suisse den komplizierten Vorgang, „der Tierbegleitschein muss vom Biobetrieb ausgefüllt werden.”

Während Milchprodukte nach Ablauf der Alpzeit wieder biologisch vermarktet werden können, sobald die Biotiere wieder auf dem Heimbetrieb sind, ist das bei Alpschweinen nicht möglich. Alpschweine verlieren ihren Biostatus - und zwar für immer wenn sie auf gemischten Alpen gemästet werden. Sie dürfen zwar wieder auf den Biobetrieb zurückkehren, doch darf die Vermarktung nicht in den Biokanal erfolgen. „Das würde auch niemand verstehen”, ist Martin Furrer vom Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband überzeugt, „wenn alle Schweine dasselbe fressen und am Ende zweierlei Fleisch dabei herauskommt.”

Wie viel Bio soll’s denn sein?

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden die Alpen seit je her sehr naturnah bewirtschaftet. Die SöBV erlaubt weder chemisch-synthetische Dünger noch den flächenmässigen Herbizideinsatz. Und da die meisten Bauern auf die Beiträge nach der SöBV angewiesen sind, werden diese Einschränkungen auf fast allen Alpen eingehalten. Die SöBV bildet denn auch die Mindestanforderung dafür, dass Biotiere überhaupt mit anderen Tieren auf die Alp dürfen. Für eine Bioanerkennung reicht diese naturnahe Bewirtschaftung jedoch nicht aus: Bio im Sinne der Richtlinien der Bio Suisse ist eine Alp erst dann, wenn restlos alle Tiere von Biobetrieben stammen und absolut keine Herbizide eingesetzt werden. Die herbizidfreie Bewirtschaftung bedeutet in diesem Fall vor allem vorhandene Blacken von Hand zu bekämpfen. Für Privatalpen im Besitz von Biobetrieben ist die Biobewirtschaftung Pflicht, denn zur Gesamtbetrieblichkeit gehört auch der Sömmerungsbetrieb, steht in den Weisungen der Bio Suisse. Im Bündnerland erfüllen vor allem jene Gemeinschaftsalpen die Biorichtlinien, bei denen die Milch nicht verkäst, sondern als Frischmilch ins Tal geliefert wird. Damit wird gewährleistet, dass in diesen Gebieten auch im Sommer Biomilch zur Verfügung steht. Der weit grössere Teil der gealpten Biotiere dürfte jedoch nach wie vor den Sommer zusammen mit Tieren von ÖLN-Betrieben in der Höhe verbringen.

Keine Weisung ohne Sonderregelung

Bis Ende 2003 war es noch möglich, auf einer Alp bis zu 20% Kühe aus nicht biologischen Betrieben mitzuführen und trotzdem Bioalpkäse zu produzieren. Doch weil es inzwischen immer mehr Biobauern gibt, werden die biologischen Unterbringungsmöglichkeiten immer grösser und die Anforderungen an die Bioproduzenten immer strenger. Trotzdem gibt es noch ein paar Wege, um aus einer Biokuh auf einer gemischten Alp Biomilch zu melken: schliesslich gibt es (fast) keine Weisung ohne Sonderregelung. So kann zum Beispiel ein Biobauer eine Alp pachten, diese nach den Biorichtlinien bewirtschaften (sprich: auf die chemische Bekämpfung von Blacken verzichten) und trotz der gleichzeitigen Anwesenheit von nicht-biologischem Vieh Biomilch oder Biokäse herstellen. Aber nur, wenn die nicht-biologischen Tiere ausschliesslich Mutterkühe oder Galtvieh sind, von denen dann logischerweise keine Milch in das Kessi mit der Biomilch gelangt. Eine weitere Möglichkeit besteht bei Gemeinschaftsalpen oder Gemeinschaftsweiden, die mehrere Ställe zur Verfügung haben: stehen im Stall des Biobetriebs ausschliesslich Biokühe und werden diese separat gemolken, dann können Milch und Käse weiterhin als Bioprodukte vermarktet werden. Allerdings muss zuvor mit dem Alpbesitzer ein Vertrag abgeschlossen werden, welcher den Verzicht auf alle im Biolandbau unerlaubten Hilfsstoffe schriftlich festhält.

Solange der Preis stimmt...

Die meisten Biobauern haben offensichtlich keine Probleme mit dem vorübergehenden Verlust des Biolabels auf ihren Produkten. „Die Wertschöpfung aus dem Alpkäse ist bereits so hoch, dass das Biolabel kaum noch eine zusätzliche Steigerung bringen würde” begründet Beatrice Moser dieses Phänomen. Wegen ein paar Franken führten die Bio-Bauern keine grossen Diskussionen mit langjährigen Alpgenossen über die Art und Weise der Alpflächenbewirtschaftung. Schliesslich bestehen viele Alpgemeinschaften schon seit Jahrzehnten und die gemeinsame Alpfahrt hat Tradition. Oft ist es auch von den räumlichen Entfernungen her nicht sinnvoll, eine andere Alp zu suchen. Und dass die Biokühe während dem Sommer ein Maul voll herbizidbespritzter Blackenblätter fressen könnten, macht den Biobauern offenbar keine Sorgen, wie von verschiedenen Bioberatern zu hören war. Schliesslich ist auch im biologischen Heimbetrieb ein zehnprozentiger Anteil an nicht-biologischen Futtermitteln zugelassen.


Käfer gegen Blacken
Der stumpfe Wiesenampfer, die Blacke, ist besonders für Biobauern lästig. Chemische Blackenbekämpfungsmittel sind im Bioanbau nicht erlaubt. Und Alpen sind nicht mehr biokompatibel, sobald eine Flächen- oder Einzelstockbehandlung gegen Blacken durchgeführt wurde. Die Bekämpfung der Blacke von Hand ist aufwändig, denn es genügt nicht, nur die Samenstände abzuschneiden. Wer Erfolg haben will, muss auch die Wurzeln mit einem Blackeneisen sorgfältig ausstechen. Und selbst dann wachsen viele Blacken über kurz oder lang wieder nach.

Doch die Natur hat für alles ein Gegenmittel: Ampferblattkäfer (Gastrophysa viridula) lieben Blacken über alles und fressen ihre Leibspeise ratzekahl, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Am österreichischen L. Boltzmann-Institut läuft derzeit (2004 bis Ende 2006) eine Untersuchung über das Auftreten des Ampferblattkäfers und ob und wie sich dieser zur biologischen Blackenbekämpfung einsetzen lässt. Erste Ergebnisse zeigten, dass sich der Käfer fördern lässt, wenn einzelne Teilflächen nicht, oder nur wenig bewirtschaftet werden. Ausserdem wurden im Versuch Blacken mit Käferlarven „beimpft”. Die ersten Ergebnisse sind viel versprechend.


Eveline Dudda ist Journalistin im grünen Bereich.