Züchten bis zur Alptauglichkeit

Hochleistungskühe werden auf der Alp ungern gesehen. Vielfach schlecht auf den Füssen, blätternd im Horn, knochig am Füdli, stürzend in der Milchmenge: keine Chance für ins Fotoalbum. Die gute alte Rauhfutterverwerterin ist hier die bessere Wahl. Doch in welche Richtung zielt die Zucht?


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Ist die Alpung mit der heutigen Zuchtrichtung noch vereinbar? Auf diese Frage sollte Dr. Markus Zemp, Präsident des Schweizerischen Braunviehzuchtverbands an der Wintertagung des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands am 13. März in Näfels eine befriedigende Antwort geben.

Eiweiss oder Wasser?

Die Bauern sind heute weniger rassentreu. Wichtig ist die Leistung der Tiere und der Verkaufspreis. Das Braunvieh erreicht mit einer durchschnittlichen Milchmenge von 6400 Liter beinahe das Potenzial des Fleckviehs, bleibt gegenüber den Holsteinern mit 7400 jedoch weit zurück. Hochleistungstiere mit über 20'000 Litern sind zwar ausgewiesen, dienen aber eher der Werbung als dem bäuerlichen Nutzen. Ein Ende sei nicht abzusehen, meinte Markus Zemp. In Amerika gäbe es bereits Kühe mit 30'000 Liter Jahresleistung. Interessant ist, dass die Leistungssteigerung in den letzten zwanzig Jahren bei den Rassen parallel verlaufe. Auch beim Vergleich dieser Entwicklung bezogen auf das Tal- und Berggebiet wären keine prägnanten Unterschiede feststellbar. Der Milchgehalt an Eiweiss und Fett sei beim Braunvieh in etwa gleichgeblieben, jedoch im Rassenvergleich um einiges höher. Daher sei die braune Kuh für die Käseherstellung prädestiniert. Der Braunviehzuchtverband fordere hier von der Milchwirtschaft endlich eine Milchgehaltszahlung.

Vollgaskühe oder Rauhfutterverwerter?

Laut Markus Zemp hat die braune Kuh nur eine Zukunft, wenn sie auch im Talgebiet ansässig ist. 10'000 kg Milch wollen dort gemolken werden, sonst holt sich der Bauer eine Holstein-Kuh. Trotzdem will Zemp keine Ausstellungskühe, sondern wirtschaftliche Tiere, die gesunde Produkte liefern. Eine breite Streuung innerhalb der Rasse soll den Bauern Auswahlmöglichkeiten schaffen. Frankreich und der neue Markt in Osteuropa verlangen nach robusten Erstmelkkühen mit gut 20 Liter Tagesmilch. Die können auch im Berggebiet gezüchtet und gehalten werden.

Das Braunvieh ist heute schmal genug und gross genug, findet Zemp. Augenmerk gilt jetzt dem Fundament, dem Euter, dem Eiweissgehalt, der Zellzahl, der Gesundheit und damit der Wirtschaftlichkeit. Bedenklich erscheint Zemp hier die kürzer werdende Nutzungsdauer, die beim Braunvieh bei gut 4 Jahren liegt (Rassendurchschnitt in der Schweiz 3, in Amerika 2,2 Jahre). Die Rentabilität beginnt im 4. Jahr, der kluge Bauer beginne jetzt zu rechnen.

Der Anteil an Fleischrassenkreuzungen liegt bereits bei über 30 Prozent, Tendenz steigend. Im Moment sei dies noch kein Problem, aber irgendwann werden die Zuchtremonten fehlen.

Aufs Podest oder auf die Alp?

Für die Berglandwirtschaft ist die Alpung notwendig um die Betriebsgrössen zu halten. Der Anteil an Biobetrieben nimmt laufend zu, was allgemein eine Extensivierung der Betriebe bewirkt. Zemp meint, dass mit der 90%-Klausel beim Futter 8'000-Liter-Kühe noch möglich sind. Hier ergibt sich auch ein Markt für gute Rauhfutterkühe.

Jede vierte Braunviehkuh geht zur Zeit noch auf die Alp, gesamthaft ist der Anteil gealpter Kühe in den letzten zwanzig Jahren sogar von 20 auf 24 Prozent gestiegen. Das heisst: Ist das Braunvieh nicht alptauglich, verschwindet die Rasse, da ohne die jetzige Zahl von 190'000 Tieren zuwenig Prüfstiere zur Verfügung stehen würden. Durch die Alpung wird die Konstitution der Tiere und somit die Langlebigkeit gefördert.

Hochleistungskühen schade das Alpen nicht, versichert Zemp. Eine Kuh, die drei Monate nach Abkalbedatum z’Alp geht, ist stabil genug, das geringere Futterangebot zu verkraften. Kühe, die anfangs Juni in der Startphase sind, rät er zu verkaufen. Auch das mit dem Alpen verbundene Erstkalbalter von 33-36 Monaten sei für den Verkauf kein Problem, im Gegenteil werde dadurch die Nutzungsdauer zusätzlich gefördert.


Anhang

Die folgenden Links werben für die jeweilige Rasse. Alptauglichkeit muss selber getestet werden.

Schweizer Braunviehzuchtverband www.braunvieh.ch

Schweizerischer Jerseyzuchtverein www.jersey.ch

Schweizerischer Holsteinzuchtverband www.holstein.ch

Fédération Suisse d'Elevage de la Race Hérens www.raceherens.ch/de/

Original-Braunvieh www.ob-news.ch

Schweizerischen Fleckviehzuchtverband www.fleckvieh.ch

Hinterwälder Zuchtverein www.hinterwaeldervieh.ch

Rhätisches Grauvieh: Züchterverband für gefährdete Nutztierrassen Pro Specie Rara www.psrara.org

Schweizerische Vereinigung der Ammen- und Mutterkuhhalter www.mutterkuh.ch

Verein Simmentaler Original https://www.simmentaler-original.ch/de/

BrownSwiss https://homepage.braunvieh.ch/

Vereinigung der Schweizer Anguszüchter www.swissangus.ch

Swiss Limousine Club www.swiss-limousin.ch

Schweizerischer Yakzucht-Verein https://syv.ch/de/


Dr. Markus Zemp ist Präsident und Mitglied des Geschäftsausschusses des Schweizerischen Braunviehzuchtverbands und Europapräsident der Braunviehzüchter
Dieser Text war leicht verändert auch zu lesen im «Schweizer Bauer» vom Samstag, dem 22. März 2003 www.schweizerbauer.ch